In Bewegung
Protest gegen Patente
Eine große Melone liegt vor dem Europäischen Patentamt (EPA) am Morgen des 27. März in München. Um die Melone herum stehen Leute mit Transparenten und Schildern in den Händen. Sie fordern „Kein Patent auf Saatgut!“ und „Hände weg von unseren Nutzpflanzen!“. Dreißig Organisationen hatten zu dem Protest aufgerufen und verlangen, dass die Produkte aus konventioneller Zucht nicht patentierbar sind. Dafür müssen zuerst die aktuellen Unklarheiten im Regelwerk des EPA beseitigt werden. Das GeN hatte den Aufruf mit unterstützt. Anlass der Aktion war ein Treffen des Verwaltungsrates des EPA. Dort wurde über den Umgang mit bestehenden Unklarheiten bezüglich Patenten auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Zucht verhandelt.
2017 entschied der Verwaltungsrat, der aus Vertreter*innen der Vertragsstaaten des EPA zusammengesetzt ist, dass Pflanzen und Tiere aus sogenannten im Wesentlichen biologische[n] Verfahren nicht patentierbar sind. Ein Beschluss der technischen Beschwerdekammer des EPA im Dezember betrachtet dieses Verbot jedoch als nichtig. Daher bestehen momentan Unsicherheiten bezüglich der Regeln zur Patentierung. Die Errungenschaften im Streben gegen Patente auf Pflanzen und Tiere wackeln!
Umso wichtiger ist es, ein Zeichen zu setzten, dass nicht lockergelassen und sich weiterhin eingemischt wird. Zu dem Treffen des Verwaltungsrates im März war nur die Industrie eingeladen, die zivilgesellschaftlichen Organisationen mussten draußen bleiben und nahmen sich die Straße.
➤ www.no-patents-on-seeds.org und www.kurzlink.de/gid249_zo
Nachruf
Das Gen-ethische Netzwerk trauert um seinen langjährigen Mitarbeiter Christoph Schulz. Er verstarb im April nach kurzer, schwerer Krankheit.
Christoph hatte sich von Mitte der 1990er-Jahre bis 2017 hauptsächlich um die Verwaltung gekümmert. Für ihn war das keine rein technische Aufgabe, sondern Teil seines politischen Verständnisses. Auch ihm ging es im Gen-ethischen Netzwerk darum, Sand ins Getriebe von Agrar- und Saatgutindustrie sowie behindertenfeindlicher Politik zu streuen, es ging um gesellschaftliche Veränderungen. Stets erinnerte er uns daran, dass dafür auch ausgeglichene Finanzen notwendig sind. Die Rücksicht darauf durfte aber nie auf Kosten der klaren Positionen gehen. Im Zweifel war es wichtiger, dass wir für unsere Inhalte einstehen.
In unserem Domizil in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte stand sein Schreibtisch an zentraler Stelle. Alle Mitarbeiter*innen kamen hier jeden Tag mehrfach vorbei, und viele von uns sind gerne stehen geblieben, um mit ihm über die Geschicke des Vereins, die politische Weltlage oder auch den eigenen Alltag zu sprechen. Er blieb immer freundlich und zugewandt. Diese Freundlichkeit hielt ihn jedoch keinesfalls davon ab, seine Meinung klar und deutlich zu vertreten, wenn er es für nötig hielt. Seine stille Freundlichkeit wird uns fehlen, und auch, mit ihm auf eine Zigarette zusammen zu sitzen.
Mach es gut, Christoph.
Zivilgesellschaft als politischer Störfaktor
Nach jahrelangem Rechtsstreit entschied der Bundesfinanzhof (BFH) am 25. Februar letztinstanzlich, dass Attac seine Gemeinnützigkeit verliert. Am 18. März erklärte Campact auf Grund dieses Urteils, dass sie zukünftig keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen werden. Zuvor stand bereits die Deutsche Umweltwelthilfe (DUH) unter massivem Beschuss. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) wird am 4. Juli erwartet, der Ausgang ist offen.
