Rezension – Sollten Feminist*innen klonen?

Die nordamerikanische Neurobiologin und Feministin Deboleena Roy hat einen beeindruckenden Band zur Reflexion feministischer Praxis in den Wissenschaften veröffentlicht. Ausgehend von ihrer Arbeit als Aktivistin für Frauengesundheitszentren und reproduktive Gerechtigkeit, begann die Autorin sich intensiv mit der Umsetzung feministischer Theorie im Alltag ihrer Laborarbeit zu beschäftigen. Im Buch spannt sie hierfür unter den Überschriften „Biophilosophies of Becoming“, „Microphysiologies of Desire“ und „Bacterial Lives“ einen weiten Rahmen mit voraussetzungsvollen, aber emphatischen Bezügen auf poststrukturalistische Theorie, die feministische Theoriebildung, postkoloniale bzw. dekoloniale Studien und die feministische Naturwissenschaftsforschung und -kritik.

Die Fragen, die sie beschäftigen, sind unter anderem: Wie können wir die Beziehung zwischen wissenschaftlicher Wissenserzeugung und dem Zu-Wissenden rekonfigurieren? Wie können wir die biologische Wissensproduktion anhand unserer Bedarfe gestalten? Aber auch: Wie begegnen wir Materie und Leben in ihren unterschiedlichen Formen? Konkret heißt das für die Autorin, sich radikal kritisch mit den bestehenden Vorannahmen und Paradigmen der Forschungstradition auseinanderzusetzen, an ihrem aktivistischen Engagement immer wieder anzuschließen, aber auch feministische Gewissheiten zu befragen, die Unbeständigkeit sowie Vulnerabilität der „Natur“ wahrzunehmen und keinesfalls die in ihrem Forschungsfeld üblichen Tierversuche durchzuführen.

Alles in allem ist das Buch ein sehr wichtiger Beitrag für das erneute Interesse an Materialität und die Umsetzung von feministischer Theorie in die Praxis des Forschens.

➤ Deboleena Roy (2018): Molecular Feminism: Biology, Becomings, and Life in the Lab, 265 Seiten, University of Washington Press, 23 Euro, ISBN 978-0295744094. Kostenloses PDF: http://library.oapen.org/handle/20.500.12657/27684.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
253
vom Mai 2020
Seite 37

Tino Plümecke arbeitet derzeit als Postdoc an der Universität Freiburg in der Forschungsgruppe “Human Diversity in the New Life Sciences: Social and Scientific Effects of Biological Differentiations” (SoSciBio), die sich den Konzepten zur Humandifferenzierung in den neuen Lebenswissenschaften widmet.

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