Kurz Notiert - Landwirtschaft & Lebensmittel
Politik & Handel
ANSES-Bericht zurückgehalten
Ein Expert*innengutachten der französischen Nationalen Agentur für Lebensmittel-, Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) zu den Risiken neuer Gentechnik (NGT)-Pflanzen wurde erst nach zahlreichen Verzögerungen öffentlich zugänglich gemacht. Lokale Medien werfen der französischen Regierung Zensur und manipulatives Verhalten vor, da der Bericht erst Wochen nachdem das EU-Parlament über den Gesetzesvorschlag zur Deregulierung der NGT abgestimmt hatte, veröffentlich wurde. In dem wissenschaftlichen Gutachten werden NGT-Pflanzen auf Gesundheits- und Umweltrisiken untersucht. Die Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass nach jeder Markteinführung ein Überwachungsplan notwendig ist, um die Auswirkungen der NGT-Produkte auf ihre Umwelt einschätzen zu können. (ANSES, 07.03.24, www.anses.fr) (psk)
Parlament stimmt NGT zu
Nachdem die EU-Kommission im Juli 2023 einen Gesetzesentwurf zur Deregulierung der neuen Gentechnik (NGT) veröffentlicht hatte, war es Sache des Parlaments sich intern über den Gesetzestext abzustimmen. Eine Mehrheit der Abgeordneten des EU-Parlaments hat sich Anfang Februar für eine weitgehende Aufweichung der Gentechnik-Regulierung ausgesprochen. Das heißt, dass die bisherige Risikoprüfung von NGT-Pflanzen keine Zulassungsvoraussetzung mehr darstellen würde und die Pflanzen nur noch eingeschränkt rückverfolgbar wären. Es wurden auch einige Änderungsvorschläge eingebracht, die zeigen, dass die Debatte um die neue Gentechnik sehr gespalten ist. Unter anderem hat sich das Gremium mehrheitlich für eine Kennzeichnungspflicht von Produkten der neuen Gentechnik ausgesprochen. Auch soll es die Möglichkeit geben, bei nachgewiesenen Gesundheits- oder Umweltrisiken, ein Produkt vom Markt zu nehmen, nachdem die Zulassung erteilt worden ist. Als nächsten Schritt steht noch die Einigung im EU-Rat aus. Ob das noch vor den EU-Wahlen stattfinden wird, ist zu bezweifeln. (BUND, 08.02.24, www.bund.net) (psk)
Anbau & Pestizide
Anwendungsverbot von Glyphosat
Laut eines Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) soll das Anwendungsverbot für das Herbizid Glyphosat aus der Pflanzenschutzanwendungsverordnung gestrichen werden. Deutschland müsse die Zulassung für hochgiftige Pestizide verlängern, weil die EU die Genehmigung verlängert habe, heißt es von Seiten des BMELs aus. „Das ist falsch. Deutschland kann das Ackergift Glyphosat rechtmäßig national per Verordnung verbieten“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Zusammen mit der Aurelia-Stiftung zeigen die beiden Organisationen in einer Stellungnahme drei rechtliche Umsetzungsmöglichkeiten auf, wie ein nationales Glyphosatverbot auch nach der Entscheidung der EU-Kommission aufrechterhalten werden kann. Zum Beispiel als Notfallmaßnahme zum Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Umwelt. Das Breitbandherbizid Glyphosat hat drastische Auswirkungen auf die Biodiversität und gefährdet Wild- und Honigbienen. Auch schwerwiegende gesundheitliche Risiken für Menschen können nicht ausgeschlossen werden. (DUH, 05.03.24, www.duh.de) (psk)
Erste NGT-Gerste in der Schweiz
In der Schweiz wurde durch die Firma Agroscope der erste Anbauversuch mit „Golden Promise“ gestartet, eine Gerstensorte, die mithilfe von Verfahren der neuen Gentechnik gezüchtet wurde. Forschende der Freien Universität Berlin und des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung haben Pflanzen im Gewächshaus gezüchtet, die mehr Körner pro Ähre produzieren. Nun soll im Frühling 2024 auf einer Anbaufläche von Agroscope in Zürich-Reckenholz der Anbau gestartet werden, der auch schon vom Schweizer Bundesamt für Umwelt bewilligt wurde. Diese Bewilligung wurde benötigt, da die Pflanzen als gentechnisch veränderte Pflanzen gelten, obwohl sie keine Fremd-DNA enthalten und das Inaktivieren des Gens auch auf natürliche Weise entstehen könnte. Die Gerste wurde mithilfe von CRISPR-Cas9 verändert, indem das Gen CKX2 ausgeschalten wurde. Versuche mit Reis zeigten bereits, dass das Ausschalten des Gens dazu führte, dass die Samenbildung steigt und somit auch der Ertrag. Bis Herbst 2026 soll an der Gerstensorte „Golden Promise“ geforscht werden, danach soll das Wissen auf andere Getreidesorten ausgeweitet werden. (Der Bundesrat, 15.02.24, www.admin.ch) (lm)
