Die Energetik eines Menschen verstehen

Die Chinesische Medizin ist ein geschlossenes Denksystem, dass die Trennung zwischen Körper, Seele und Geist nicht kennt. Vor allem da, wo die Schulmedizin versagt, erzielt sie oft Erfolge. Eine neue Direktive der EU zur Registrierung von pflanzlichen Arzneimitteln könnte die Ausübung dieser östlichen Heilmethode in Deutschland zukünftig sehr stark einschränken.

Alternative Heilmethoden werden in zunehmendem Maße in Anspruch genommen und es gibt inzwischen eine große Vielfalt nicht-schulmedizinischer Angebote auf dem Gesundheitsmarkt. Wie kommt es zu dieser Entwicklung?

Das hat mit einem generellen Umdenken zu tun. Viele Menschen haben das Vertrauen in die klassische Wissenschaft, wie sie ja hier seit den letzten 150 Jahren propagiert wird, ein Stück verloren. Ich glaube, dass das nicht nur mit dem gesundheitlichen Bereich zu tun hat. An vielen Punkten sieht man, dass die Wissenschaft oft gar nicht so wissenschaftlich ist und auch ganze viele Probleme überhaupt nicht lösen kann. Oft liefert sie nicht einmal Ansätze für eine Lösung. Deshalb die Suche nach alternativen Ansätzen. Man schaut jetzt insgesamt mehr danach, was es eigentlich noch für andere Lebensbereiche gibt, die genauso real sind wie ein Tisch, den ich anfassen kann, die aber nicht mit einer Statistik erfasst werden können. Das wirkt sich dann letztendlich auch auf den gesundheitlichem Sektor aus. Viele Patienten wenden sich an einen Heilpraktiker, weil sie schulmedizinisch austherapiert sind. Sie haben Erkrankungen, vor allem chronische Erkrankungen, aber auch akute Sachen, bei denen der Arzt nur mit den Schultern zuckt und sagt: Tut mir leid, ich kann nichts für Sie tun. Das ist gerade auch bei Schmerzsymptomatiken der Fall, wenn schulmedizinisch nichts nachgewiesen werden kann und die Menschen natürlich sehr verzweifelt darüber sind, dass sie in einem schlechten gesundheitlichen Zustand sind, aber bei ihrem Arzt keine Hilfe finden. Dann gibt es auch noch die Patienten, die für sich ganz klar haben: Ich möchte schonend mit meinem Körper umgehen und nicht unnötigerweise irgendwelche giftigen Substanzen aufnehmen, die vielleicht noch mehr Nebenwirkungen haben als dass sie mir nützen. Es gibt auch Klienten, die ganz klar sagen: Ich möchte nicht, dass meine Krankheit nur rein körperlich gesehen wird, sondern dass sie in Beziehung zu meiner Person und zu meinem Leben gesehen wird, weil ich glaube, dass das etwas mit meiner Erkrankung zu tun hat.

Was unterscheidet die chinesische Medizin von anderen alternativen Heilmethoden? Warum praktizieren Sie gerade diese?

Für mich war es wichtig, dass es ein Denksystem ist, das die Trennung zwischen Körper, Seele und Geist von Anfang an überhaupt nicht kannte. In der westlichen Tradition ist das ja schon immer getrennt worden. Schon die alten Griechen unterschieden diese Sphären und mit der Einführung des Christentums wurde das noch extremer: "Der Geist ist willig aber das Fleisch ist schwach". Das beherrscht bis heute unser Denken. In den letzten zwanzig Jahren versucht man ja im Westen, diese Trennung wieder aufzuheben, zum Beispiel in der psychosomatischen Medizin. In der chinesischen Medizin sind Körper und Geist nie getrennt gesehen worden, dort ist dies ein völlig fremder Gedanke. Der Ausdruck des Körpers und des Geistes werden nur als unterschiedlicher Ausdruck einer bestimmten Energie, die dahintersteckt, betrachtet. Im Grunde genommen ist es das Gleiche. Das hat mich fasziniert. Hinzu kommt, dass die chinesische Medizin wirklich ein in sich geschlossenes Denksystem bildet, in dem alles Platz hat, in dem Widersprüche nicht nur zugelassen werden, sondern auch Motor sind, um Entwicklungen in Gang zu setzen: der klassische Unterschied zwischen Yin und Yang, Tag und Nacht, kalt und heiß. Die Chinesen sagen, aus diesen Widersprüchen und aus dem Zusammenspiel dieser Widersprüche entsteht immer etwas Neues. Sie haben überhaupt nicht dieses monokausale Denken, das unserer Kultur ja eigentlich zugrunde liegt. Sie können mit ihrem System letztendlich alles erklären. Dies gibt mir die Möglichkeit, die Energetik eines Menschen zu verstehen und daraus auch zu verstehen, wie sich bei diesem Menschen ein bestimmtes Krankheitsbild entwickelt hat. Ich finde es wichtig, dass die Patienten auch begreifen können, warum sie bestimmte Erkrankungen entwickeln, damit ich ihnen Hilfestellungen geben kann, wie sie ihr Leben anders führen können, um weiteren Erkrankungen vorzubeugen. Für all dies braucht man ein Grundverständnis und das habe ich persönlich nur in der chinesischen Medizin gefunden.

