In Bewegung
Foto: © Leo Jung
Zwischen Angst und Hoffnung
„#AlleFürsKlima“ hieß das Motto des globalen Fridays for Future-Klimastreiks, zwei Tage vor der Bundestagswahl, am 24. September 2021. Insgesamt waren 620.000 Demonstrierende in ganz Deutschland unterwegs, die diesmal nicht nur für Klimagerechtigkeit und die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens demonstrierten, sondern unter anderem auch für eine neue Regierung, die klimagerecht handeln soll. Der Streik fand an insgesamt 471 Orten in ganz Deutschland statt und das Gen-ethische Netzwerk (GeN) war natürlich auch vor Ort: hier in Berlin, im Zentrum des Geschehens. Vertreten wurden wir durch Lilly, neueste Mitarbeitende und FÖJlerin des GeN.
Gefühle zwischen Angst und Hoffnung sorgten in Berlin für motivierte Stimmung. Die Demonstration startete um 12 Uhr vor dem Bundestag und bereits kurz vor 12 waren schon mehrere tausend Menschen vor Ort. Trotz der sonst sehr besorgten und ernsten Gesichter der Streikenden, war die Stimmung höchst motivierend. Denn die Bundestagswahl stand für einen Aufbruch und die Chance auf einen Wandel in der Klimapolitik. Bis jetzt ist in den letzten Jahren, mit der immer gleichen Regierung, nicht viel passiert. Ganz im Gegenteil: die den Klimawandel beschleunigenden Parameter stiegen weiterhin an. Für die Aktivist*innen von Fridays for Future ist klar: „Die nächste Bundesregierung ist die letzte, die das 1,5°C-Limit noch einhalten“ und so die Zukunft vieler junger Menschen sichern kann. Bereits seit 2018 demonstrieren Schüler*innen, junge Menschen und Aktivist*innen für eine klimagerechte Politik. Die junge Generation wurde lange nicht ernst genommen, klein geredet oder als nicht Profi genug tituliert. Dabei ist es genau diese Generation, die auf aktuelle wissenschaftliche Studien und Szenarien schaut und die Wahlprogramme der Parteien in Bezug auf deren Klimapolitik lautstark kritisiert hat – so auch am 24. September. Ob diese Kritik in der neuen Regierung mehr Gehör findet, bleibt abzuwarten. (lp)
Schlaglichter der aktuellen Reproduktionsethik
Am 17.09.2021 veranstaltete die Österreichische Palliativgesellschaft (OPG) ihren 6. Ethik-Fachtag. Die drei Themenblöcke der Konferenz deckten die Bereiche Reproduktionsmedizin, Klimawandel und assistierter Suizid ab. Dr. Heinz Stromer, praktizierender Reproduktionsmediziner, führte in seinem Vortrag in die aktuelle medizinische Forschung und neue technologische Entwicklungen ein und gab interessante Einblicke in den Praxisalltag. Dr. Hartmut Kreß referierte über Nicht-invasive Pränataltests (NIPT) und trug eine erstaunlich unkritische ethische Beurteilung dieser Praktiken vor. Dabei stritt er die ableistischen Implikationen dieser Methoden und den daraus resultierenden Schwangerschaftsabbrüchen ab. Er stellte die Entscheidung über den NIPT als individuell dar und reproduzierte die, von Stimmen aus den Disability Studies und der Behindertenbewegung scharf kritisierte, Gleichsetzung von Behinderung mit Krankheit, was in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum nicht unkommentiert blieb. Dr. Katharina Beier schlug den Bogen zurück zum Thema reproduktive Gerechtigkeit und problematisierte in diesem Zusammenhang die Kommerzialisierung der assistierten Reproduktion. Sie plädierte für ein breiteres Verständnis von Selbstbestimmung, das die Sicherung der körperlichen Integrität aller Beteiligten, also auch sogenannter „Leihmütter“ und „Eizellspender*innen“, miteinbezieht. (lm)
Leere Flaschen gegen Patente
Am 13. Oktober protestierten Keine Patente auf Saatgut! gemeinsam mit WeMove gegen die Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung. An diesem Datum tagte der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes (EPA), der aus Vertreter*innen der 38 Mitgliedsstaaten besteht. Entsprechend wurden 38 leere Bierflaschen bei der Aktion in München an das EPA übergeben. Die Flaschen mit den jeweiligen Nationalfahnen sollen symbolisieren, dass die Nationalstaaten Teil des EPA sind und ihre Macht nutzen sollten, um das Verbot auf Patente aus konventioneller Zucht durchzusetzen. Das EPA setzt zunehmend zufällige Mutationen mit Gentechnik gleich und hat auf dieser Grundlage bereits mehrere Patente auf konventionell gezüchtete Braugerste erteilt. (jd)
➤ PM und Hintergrundbericht: www.no-patents-on-seeds.org
Berliner Krankenhausbewegung