MASIPAG vs. Goldener Reis
Letztes Jahr erlebten Landwirt*innen in der Stadt Virac auf den Philippinen die Herausforderungen, die damit verbunden sind, Goldenen Reises anzubauen. Für seine hohe Schädlingsanfälligkeit sowie geringe Ertragsleistung wird oft die schlechte Bodenqualität genannt. Doch ganz in der Nähe, mit fast ähnlichen Bodenbedingungen, gibt es eine gute Alternative zum Goldenen Reis: der MASIPAG-Reis. In der Nachbarstadt Viga war es möglich 48 der 50 angebauten MASIPAG-Reissorten zu erhalten – trotz der Überschwemmungen im letzten Jahr. Schon seit Ende des letzten Jahrhunderts stellt das MASIPAG-Netzwerk eine nachhaltige Art und Weise für Landwirt*innen dar, ihr Saatgut effektiv zu konservieren, zu pflegen und zu erhalten. Das Prinzip dabei ist es, eine große Vielfalt an Reissorten kontinuierlich an lokale Boden- und Klimabedingungen anzupassen. Dadurch entsteht eine lebendige, anpassungsfähige Saatgutbank. Darüber hinaus ist es für Landwirt*innen möglich, Reissorten miteinander zu tauschen und somit den regionalen Reisanbau resilienter zu gestalten. (MASIPAG National Office, 21.02.24, www.masipag.org) (psk)
Ewigkeitschemikalie auf Obst und Gemüse
Zusammen mit einer Reihe von Partnerorganisationen hat das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) die Kontamination von Lebensmitteln in Europa mit Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), sog. Ewigkeitschemikalien, untersucht. Im Zeitraum von 2011 bis 2021 hat sich die Zahl an Obst- und Gemüsesorten, die Rückstände von mindestens einem PFAS-Pestizid enthalten, verdreifacht. Dabei wurden innerhalb der zehn Jahre 31 verschiedene PFAS-Pestizide nachgewiesen. PFAS sind wegen ihren wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften kaum von Verbraucher*innenprodukten wegzudenken. Allerdings sind die neusten Erkenntnisse der Gesundheit- und Umweltunverträglichkeit von PFAS besorgniserregend, da es sich um sehr persistente Chemikalien handelt die mittlerweile überall auftreten – sogar im Blut. Das hat dazu geführt, dass einige PFAS schon verboten worden sind. PAN-Germany geht einen Schritt weiter und fordert ein EU-weites Verbot von allen PFAS-Pestiziden. (PAN Germany, 27.02.24, www.pan-germany.org) (psk)
CH: Studie zu Pestizidbelastung bei Kindern
Das Labor für Bodenbiodiversität der Universität Neuenburg startet in Zusammenarbeit mit einem Walliser Umweltbüro die bisher umfangreichste Studie zum Vorhandensein von Pestiziden in der Umwelt. Im Fokus steht die Belastung von Kindern durch die Exposition gegenüber Pestiziden. Das Forschungsteam will 200 Familien mit Kindern zwischen Juni 2024 und März 2025 untersuchen und parallel dazu Umweltproben in neun Kantonen sammeln und analysieren. Für die Schweiz liegen dazu bisher noch keine Daten vor. Ziel der Studie ist es herauszufinden, ob und in welchem Mass Kinder in der Schweiz Pestiziden ausgesetzt sind und wie hoch die Belastung ist. Zudem sollen die verschiedenen Ursprünge der möglichen Pestizidbelastung erforscht werden. Bisher wurde in Studien belegt, dass Schweizer Gewässer pestizidbelastet sind. Landesweit können in 22 Prozent aller Grundwassermessstellen Rückstände von Pestiziden festgestellt werden. In intensiven Ackerbaugebieten überschreiten 70 Prozent aller Messstellen diesen Wert. (Environmental Science, o.D., www.pestizidmonitoring.ch; Agrar Alliance, 19.12.19, www.agrarallianz.ch) (gp/tp)
Wissenschaft
Was steckt in der NGT-Pipeline?