Im Jahre 2004 wurde die EU-Direktive für traditionelle pflanzliche Arzneimittel verabschiedet. Sie muss bis 31.10.2005 in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Welche Auswirkungen hat diese Direktive auf die zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten der Traditionellen Chinesischen Medizin?

Die Direktive regelt europaweit die Registrierungsmöglichkeit, also nicht die Zulassungsmöglichkeit, für alle pflanzlichen Arzneimittel, die nicht nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen sind. Eine Zulassung bekommt ein Arzneimittel - egal ob es pflanzlich ist oder ob es ein synthetisches Arzneimittel ist - immer nur dann, wenn es eine ganze Reihe von Proben durchlaufen hat. Das fängt an mit In-vitro-Versuchen, geht weiter über Tierversuche und endet dann schließlich bei Versuchen am Menschen. Für jedes Arzneimittel muss erstens nachgewiesen werden, dass es wirksam ist und zweitens, dass es unschädlich ist. Beziehungsweise, zwischen der Wirksamkeit und einer möglichen Schädlichkeit muss ein angemessenes Verhältnis bestehen, so dass der Gesetzgeber sagt: Das ist gerechtfertigt.

Wirksamkeitsnachweise für chinesische Arzneimittel im Sinne westlicher Pharmaforschung sind doch wohl kaum möglich...

Auch bei westlichen Kräutern ist es stellenweise schwierig. Man muss Kräuter ja auf eine bestimmte Person und auf ihr individuelles Krankheitsbild rezeptieren, sonst wirken sie nicht. Man kann das also nur schwer standardisieren. Das ist das erste Problem. Das zweite Problem ist, dass diese Wirksamkeitsnachweise horrende Kosten verursachen, da gehen Millionen rein, nur um die Wirkung zu beweisen. Viele Pharmaunternehmen haben - als diese Gesetzgebung in Deutschland vor einigen Jahren auch auf die pflanzlichen Arzneimittel ausgeweitet worden ist - ihre Mittel freiwillig vom Markt zurückgezogen. Sie haben sich gesagt: Da prüfen wir gar nicht erst, denn wir machen mit diesen Mitteln niemals so viel Gewinn, dass sich das überhaupt irgendwann rentiert. Solche Mittel verschwinden damit sofort. Deshalb sind in Deutschland so viele pflanzliche Arzneimittel vom Markt genommen worden. Jetzt hat die EU aber gesagt - und das ist der große Fortschritt - : Müssen wir das denn in dieser Form bei pflanzlichen Arzneimitteln wirklich machen? Damit gibt es doch so viele Erfahrungen, es gibt so viel Literatur dazu. Wenn ein pflanzliches Arzneimittel seine Tradition in der Literatur nachweisen kann - mindestens 30 Jahre Anwendung, davon 15 Jahre in einem Land der EU - , dann reicht uns das. Wenn da ein paar Experten sitzen, die das alles recherchieren und zusammenstellen, dann braucht dieses pflanzliche Arzneimittel keinen weiteren Wirksamkeitsnachweis, damit es registriert werden kann und damit es in den Vertrieb gebracht werden kann.

Da fragt man sich natürlich: Warum diese geografische Beschränkung?