Beschäftigte der Berliner Krankenhäuser Charité, Vivantes und Tochterunternehmen streiken seit dem 9. September für bessere Arbeitsbedingungen. Sie hatten den Klinikleitungen bereits im Mai ein 100-Tage-Ultimatum gesetzt. Sie fordern einen „Entlastungstarifvertrag“ mit einer verbindlichen Personalquote pro Patient*in und einen Belastungsausgleich bei Unterbesetzung. Momentan sei die Sicherstellung der Patient*innensicherheit durch den Personalmangel nicht mehr gewährleistet. Eine weitere Forderung ist die faire Entlohnung von Beschäftigten von Vivantes-Töchtern, die nicht in der direkten Krankenversorgung, sondern z.B. in der Reinigung arbeiten, nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD). Anfang Oktober berichteten die Streikenden bei einer Pressekonferenz in der Berliner Volksbühne von konstruktiven Verhandlungen mit der Charité, während der Konzern Vivantes nicht ernsthaft verhandeln würde. Der ehemalige Ministerpräsident Brandenburgs, Matthias Platzeck, soll hier nun als „Moderator“ weiterhelfen. (ib)
➤ www.berliner-krankenhausbewegung.de
Pro-Choice & gegen selektive PND
In Reaktion auf den alljährlichen „Marsch für das Leben“, einem Schweigezug der sogenannten Lebensschutz-Bewegung durch Berlin, riefen das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und das What the Fuck-Bündnis am Samstag, den 18. September 2021 zu feministischen Protesten auf. Schon am Freitag fand die queer-feministische Vorabenddemo statt, bei der auch marginalisierte Perspektiven und Stimmen zu Wort kamen. Unter anderem sprachen Vertreter*innen der Sex Workers Action Group (SWAG) und der Gruppe Ciocia Basia, die ungewollt schwangeren Personen aus Polen Abtreibungen in Berlin ermöglicht. Auch das Gen-ethische Netzwerk war mit einem Redebeitrag zu den Zusammenhängen von Pränataldiagnostik (PND), der feministischen Forderung nach Selbstbestimmung und (späten) Schwangerschaftsabbrüchen dabei. Am Samstag fanden verschiedene Aktionen gegen den Marsch statt und eine vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung organisierte Demo zog unter dem Motto „Du hast die Wahl!“ durch die Straßen Berlins. Dem diskriminierenden Schweigemarsch wurde also mit lautstarkem Protest begegnet. Am 28. September, dem International Save Abortion Day, folgten weitere bunte und laute Pro-Choice-Aktivitäten in rund 60 deutschen Städten für die Entkriminalisierung und Enttabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. (ts)
➤ Der Redebeitrag des GeN kann auf unserer Homepage nachgelesen werden: www.kurzelinks.de/gid259-tb
Reproduktive Gerechtigkeit
Kitchen Politics, ein feministisches Kollektiv, haben am 23. Juli 2021 im Rahmen einer Online-Veranstaltung ihr neu erschienenes Buch „Mehr als Selbstbestimmung! Kämpfe für reproduktive Gerechtigkeit“ vorgestellt. Mit dabei waren die Herausgeber*innen Susanne Schultz und Vanessa Thompson, die einen kurzen Einblick in das Thema boten. Anschließend wurden die Buchbeiträge von Expert*innen aus Rom*nja-Initiativen und einer Beratungseinrichtung für behinderte Frauen kommentiert.
Was das Konzept der reproduktiven Gerechtigkeit fordert, wurde an diesem Tag bereits in die Tat umgesetzt: Ein offener Austausch von Perspektiven und Erfahrungen und die Vereinigung verschiedenster Kämpfe. Das gemeinsame Ziel: Die Einbeziehung aller Betroffenen in die Diskussion und die Herstellung von gesellschaftlichen Verhältnissen, die allen eine selbstbestimmte, informierte Entscheidung über Nicht- / Reproduktion und Familienentwürfe zugestehen. (lm)
Repro-Messe in Zürich
„Eizellspende“ und Leihmutterschaft sind in der Schweiz verboten. Trotzdem fand in Zürich am 16. / 17. Oktober eine Veranstaltung rund um das Thema Kinderwunsch statt, an der namhafte Reproduktionskliniken aus dem inner- und außereuropäischen Ausland ihre Angebote präsentierten. Angefangen von der genetischen Auswahl von Embryonen über die „Eizellspende“ bis hin zur Leihmutterschaft wurde für die gesamte Palette geworben. Gleichzeitig gab es auch juristische Beratung über die rechtliche Situation.
Organisiert wurde die Veranstaltung von AirDoc, einer Firma, die medizinische Dienstleistungen in der Schweiz und anderswo vermittelt. Die Veranstaltung sollte schon im letzten Jahr stattfinden, wurde aber aus Pandemiegründen abgesagt. biorespect schaltete seinerzeit schon die kantonale Gesundheitsdirektion ein, denn allein die Werbung und Vermittlung einer Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten. Auch in diesem Jahr hatten die Behörden ein Auge auf die Veranstaltung. Der Kinderwunsch und die Angebote der Fortpflanzungsmedizin haben sich zu einem äußerst lukrativen Geschäftszweig für viele Akteur*innen entwickelt, dabei bewegen sich einige Anbieter*innen in einer rechtlichen Grauzone. (gp)
GID-Redaktion
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