Das Hightech-Land der Ideen

Am 29. August hat Bundesforschungsministerin Annette Schavan dem Bundeskabinett das Leitmotto der so genannten "Hightech-Strategie" vorgestellt. 14,6 Milliarden Euro will die Bundesregierung bis 2009 in die so genannten "Spitzentechnologien" investieren.

Durch diese Strategie würden "Rahmenbedingungen für mehr Freiheit, Wagemut und Umsetzungskraft" geschaffen, heißt es blumig in der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Doch was bedeutet es, wenn "die Kräfte von Wirtschaft und Wissenschaft gebündelt werden sollen", wenn die Überprüfung wirtschaftlicher Anwendbarkeit und Verwertbarkeit von Ideen und Forschungsergebnissen "unbürokratischer" und die Wirtschaft darin unterstützt werden soll, "schneller Normen und Standards etablieren zu können"? Implizieren diese Aussagen nicht auch, dass die Zulassungen riskanter Forschungsprogramme nicht mehr so penibel kontrolliert werden sollen oder dass in die Schaffung allgemeiner Akzeptanz derselben verstärkt zu investieren sei? Möglicherweise steckt hinter einer "engen Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft" letztlich die Privatisierung der Forschung, also das Gegenteil einer freien, unabhängigen Wissenschaft und hinter der "Steigerung des privaten Innovationsengagements" die Mobilisierung privater Investitionen in fragwürdige Technologien. Die "Internationalisierung von Forschung und Entwicklung sowie Talentförderung" legt einen Richtungswechsel vom freien Recht auf Bildung hin zur Privatisierung der Universitäten und Schaffung von Eliteuniversitäten nahe, die nur noch wenigen Wohlhabenden eine gute wissenschaftliche Ausbildung ermöglichen würde.

Risikoprävention herunter- und Marketing hochgeschraubt

Betrachtet man nun das "Innovationsfeld Biotechnologie" in der Hightech-Strategie der Bundesregierung, lässt sich der Kurs am Vokabular klar erkennen: Unter "Chancen" sind die gesellschaftliche Akzeptanz der weißen Biotechnologie verbucht sowie eine "zunehmende Konsolidierung" in der Pharmaindustrie. Als "Herausforderung" wird die Schaffung größerer "Verbraucherakzeptanz im Bereich Lebensmittel" angesehen sowie die "Schaffung innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen". Eine "Schwäche" der bisherigen Situation der deutschen Biotechnologie seien die "schleppenden Genehmigungsverfahren". Also: Risikoprävention herunter-, Marketing hochgeschraubt.

Über den Willen der Bürger hinwegsetzen?

Aber: "Eine große Mehrheit der Verbraucher will keine gentechnisch veränderten Lebensmittel auf ihren Tellern, die große Mehrzahl der Bauern will keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf ihren Äckern. Wenn die Bundesregierung meint, sich mit Hilfe von einer 14,6 Milliarden Euro-Spritze bis 2009 für das neue High-Tech-Konzept über den Willen der Bürger hinwegsetzen zu können, muss sie sich nicht wundern, dass wir dies als eine Kampfansage betrachten", so Georg Janssen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in einer ersten Stellungnahme. Eine rechtlich abgesicherte gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft schaffe und sichere ebenso Arbeitsplätze. Den Aufruf der AbL "Für die Erhaltung gentechnikfreier Land- und Lebensmittelwirtschaft" haben bereits 273 Verarbeitungsunternehmen in Deutschland mit 11.500 Beschäftigten und 2,35 Milliarden Euro Jahresumsatz unterschrieben: Ein klares "Nein!" zur "Hightech-Strategie".
Quellen: www.bmbf.de "Die Hightech-Strategie für Deutschland” (Kurzfassung) als pdf unter www.bmbf.de/pub/bmbf_hts_kurz.pdf "Die Hightech-Strategie für Deutschland” (Langfassung) als pdf unter www.bmbf.de/pub/bmbf_hts_lang.pdf

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
178
vom Oktober 2006
Seite 61 - 61

Anna Leuschner studiert Philosophie und war Praktikantin beim Gen-ethischen Netzwerk

zur Artikelübersicht

Nur durch Spenden ermöglicht!

Einige Artikel unserer Zeitschrift sowie unsere Online-Artikel sind sofort für alle kostenlos lesbar. Die intensive Recherche, das Schreiben eigener Artikel und das Redigieren der Artikel externer Autor*innen nehmen viel Zeit in Anspruch. Bitte tragen Sie durch Ihre Spende dazu bei, dass wir unsere vielen digitalen Leser*innen auch in Zukunft aktuell und kritisch über wichtige Entwicklungen im Bereich Biotechnologie informieren können.

Ja, ich spende!  Nein, diesmal nicht