Die Beschränkung entsteht letztendlich nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern indem man sagt: In Europa haben wir Vertrauen und dort können wir kontrollieren. Außerhalb von Europa haben wir einfach kein Vertrauen. Und nach langem Kampf ist es letztendlich gelungen, zu sagen, o.k., wenn ein pflanzliches Arzneimittel fünfzehn Jahre Tradition in Europa und fünfzehn Jahre in einem nichteuropäischen Land hat, dann sind wir auch bereit, das anzuerkennen. In den ersten Entwürfen war sogar ein Nachweis von 30 Jahren in der EU erforderlich. Das heißt aber, dass bei allen Kräutern, die in Europa noch nicht offiziell seit fünfzehn Jahren gehandelt werden, eine Registrierung nicht möglich ist. Das betrifft natürlich nicht nur die chinesischen, sondern auch die ayurvedischen Kräuter oder Kräuter aus Afrika, Mexiko und so weiter. Das heißt, diese Kräuter haben keine Chance, als traditionelles pflanzliches Heilmittel registriert zu werden, gleichgültig, wie viel Literatur es dazu gibt und wie viele Erfahrungen damit schon gemacht worden sind. Ich finde, es ist eine Unglaublichkeit zu sagen: Wenn ein Arzneimittel in Europa verwendet wird, dann hat das eine Chance auf Registrierung, aber wenn es außerhalb von Europa verwendet worden ist und in Europa nicht oder keine fünfzehn Jahre oder vielleicht nur zehn Jahre dann hat es diese Chance nicht. Letztendlich steckt da der Gedanke dahinter: Die Europäer wissen, wie man es macht, die haben anständige Methoden und bei anderen Ländern weiß man ja nicht, "wie die das da machen".

Dabei geht es ja auch um äußerst lukrative Märkte, denn ein großer Teil der chinesischen Arzneikräuterexporte zum Beispiel geht ja in die EU, Tendenz steigend. Ist die neue Regelung nicht ganz im Interesse der Pharmaindustrie?

Das ist sicherlich eine berechtigte Vermutung. Auch die klassische Pharmaindustrie schwenkt in den letzten Jahren immer mehr auf naturheilkundliche Produkte um. Zum einen, weil da der Markt wächst, und zum anderen, weil sie horrende Summen in die Forschung zur Entwicklung neuer Wirkstoffe gesteckt hat, ohne dass dies letztendlich zu dem gewünschten Ergebnis geführt hätte. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren wurden nicht sehr viele lukrative Wirkstoffe entdeckt, wohingegen der Kräutermarkt unglaublich gewachsen ist. Jetzt geht man immer mehr dazu über, Wirkstoffe aus Pflanzen zu extrahieren und daraus neue Produkte herzustellen. Das ist der große neue Markt. Und den versucht die Pharmaindustrie sich natürlich zu sichern. Diesen Markt kann sie sich natürlich nur sichern, wenn die verwendeten Pflanzen registrierungsfähig sind und andererseits der Aufwand dafür so groß ist, dass er nur von großen Unternehmen geleistet werden kann. Viele kleine traditionelle Unternehmen, die schon seit sehr langer Zeit pflanzliche Arzneimittel herstellen, wie Madaus, Weleda oder Wala, haben es mit der Zeit immer schwerer, weil sie von den Großen verdrängt werden. Dieser Druck wird natürlich immer weitergegeben. Der größte expandierende Markt, den wir im Moment haben, ist der mit den chinesischen Arzneimitteln, der boomt unglaublich. Darum wird natürlich versucht, diesen außen vor zu lassen, um sich die europäischen Kräuter zu sichern. Die chinesischen Kräuter haben fast keine Lobby. Der Markt ist erst am Wachsen und die Firmen, die es gibt, sind in dieser ganzen Lobbyszene nicht besonders etabliert. Sie haben sich auch ein wenig rausdrängen lassen, weil sie sich nicht früh genug und gut genug organisiert haben.

Einige Kräuter, die in Europa jetzt schon mit Erfolg verwendet werden, könnten in Zukunft also nicht mehr zur Verfügung stehen?

