Rezension: Die Politik des Kinderkriegens
„Zu viel Bevölkerung oder zu wenig? Wer soll Kinder bekommen und wer vom Gebären abgehalten werden?“ Susanne Schultz forscht und schreibt seit vielen Jahren zu Fragen rund um Bevölkerungspolitiken. In ihrem Band „Die Politik des Kinderkriegens – Zur Kritik demografischer Regierungsstrategien“ hat sie verschiedene Forschungsarbeiten aus unterschiedlichen Kontexten und Kooperationen zusammengefasst. Im ersten Teil führt sie in die theoretischen, methodologischen und konzeptionellen Zugänge zur Politik des Kinderkriegens ein und erläutert u.a. das Konzept der malthusianischen Matrix: Diese scheint immer stärker auf politische, kapitalistische und klimakritische Diskurse zu wirken und schafft eine dominante Erzählung, nach der die Ursachen nahezu aller aktuellen Krisen auf Bevölkerungsfragen zurückzuführen seien. Die Auseinandersetzung mit den dahinterliegenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen ist daher umso wichtiger und dringender. Im zweiten Teil des Bandes geht es um deutsche Demografiestrategien. Hier werden intersektionale Zusammenhänge der Familienpolitik und deren klassistische und rassistische Ausschlüsse aufgezeigt. Auch die Bedeutung von Reproduktionstechnologien für den Diskurs und dessen behindertendiskriminierende Dimension werden erörtert. Gerade dieser Aspekt rund um Kinderwunschpolitiken greift zentrale Themen des Gen-ethischen Netzwerks auf: „Eizellspende“, „Leihmutterschaft“, reproduktive Ausbeutung und Genetisierung von Verwandtschaftsverhältnissen. Der dritte Teil des Bandes fokussiert auf transnationale Zusammenhänge von Bevölkerungspolitik und Klimakrise sowie Familienplanung und Big Pharma. Insgesamt machen die theoretische Verortung und akademische Sprache den gesamten Band durchaus voraussetzungsvoll. Aber Susanne Schultz liefert so eine umfassende und treffende soziopolitische Analyse der aktuellen Entwicklungen rund um die Politik des Kinderkriegens. Die brennenden Fragen und Probleme machen deutlich, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht, dass es eine breite gesellschaftliche Debatte braucht, um die komplexen Zusammenhänge zu verstehen, und dass es hierzu einer aktiven, linken und queer-feministischen Politik bedarf.
➤ Schultz, S. (2022): Die Politik des Kinderkriegens. Zur Kritik demografischer Regierungsstrategien. Bielefeld: Transcript Verlag, 236 Seiten, Print 39,- Euro oder kostenlos online: www.transcript-verlag.de oder www.kurzelinks.de/gid263-id, ISBN: 978-3-8376-6161-3.
Janina Johannsen ist Mitarbeiterin des GeN und leitet die Redaktion des GID.
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