Rezension: Einblicke

Leihschwangerschaft in Russland und der Ukraine

Mit „Intimate Strangers“ legt Veronika Siegl eine anthropologische Untersuchung der Praxis der Leihmutterschaft vor. Auszüge aus qualitativen Interviews und Beobachtungen aus dem Feld geben Aufschluss darüber, wie die Beteiligten – von Wunscheltern über Agenturmitarbeitende bis zu Leihschwangeren selbst – Leihschwangerschaft verstehen, moralisch besetzen und sich selbst in diesem Gefüge verorten sowie die konkreten Wahrheitsansprüche, die sie mit ihren Aussagen über Leihschwangerschaft erheben. Dabei gelingen Einblicke in Rekrutierungsprozesse und Abläufe, ebenso wie in das Verhältnis von Wunscheltern und Leihschwangeren und die darin liegenden Wünsche und Projektionen. Auch die Probleme der Praxis, wie mangelnde Transparenz, eine unklare Versicherungslage und die schwache rechtliche Position der Leihschwangeren werden im Buch deutlich. Reflexionen der Autorin über Schwierigkeiten des Feldzugangs und die jeweils prägenden gesellschaftlichen Diskurse sind dabei eine wichtige Ergänzung des Materials. Lediglich eine detaillierte Beschreibung des gewählten Feldzugangs und der Auswahl der Interviewpartner*innen sowie der Methodik der Gesprächsführung wäre wünschenswert gewesen, um eine kritische Einordung der Arbeit zu ermöglichen. Insgesamt jedoch handelt es sich um eine spannende und aufschlussreiche Lektüre, die ein Schlaglicht auf die Brüche und Widersprüche in Narrativen über Leihschwangerschaft wirft.

Siegl, V. (2023): Intimate Strangers: Commercial Surrogacy in Russia and Ukraine and the Making of Truth. Cornell University Press, 306 Seiten, Print: 32,75 Euro, digital (Open Access): www.kurzelinks.de/gid268-ln, ISBN: 1-50177-131-0.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
268
vom Februar 2024
Seite 33

Jonte Lindemann ist Mitarbeiter*in des GeN und Redakteur*in des GiD.

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