Ja, da wird es einige Pflanzen geben, die einfach wegfallen werden. Aber auch Kräutermischungen sind von der Regelung betroffen. Kräuter wirken ja im Wesentlichen durch ihre Kombination. Immer wenn neu kombiniert wird, gilt dies als neues pflanzliches Arzneimittel. Das heißt, nur diejenigen Kombinationen von Kräutern, die jetzt schon seit fünfzehn Jahren auf dem Markt sind, haben eine Chance, registriert zu werden. Neue Kombinationen haben keine Chance, auch wenn die einzelnen Kräuter registriert sind. Man darf etwas weglassen oder man darf die Dosierung der einzelnen Bestandteile in einem gewissen Rahmen verändern, aber neue Mischungen sind damit per se ausgeschlossen, so lange dieses Gesetz Geltung hat.

Die Stärke der chinesischen Arzneimitteltherapie liegt doch gerade in dem exakten Eingehen auf die individuelle Situation des Patienten, das heißt, es werden in den häufigsten Fällen ja keine Standardkräutermischungen verabreicht. Wird es weiterhin möglich sein, ganz individuelle Mischungen zu verschreiben?

Die Richtlinie gilt nur für Fertigarzneimittel, also für fertige Pillen, für Säfte etcetera. Wenn in der Praxis ein individuelles Rezept verschrieben wird, nimmt man eine Basisrezeptur, deren Wirkung seit mindestens fünfhundert oder tausend Jahren bekannt ist, und modifiziert diese nach den Gegebenheiten des Patienten. Diese Mischung wird dann von einer Apotheke zusammengestellt. Die Apotheken dürfen das weiterhin tun, denn die Richtlinie gilt, wie gesagt, nur für Fertigarzneimittel, nicht für die einzelnen Kräuter, die als Teedroge abgegeben werden.

Begründet wird die Regelung mit dem Schutz der Verbraucher. Ist nicht tatsächlich zu befürchten, dass die Optionen der Verbraucher und Therapeuten zusehends eingeschränkt werden?

Die Möglichkeiten der Patienten werden mit Sicherheit eingeschränkt, was die chinesischen Kräuterprodukte angeht. Hinsichtlich der westlichen Kräuterprodukte wird eine Verbesserung eintreten, weil Wirkungsnachweise nicht mehr in dieser Form für eine Registrierung erforderlich sind. Wenn diese Richtlinie sagt: Wir brauchen keine Wirksamkeitsnachweise, sondern es genügt, die Tradition nachzuweisen, dann heißt das aber auch, dass auf der eventuell schädlichen Seite ein absolutes Null stehen muss. Das heißt, sobald bekannt ist, dass ein Arzneimittel bei einigen Patienten einige Nebenwirkungen verursacht hat, und seien sie noch so leicht, ist es nicht mehr registrierungsfähig. Bei einem schulmedizinischen Medikament würde man sagen: Nun gut, es ist zwar schädlich, aber es hilft auch. Die Argumentation bei den Kräutern ist: Ob es hilft oder nicht, weiß ja kein Mensch. Wenn es schon nicht hilft, oder die Wirkung nicht nachgewiesen ist, dann muss es aber hundertprozentig ungefährlich sein. Alle Kräuter, die eine Anwendungsbeschränkung haben, sind deshalb gefährdet: Kräuter, die nicht länger als sechs Wochen gegeben werden sollen, oder Kräuter, die bei Patienten, die schon eine vorgeschädigte Leber haben, nicht eingesetzt werden dürfen. Aber wenn Erkrankungen etwas schwerwiegender sind, braucht man natürlich auch Medikamente, die ein wenig "härter" in der Wirkung sind, die können dann auch gelegentlich Nebenwirkungen verursachen. Wenn so etwas auftritt, verschwinden diese Präparate. Dies bedeutet, dass wir über diese Regelung einen Anteil der höchstwirksamen Substanzen verlieren werden. Man kann sich ja vorstellen, dass man jemanden, der einen akuten Rheumaanfall hat, nicht einfach nur mit Kamillenblüten behandeln kann. Da braucht man eben etwas stärker Wirksames. Und über diesen Prozess werden uns die stark wirksamen Kräuter ausgehebelt, die werden uns dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ist ein ganz zentrales Problem.

Welche Vorteile bringt die Direktive für traditionelle pflanzliche Heilmittel den Verbrauchern tatsächlich?

