Kurz notiert - Landwirtschaft und Lebensmittel
Wissenschaft
Neue Technik, neue Risiken
Es ist unbedingt notwendig, nicht nur die Risiken einzelner gentechnisch veränderter Organismen zu betrachten, sondern auch ihre potenziellen Wechselwirkungen miteinander – so schließen die Autor*innen einer aktuellen Studie. Sie sind mit dem Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie (Testbiotech) assoziiert und haben für ihren Artikel wissenschaftliche Literatur ausgewertet. Der Studie zufolge ermöglichen die neuen Gentechniken eine weitreichendere Veränderung von Organismen als es mit konventionellen Methoden möglich ist. Auch ist das Spektrum an Organismen, die verändert werden, weiter. Wie diese neuen Eigenschaften mit der belebten Umwelt interagieren birgt an sich schon ungeklärte Fragen. Eine neue Dimension wird erreicht, wenn mehrere Organismen mit neuen Eigenschaften sich gleichzeitig in der Umwelt befinden. Die Autor*innen stellen drei verschiedene Szenarien für verschiedene Wechselwirkungen vor. Sie schließen mit der Anmerkung, dass eine Bewertung der Risiken für die Umwelt notwendig ist. Diese sollte nicht nur die einzelnen Organismen betrachten, sondern auch mögliche Zusammenspiele mit der belebten Umwelt. (Environmental Sciences Europe, 20.04.23, www.doi.org/10.1186/s12302-023-00734-3) (jd)
Umweltrisikoprüfung für Glyphosat ist unzureichend
Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zeigt, dass ein Glyphosat-basiertes Herbizid (GbH) Florfliegenlarven stark schädigt, wenn dieses über die Nahrung aufgenommen wird. In der aktuellen Umweltrisikoprüfung wird die Giftigkeit einer Substanz für Insekten bei äußerlichem Kontakt geprüft. Im Freiland ist es allerdings sehr wahrscheinlich, dass pflanzenfressende Insekten glyphosathaltige Mittel über ihre Nahrung aufnehmen. Für die meisten Pestizide fehlen Daten für die Insektenschädlichkeit bei oraler Einnahme. BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm sagte dazu: „Bislang wird lediglich diskutiert, dass Glyphosat-basierte Herbizide Amphibienlarven direkt schädigen können und Insekten dagegen nur indirekt, da Ackerbeikräuter als ihre wichtige Lebens- und Nahrungsgrundlage wegfallen. Mit der neuen Studie wird nachgewiesen, dass GbH auch direkt stark toxisch für Insekten sein können – und dies sogar bei Konzentrationen deutlich unterhalb der erlaubten Spritzmenge.“ (Science of The Total Environment, 03.01.23, www.doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.161158; BfN, 15.03.23, www.bfn.de) (jd)
Nahrungsmittel
Mehr Gentechnik-Weizen
In Brasilien hat die Nationale Technische Kommission für Biosicherheit den Anbau und den Verkauf von gentechnisch verändertem (gv) HB4-Weizen genehmigt. Damit ist Brasilien weltweit nun das zweite Land nach Argentinien in dem der gv-Weizen angebaut werden darf. In Brasilien und Argentinien zählen global zu den größten Exporteuren von Weizen. Die Pflanze hat zwei eingebaute Gensequenzen, die erstens zu einer höheren Trockenheitstoleranz führen soll und zweitens die Pflanze gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium tolerant macht – ein Stoff, der in der EU verboten ist. Als Lebens- und Futtermittel ist HB4-Weizen bereits in den USA, Kolumbien, Neuseeland, Australien, Südafrika und Nigeria sowie neuerdings auch in Indonesien zugelassen. Indonesien hatte erst im März dieses Jahres den gv-Weizen als Lebensmittel akzeptiert. (Amerika21, 15.03.23., www.amerika21.de; Reuters, 16.03.23, www.reuters.com) (jd)
Japan erlaubt genomeditierten Mais
Ein mit CRISPR-Cas9 veränderter Mais der Firma Corteva Agriscience wurde am 20. März in Japan für alle Zwecke zugelassen. Bei der Pflanze wurde das sogenannte Waxy-Gen manipuliert, wodurch der Mais einen höheren Amylopektinanteil aufweist als herkömmliche Sorten. Diese Veränderung gibt dem Mais eine besonders klebrige Textur, die Lebensmittel cremiger macht und besonders für den asiatischen Markt interessant sein kann. Amylopektin wird außerdem auch in der Textil- und Papierindustrie verwendet. Der Mais ist das vierte zugelassene genomeditierte Lebensmittel in Japan nach der GABA-Tomate, einer dicken Meerbrasse und einem schnell wachsenden Kugelfisch. (United States Department of Agrisulture – Foreign Agricultural Service, 06.04.23, www.fas.usda.gov) (jd)