Während im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien noch von der Stärkung der Zivilgesellschaft und deren Rolle innerhalb der demokratischen Willensbildung die Rede war, führt die derzeitige Entwicklung zu einer Beschneidung der politischen Beteiligungsmöglichkeiten. Problem ist § 52 der Abgabenordnung (AO). Ein Paragraf aus dem Steuerrecht, der dem Stand der politischen Debatten in den 1970er- und 80er-Jahre entspricht, der festlegt zu welchen politischen Themen sich gemeinnützige Organisationen äußern und aktiv werden dürfen. Vereine müssen also zukünftig abwägen, ob sie sich allgemein politisch äußern und einen möglichen Verlust der Gemeinnützigkeit in Kauf nehmen.
Attac, Campact, die DUH und viele andere – also linke, progressive und globalisierungskritische Organisationen – werden von der politischen Diskussion ausgeschlossen. Vereine wie Uniter e.V. hingegen – ein Netzwerk des rechten Bundeswehrsoldaten „Hannibal“, das unter anderem mit einer militärischen Kommandoausbildung wirbt – stellen weiter fleißig Spendenbescheinigungen aus und fallen bei der Debatte durchs Raster.
Wie viele andere Akteure im Non-Profit-Sektor ist auch das Gen-ethische Netzwerk (GeN) potenziell davon betroffen. Rund 100 Organisationen haben sich daher in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. zusammengeschlossen und fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. Ein Verlust der Gemeinnützigkeit bedeutet nicht nur den Verlust finanzieller Mittel, auch wird die Vertrauenswürdigkeit unserer Arbeit in Frage gestellt. Zivilgesellschaft ist gemeinnützig!
➤ Weitere Informationen und alle Forderungen der Allianz finden sich z.B. unter www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de
➤ Bericht zu Uniter e.V. unter www.taz.de/!5578715/
Lautstark gegen die Kassenfinanzierung
Unter dem Motto Inklusion statt Selektion fand am 10. April – also am Vortag der Orientierungsdebatte um die Kassenzulassung des pränatalen Bluttests auf Trisomien im Bundestag – eine Demonstration hauptsächlich von Menschen mit Trisomie 21 und ihren Familien in Berlin statt.
Rund 300 Menschen zogen vom Bundesgesundheitsministerium zum Brandenburger Tor, um lautstark und gemeinsam für die selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und gegen das vorgeburtliche Aussortieren nach genetischen Merkmalen einzutreten! Dabei wurden Sprüche gerufen wie „Inkludieren statt aussortieren!“ oder „Wir sind hier und wir sind laut, weil ihr uns die Vielfalt klaut!“
Das GeN war dabei und verteilte fleißig unsere eigenen Flyer zum Bluttest als auch die gemeinsame Stellungnahme, die von inzwischen 27 Organisationen unterstützt wird. Redner*innen waren vor allem Menschen, die mit Trisomie 21 leben, sie unterstrichen damit ihren Anspruch, dass in der Debatte nicht wie bisher vor allem über sie geredet werden soll, sondern sie sich aktiv in die Politik einmischen wollen.
➤ Mehr zu der Diskussion um die Kassenzulassung des Bluttests finden Sie in diesem Heft ab S.34.
DNA-Genealogie Vortrag in Wien
Auf Einladung des österreichischen Vereins Familia Austria klärte GeN-Mitarbeiterin Isabelle Bartram rund 40 Ahnenforscher*innen über die Risiken von kommerziellen Abstammungsgentests auf. Die Tests, die direkt aus dem Internet von Firmen wie AncestryDNA, 23andme, MyHeritage und anderen erworben werden können, werden seit einiger Zeit offensiv innerhalb der deutschsprachigen Genealogie-Community beworben. Dabei verstoßen ihre Geschäftsbedingungen unter anderem gegen europäisches Datenschutzrecht und das deutsche Gendiagnostikgesetz. Wie der Vortrag und die anschließende einstündige Diskussion aufzeigten, sind die Ergebnisse der Tests zudem nicht so verlässlich und aussagekräftig, wie die Firmen es ihren Kund*innen versprechen. Die Veranstaltung sollte den Ahnenforscher*innen eine Grundlage für eine informierte Entscheidung für oder gegen einen DNA-Test geben. Die GeN-Mitarbeiterin wies vor allem auf die unvorhersehbaren Datenschutzrisiken hin, deren Folgen weder Lai*innen noch Expert*innen beim Kauf vollständig überblicken können.
➤ siehe Artikel in diesem Heft ab S.32.
GID-Redaktion
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