Bei chinesischen Fertigarzneimitteln, die auf halblegalem bis illegalem Wege in Einzellieferungen von Belgien, Holland, Großbritannien oder aus den USA in die EU importiert werden, gab es bisher keine einheitliche Handhabung zur Qualitätskontrolle. Es sind immer wieder Waren darunter, die zu stark pestizidbelastet sind, wo Cortison ohne Deklaration beigemischt worden war und anderes. Wir kämpfen schon seit einigen Jahren dafür, dass nur noch solche Produkte verordnet werden, die wirklich kontrolliert sind, das heißt, die auch in Deutschland apothekenpflichtig sind und nur über eine Apotheke bezogen werden können. Man sollte auch jedem Verbraucher empfehlen, zu einem seriösen Behandler zu gehen, der die chinesischen Arzneipflanzen in der Apotheke bestellt, denn da sind sie rückstandskontrollliert – und natürlich dann erheblich teurer. Da sie im Ausland immer noch sehr billig zu haben sind, gibt es Leute, die dort bestellen. Deshalb tauchen auch immer wieder Vergiftungsfälle oder unerwünschte Nebenwirkungen auf. Wenn die Registrierungs-Richtlinie in Kraft tritt, müssen die Arzneipflanzen in ganz Europa in der zentralen Registrierungsstelle registriert sein. Dort werden nur diejenigen Pflanzen registriert, die diese Qualitätsüberprüfung durchlaufen haben. Auf dieser Ebene ist das schon ein Schritt, der zu mehr Sicherheit für den Verbraucher führt und auch ein Stück weit den Markt reguliert. Im Moment sind die billigen, aber schlechten Produkte aufgrund des Preises immer im Marktvorteil. Wenn diese keine Registrierung bekommen und vom Markt verschwinden, wird sich der Markt auch ein Stück weit erholen. Ich verbinde damit auch die Hoffnung, dass dann die Produkte, die bislang noch sehr teuer sind, durch den erhöhten Absatz etwas günstiger werden können. Es gibt also durchaus auch einige Vorteile dieser Richtlinie. Das Problem ist aber, dass sie sehr statisch angelegt ist, dass sie für neue Präparate keine Entwicklungsmöglichkeiten zulässt und dass sie eben sehr eurozentristisch ausgerichtet ist.

Wie sind die Regelungen in anderen europäischen Ländern, die nicht EU-Mitgliedsstaaten sind?

Die Schweizer zum Beispiel haben eine ganz eigene Gesetzgebung. Sie haben gesagt: "Wir akzeptieren alle Kräuter, die in der chinesischen Materia Medica stehen und wir akzeptieren alle klassischen Rezepturen". Sie akzeptieren keine neuen Rezepturen, aber per se alle klassischen Rezepturen, solange darin keine Kräuter vorkommen, die nachgewiesenermaßen giftig sind, wie zum Beispiel Quecksilber, das früher in der chinesischen Medizin verwendet wurde. Das verwendet heute natürlich kein Mensch mehr. Die Schweizer lassen alle diese Präparate zu, wenn sie dementsprechend qualitätskontrolliert sind. Das ist ein wunderbarer Weg, der sehr der Sachlage angemessen ist und auch den Sicherheits- und Qualitätsansprüchen der Verbraucher entgegen kommt, da ganz klar gesagt wird: Es kommt nur kontrollierte Ware ins Land. Und da sind die Schweizer eben auch sehr streng. Dies ist ein Gegenbeispiel zur EU - gar nicht weit weg! - welches zeigt, wie man es auch machen kann und zwar inhaltlich stringent, völlig an der Sache orientiert und dem Verbraucherschutz auch noch gerecht werdend. Die Schweiz sagt: Die chinesische Medizin funktioniert nach dem Prinzip der chinesischen Medizin und da kann man jetzt nicht andere Prinzipien reinmischen, denn damit machen wir sie nur kaputt. Das ist dort wirklich sehr schön gelaufen!
Das Interview führte Theresia Scheierling

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
169
vom April 2005
Seite 8 - 11

Annette Wrobel ist Heilpraktikerin und arbeitet seit 10 Jahren mit Chinesischer Medizin. Sie ist seit 2000 im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für klassische Akupunktur und traditionelle Chinesische Medizin (AG TCM) tätig, zunächst für den Bereich Arzneimitteltherapie, zur Zeit für den Bereich Aus- und Fortbildung. Kontakt: www.ostwind-akupunktur.de. Weitere Informationen unter www.agtcm.de

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