Rezension: Eine nützliche Eugenik-Chronik

Auf dicken 520 Seiten hat Richard Fuchs eine Chronologie der Eugenik und Humangenetik bis ins Jahr 2007 zusammengetragen und damit reichlich Stoff zum akribischen Nachschlagen geliefert. Einzelne Daten sind in gut lesbaren Texten aufgearbeitet, so dass man schnell gefangen ist und gleich ein ganzes Jahrzehnt am Stück runterlesen möchte. Neben internationalen Eckdaten fokussiert die Chronik vor allem auf die Entwicklung in Deutschland. Es stört auch nicht, dass sich Fuchs nicht auf unmittelbar relevante Eckdaten der Eugenik und Humangenetik beschränkt hat. Die Etablierung der Bioethik und die Entwicklung der Bevölkerungspolitik sind etwa ebenso dokumentiert wie der Einsatz von Uranmunition im Golfkrieg, von „Agent Orange“ im Vietnam-Krieg oder auch die „Contergan-Katastrophe“ in Deutschland. Die Kriterien dieser Auswahl erschließen sich zwar der Leserin nicht; doch ergibt sich insgesamt eine anregende Zusammenstellung, die zum Schmökern und Reflektieren einlädt. Denn deutlich werden bei dieser Gelegenheit auch Kontexte und Widersprüche, die sich aus historischer Perspektive vielleicht klarer erkennen lassen. Denn war es nicht so, dass sich Humangenetiker und ihre Kritiker im Aufschrei der „Katastrophe“ und in ihrer Kritik an gefährlichen Stoffen wie Contergan auf einen gemeinsamen Wert beriefen: Es gilt die Entstehung behinderten Lebens zu verhindern? Der Band schließt mit einem gut erschlossenem Sachregister und einem Personen- und Firmenregister ab. Ermöglicht wird damit der schnelle Zugriff auf Schlagworte wie „Sozialdarwinismus“ bis „Funktionsanalyse von Genen“. Ergänzt wird der Band durch eine Auflistung von Bioethik-Institutionen und eine Bibliographie, die die verwendeten Quellen auflistet. Diese ist allerdings, was die historische Literatur betrifft, bedauerlicherweise nicht sehr umfangreich und nicht mehr auf dem neuesten Stand. Die vorliegende Chronik ist ein wirklich umfassendes und verlässliches Nachschlagewerk, das vor allem hinsichtlich der ‚Machenschaften der Bösen’ keine weiteren Fragen offen lässt.
Alexander Schwerin

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
190
vom Oktober 2008
Seite 47

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