In Bewegung
35 Jahre Technologiekritik
Die Jahre vergehen – wir bleiben kritisch! Biorespect (der gute alte Basler Appell gegen Gentechnologie) schaut in diesem November auf 35 Jahre aktive Technologiekritik zurück. In diesen Jahren hat sich viel geändert. Auch der Diskurs ist nicht mehr derselbe, wie er es noch in den bewegten Zeiten der 1980er-Jahre war. Was sich aber nicht geändert hat, ist unsere Haltung zur Gen- und Biotechnologie und zu den Entwicklungen rund um die Fortpflanzungsmedizin. Weiter sind wir der Auffassung, dass sich Technologien daran messen lassen müssen, wie umwelt- und sozialverträglich sie sind und ob mit ihnen ein gesellschaftlicher Nutzen einhergeht. Auch wenn es heute manchmal scheint, als wäre die Gentechnologie ein etabliertes Verfahren und die Technisierung der Fortpflanzung breit akzeptiert, so schauen wir sehr kritisch darauf, wohin der Technologieoptimismus führt. Aus diesem Anlass wird das AHA! im Dezember als Sonderausgabe erscheinen. Alte und neue Weggefährt*innen werden zu Wort kommen. Schon jetzt verweisen wir auf eine Veranstaltung mit Podiumsdiskussion, die im Rahmen der Mitgliederversammlung in Basel im April 2024 geplant wird. Weitere Einzelheiten veröffentlichen wir im AHA! und auf unserer Website. (gp/tp)
Broschürenlaunch: Reproduktive Gerechtigkeit
Am 5. September präsentierte die AG Reproduktive Gerechtigkeit ihre neu erschienene Broschüre mit einer Lesung im Kreuzberger Aquarium. Das Konzept der Reproduktiven Gerechtigkeit wurde von Schwarzen Feminist*innen in den USA entwickelt, um dem einseitigen Recht auf Schwangerschaftsabbruch des weiß dominierten Pro-Choice-Feminismus etwas entgegen zu setzen: Die Ausblendung von sexualisierter Gewalt und Kindesentzug unter Versklavung, Zwangssterilisationen und die ungleichen Bedingungen, unter denen Kinder in einer rassifizierten Gesellschaft aufwachsen, wollten sie nicht weiter hinnehmen.
Die Lesung war rappelvoll und hat auf eindrucksvolle Weise gezeigt, dass das Konzept der Reproduktiven Gerechtigkeit sinnvoll in den deutschen Kontext übertragen werden kann. Neben spannenden Einblicken in die einzelnen Kapitel der Broschüre – vom Schwangerschaftsabbruch über Pränataldiagnostik zu queerer Elternschaft, von rassistischen Ausschlüssen und unerwünschten Kindern – und deren Entstehungsprozess, war es vor allem der Fokus auf aktuelle politische Kämpfe, der die Veranstaltung so wertvoll machte. Aktivist*innen berichteten z.B. von der Vernetzung gegen rassistische Jugendamtspraxen und den Kämpfen von migrantischen Hausarbeiter*innen. Im Gespräch auf dem Podium wurde deutlich, dass Reproduktive Gerechtigkeit keine graue Theorie ist, sondern ein lebendiger aktivistischer Ansatz und wie gewinnbringend es ist, wenn unterschiedliche Communities einander zuhören – aber auch, wie viel es noch zu tun gibt. (jl)
Broschüre als PDF oder Print: www.kurzelinks.de/gid267-lh
10 Jahre „behindert und verrückt“!
„Behindert und verrückt feiern“ – so heißt die Pride Parade, die für mehr gesellschaftliche Akzeptanz und Sichtbarkeit von be_hinderten und neurodivergenten Menschen in unserer Gesellschaft aufmerksam machen möchte. Am 9. September rollte die Parade zum zehnten Mal durch Berlin – das GeN war mit einem Lastenrad, Bannern und Info-Flyern dabei. Gewappnet mit Sonnencreme und Wasserflaschen sind wir trotz starker Hitze motiviert vom Hermannplatz bis zum Kottbusser Tor gezogen, samt Musik, Demoschildern und Zwischenstopps für Redebeiträge. Am Ende der Parade gab es vor dem Südblock ein kleines Konzert der Band „21 downbeat“ und einen Redebeitrag unserer GeN-Mitarbeiterin Isabelle Bartram. Sie berichtete über nicht-invasive Pränataltests (NIPT), die nach Trisomien bei Föten suchen und seit kurzem als Kassenleistung angerechnet werden können. Wir finden „alle Menschen sollten über ihren eigenen Körper bestimmen können und sich frei für oder gegen eine Abtreibung entscheiden können. Aber wie frei ist diese Entscheidung in einer behindertenfeindlichen Gesellschaft“? Mit der guten Stimmung vor Ort, interessanten Beiträgen und der gemeinschaftlichen Rücksichtnahme war die Parade ein voller Erfolg! (lp)
Über 136.000 Unterschriften übergeben
Vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung um die EU-weite Zulassungsverlängerung des umstrittenen Totalherbizides Glyphosat (siehe „EU-Kommission für Glyphosatzulassung bis 2033“ unter Kurz notiert, S.21 in diesem Heft) sammelte eine Gruppe von Umweltverbänden über 136.000 Petitionsunterschriften. Öffentlichkeitswirksam begleitet von bunten Schildern und einem übergroßen Glyphosat-Kanister mit verknotetem Ausguss wurden die Unterschriften am 14. September an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft übergeben und von Staatssekretärin Silvia Bender entgegengenommen. Die Unterschriftenübergabe war Teil einer internationalen Aktionswoche der europäischen Initiative „Stop Glyphosate“, der u.a. Greenpeace, Ekō, Slow Food Deutschland, das Umweltinstitut München sowie das Bündnis enkeltaugliche Landwirtschaft angehören. Die bei Redaktionsschluss bereits auf über 150.000 Unterschriften angewachsene Petition fordert Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf, sich auf EU-Ebene gegen eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat einzusetzen. (ps)
Petition z.B. beim Umweltinstitut München unterzeichnen: www.umweltinstitut.org/landwirtschaft/mitmachakti…
Vereint gegen die GVO-Deregulation
Dieses Jahr hat die europäische GMO-free Conference am 07. September ihr zehntes Bestehensjahr gefeiert. Zu diesem Anlass kamen mehr als 200 Vertreter*innen europäischer, nationaler und regionaler Regierungen, Kommunen, Landwirtschafts-, Lebensmittel- und Umweltverbände sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen nach Brüssel. Allerdings nahm der wenige Monate vorher veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung der Gentechnik in Lebensmitteln und Landwirtschaft jeden Grund zum Feiern. In Zusammenarbeit mit Abgeordneten des EU-Parlaments sowie der österreichischen Umwelt- und Klimaministerin Leonore Gewessler und der niedersächsischen Umwelt-Staatssekretärin Anka Dobslaw wurde live und online im EU-Parlament eine Vortragsreihe zu dem Thema gehalten. Das einstimmige Urteil der vortragenden Politiker*innen und Wissenschaftler*innen lautete: Der Vorschlag ist inakzeptabel. Bedauerlicherweise waren Befürworter*innen des Gesetzesvorschlags, wie die Europäische Volkspartei oder Mitglieder der spanischen Ratspräsidentschaft, nicht vertreten. (psk)
GID-Redaktion