Anbau & Pestizide
EU: Freilandversuche mit CRISPR-Pflanzen
In der EU wurden dieses Jahr sechs Anträge auf Feldversuche mit CRISPR-Pflanzen eingereicht. Die Versuche sind in den Ländern Schweden, Dänemark und Belgien geplant und haben eine Laufzeit von ein bis fünf Jahren. Die meisten Anträge wurden bereits von den Behörden bewilligt. Es soll untersucht werden, wie die mit CRISPR veränderten Pflanzen auf Umweltfaktoren reagieren und wie stabil die manipulierten Eigenschaften sind. So will das Umeå Plant Science Center in Schweden drei verschiedene CRISPR-Kartoffel-Linien ausbringen. Eine Linie soll eine verbesserte Nährstoffaufnahme haben, eine andere weniger anfällig gegenüber Krankheiten sein und die dritte eine veränderte Stärkezusammensetzung haben. In einem weiteren Versuch in Schweden geht es um den Hormonhaushalt und die Fotosynthese der Wildpflanze Ackerschmalwand. Auch Dänemark hat Feldversuche mit Kartoffeln geplant, die resistenter gegen Kraut- und Knollenfäule sein sollen. In Belgien ist ein Versuch mit kurzstieligem Mais auf den Flächen des staatlichen Forschungsinstitutes ILVO genehmigt. (Informationsdienst Gentechnik, 13.04.22, www.keine-gentechnik.de, EU-Kommission, 14.04.23, webgate.ec.europa.eu) (lp)
Politik & Handel
EU: Entscheidung zu Regulierung der neuen Gentechnik verschoben
Wie verschiedene Medien unter Berufung auf Insider berichteten, wird die Entscheidung der EU-Kommission zu der Frage der Regulierung der neuen Gentechniken bei Kulturpflanzen verschoben. Grund für die Verschiebung sind anscheinend die Kritik an dem Prozess sowie Unstimmigkeiten zwischen den Ressorts. Das Portal Arc2020.eu erläuterte, dass der EU-Ausschuss für Regulierungskontrolle, das Regulatory Scrutiny Board, den Prozess der EU-Kommission als unzureichend bewertet. Es sei zu wenig untersucht worden, wie sich die Vorschläge in der Umsetzung unter anderem auf das Vertrauen der Verbraucher*innen, die Umwelt und den Biosektor auswirkten. Auch Kosten und Nutzen seinen zu kurz betrachtet worden. Der ursprüngliche Termin war für den 7. Juni geplant und wurde nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Das deutsche Umweltministerium geht aktuell davon aus, dass die Europäische Kommission ihren Regulierungsentwurf noch im Juni vorlegen wird. (Arc2020, 13.04.23, www.arc2020.eu; Informationsdienst Gentechnik, 23.04.23, www.keine-gentechnik.de) (jd)
UK: Deregulierung von neuer Gentechnik
Ein Gesetzesentwurf zur vereinfachten Regulierung der neuen Gentechnikverfahren erhielt am 23. März die königliche Zustimmung und tritt somit in Kraft. Damit ist es jetzt legal, genomeditierte Nahrungsmittel in England für Versuche oder zur Kommerzialisierung anzubauen und zu verkaufen. Wichtige regulatorische Elemente wie eine Risikobewertung, Kennzeichnung und Überwachung sind für diese Produkte nicht mehr notwendig. Besondere Sorgen bereitet Kritiker*innen, dass damit auch wildlebende Organismen wie Bäume, die gentechnisch verändert wurden, freigesetzt werden dürfen. Pat Thomas von Beyond GM sagte dazu, das neue Gesetz „erlaubt den Entwickler*innen von Biotechnologie, sich selbst zu bescheinigen, dass ihre manipulierten Organismen sicher und nützlich sind, und sieht keine Strafen vor, wenn sich dies als unwahr herausstellt.“ Laut Thomas sei es richtig die Motive und die Konsequenzen einer Gesetzgebung zu hinterfragen, „die es einer großen und gut finanzierten Industrie erlaubt, so weit unter dem Radar der Regulierungsbehörden zu fliegen.“ (UK Parlament, 23.03.23, https://commons
library.parliament.uk; Beyond GM, 24.03.23, https://beyond-gm.org) (jd)
Zivilgesellschaft
Richter*innen stoppen Anbau von GVO
Auf den Philippinen hat ein Richter des Obersten Gerichtes den Anbau von gentechnisch verändertem (gv) Reis vorerst untersagt. Mehrere philippinische Organisationen und Einzelpersonen, angeführt von der Bauernvereinigung Masipag und Greenpeace Südostasien, hatten im Oktober vergangenen Jahres an das Gericht appelliert, den von der Regierung erlaubten kommerziellen Anbau von Goldenem Reis und gv-Auberginen zu verbieten. Der sogenannte Goldene Reis wurde in 2022 erstmals auf den Philippinen und weltweit überhaupt in einer größeren Menge angebaut. Der Reis soll einen erhöhten Beta-Carotin Wert aufweisen und gegen Vitamin A-Mangel helfen. Auch in Kenia ist der Ausgang verschiedener Anhörungen zur Aufhebung des Anbau- und Importverbotes von gv-Pflanzen noch ungewiss. Ein Teilerfolg ist allerdings die Ablehnung eines Dreiergerichtes, welches über den Fall entscheiden sollte. Kevin Oriri, der Anwalt des kenianischen Bauernverbands, der sich für eine Beibehaltung des Verbotes einsetzt, begrüßte das Urteil. (MASIPAG, 19.04.23., www.masipag.org; GhettoRadio, 01.05.23, www.ghettoradio.co.ke, Informationsdienst Gentechnik, 02.05.23, www.keine-gentechnik.de) (jd)
FSC stoppt den internen Prozess zu gv-Bäumen
Am 31. März verkündete der Forest Stewardship Council (FCS) den Informationsprozess zu genomeditierten Bäumen vorerst einzustellen. Seit März 2022 holte ein vom Vorstand einberufenes Gremium Informationen zu gentechnisch veränderten (gv) Bäumen ein, mit dem Ziel den Einsatz der Technik für den FSC zu diskutieren. Als Grund für die Einstellung werden unterschiedliche Auffassungen der FSC-Mitglieder bezüglich des laufenden Prozesses sowie ein potenzielles Risiko für eine Rufschädigung des FSC genannt. Im Moment lehnt der FSC gv-Bäume ab und untersagt den Betrieben die Nutzung. Im August wird das weitere Vorgehen diskutiert. Die Gruppe FSC-Watch kritisieren den internen Informationsprozess als Versuch, die bestehende Ablehnung aufzuweichen und machen dies vor allem an der Teilnahme von Professor Steven Strauss am Gremium fest. Strauss steht der Gentechnik positiv gegenüber, hat lange zu gv-Bäumen geforscht und für ihre Nutzung lobbyiert. (FSC, 31.03.23, www.fsc.org; FSC Watch, 03.04.23, www.fsc-watch.com) (jd)
Patente
AT: Neues Patentgesetz
Das österreichische Parlament hat am 27. April einem Gesetzesentwurf zugestimmt, demnach zufällige Mutationen vom Patentschutz ausgenommen sind. Die Gesetzesänderung (229/ME) ist somit in Kraft getreten. Pflanzen- oder Tiereigenschaften, die durch zufällige Veränderungen der DNA entstanden sind, zum Beispiel durch Mutagenese, sind nicht mehr patentierbar. Mit dieser Entscheidung setzt Österreich ein wichtiges Signal in Europa. Das nationale Gesetz ist für die Entscheidungen des Europäischen Patentamtes (EPA) nicht bindend, zeigt aber den Willen bestehende Verbote streng auszulegen und umzusetzen. Trotz Widerstand und kritischer Stimmen genehmigt das EPA Patente auf Pflanzen- und Tiereigenschaften, die durch Zufall entstanden sind. Die letzten bekannten Fälle wären unter anderem Patente auf Braugerste und Mais. (PM Keine Patente auf Saatgut!, 28.04.23, www.no-patents-on-seeds.org) (jd)
Das Einheitspatent kommt
Deutschland hat am 17. Februar das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) ratifiziert. Damit ist der letzte Schritt getan und am 1. Juni wird das EPGÜ seine Arbeit aufnehmen. Das neue System ermöglicht einen einheitlichen Patentschutz in allen teilnehmenden 17 EU-Mitgliedstaaten durch eine einzige beim Europäischen Patentamt eingereichte Patentanmeldung und bietet eine zentrale Plattform für europaweite Patentstreitigkeiten. Somit soll die Patentanmeldung günstiger, übersichtlicher und einfacher werden. (EPA, 17.02.23, www.epo.org) (jd)
Syngenta behält Patent auf Paprika
Das Europäische Patentamt (EPA) hat einen Einspruch gegen ein Patent der Firma Syngenta (Chemchina) auf konventionell gezüchtete Paprika (EP2140023) zurückgewiesen. Syngenta hatte 2013 ein Patent auf die genetische Eigenschaft von einer ursprünglich aus Jamaika stammenden Pflanze erhalten, die eine natürliche Resistenz gegen Schadinsekten aufweist. Ein breites Bündnis von Organisationen aus insgesamt 27 Ländern hatte Einspruch eingelegt, weil keine Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt werden dürfen. Das EPA gab dem Einspruch aber nicht statt. Dieser Fall zeigt die Notwenigkeit für politisches Handeln. Es werden zunehmend Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt. Laut Kritiker*innen blockieren Patente wie diese den Zugang zur biologischen Vielfalt und der Saatgut- und Pflanzenmarkt werde so zunehmend durch Konzerne kontrolliert. (NPOS, 17.02.23, www.no-patents-on-seeds.org) (gp)
GID-Redaktion