Im Auftrag des Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) wurde eine Analyse zur Marktentwicklungen von neuen Gentechnik (NGT)-Pflanzen und -Produkten erfasst. Nach Angaben des Berichts befinden sich mindestens fünf NGT-Pflanzen schon im Anbau. Eine Tomate mit einem erhöhten Gehalt an Gamma-Amino-Buttersäure – auch als GABA-Tomate bekannt – verspricht eine blutdrucksenkende Wirkung und wird in Japan angebaut. Der GreenVenus-Salat des gleichnamigen US-Unternehmens bleibt länger grün, während der Senf-Salat Conscious von Pairwise einen verbesserten Geschmack durch weniger Bitterstoffe aufweist. Beide werden in den USA angebaut, obwohl Pairwise nach eigenen Angaben plant die Produktion bald wieder einzustellen. Bei den restlichen zwei Produkten handelt es sich um Maispflanzen der Firma Corteva. Der sogenannte waxy corn weist einen veränderten Stärkegehalt auf und ist in den USA, Kanada, Brasilien, Argentinien, Chile und seit 2023 auch in Japan zugelassen. Bei der zweiten Maislinie handelt es sich um eine herbizidresistente und Insektengift produzierende Pflanze die bisher nur in den USA zugelassen ist. Der BAFU-Bericht zeigt außerdem, dass sich fünfzehn weitere Pflanzen nach Unternehmensangaben kurz vor der Markteinführung befinden. (BAFU, 29.01.24, www.bafu.admin.ch) (psk)
EU-Gelder für Nachweisverfahren
Mit elf Millionen Euro fördert die EU zwei neue Forschungsprojekte zur Entwicklung neuer, innovativer Nachweismethoden für Verfahren der neuen Gentechnik in gentechnisch-veränderten Organismen. Die Projekte, deren Finanzierung im Dezember 2023 von der EU beschlossen wurde und die im Januar dieses Jahres offiziell gestartet sind, laufen bis 2027. Obwohl beide Vorhaben das gleiche Ziel haben, scheint Uneinigkeit darüber zu herrschen, was technologisch möglich ist. Das mit fünf Millionen Euro ausgestattet Projekt DARWIN, wird vom norwegischen Forschungszentrum NORCE geleitet und von gentechnikkritischen Organisationen wie ENGA, der European Non-GMO Industry Association und dem VLOG, dem Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V., unterstützt. Das zweite Projekt, DETECTIVE, wird von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU) geleitet und hat eine Finanzierung von fast 6,5 Millionen Euro erhalten. Euroseeds – eine der lautstärksten Gruppen, die sich für eine vollständige Deregulierung von NGTs, einschließlich der Abschaffung von Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit, einsetzt – ist daran beteiligt. Lange hieß es von Gentechnik-Befürworter*innen Nachweisverfahren für NGT-Produkte seien undenkbar, dabei wurde lediglich nicht genug daran geforscht. Das soll sich jetzt ändern. (Cordis, 08.12.23, www.cordis.europa.eu) (psk)
Zöliakieverträglicher NGT-Weizen
Schon mit der alten Gentechnik wurde an zöliakieverträglichen Weizenpflanzen geforscht. Jetzt sollen Verfahren der neuen Gentechnik (NGT) die Entwicklung beschleunigen und Kosten für die Forschung reduzieren. Bisher wird in zwei Ländern dazu geforscht, Ziel sind jeweils verschiedene Gliadine, Weizenproteine, die Bestandteil von Gluten sind und allergische Reaktionen bei Zölliakie-Patient*innen auslösen. Am Institut für nachhaltige Landwirtschaft des spanischen Nationalen Forschungsrats von Córdoba (IAS-CSIC) wurden zwei Weizenlinien mithilfe von CRISPR-Cas hergestellt. Die eine weist eine 82-prozentige Reduzierung des Alpha-Gliadingehalts auf, die andere eine 70- bzw. 90-prozentige Reduzierung des Gamma bzw. Omega-Gliadingehalts. An der Universität Wageningen in den Niederlanden sind die Entwicklungen noch nicht so weit fortgeschritten. Dort wird noch versucht, eine verträgliche Weizenlinie herzustellen, die weniger Alpha- bzw. Gamma-Gliadine produziert. Bisher scheint es nicht so, als würden gentechnisch produzierte Pflanzen einen ökonomischen Vorteil gegenüber der konventionellen Züchtung vorweisen: die NGT-Pflanzen kosten 2-3 Millionen mehr als die bisherigen Züchtungsexemplare. (EU Science Hub, 2023, www.joint-research-centre.ec.europa.eu) (psk)
Konzerne
Personalkürzungen bei BAYER
Anfang 2024 hat der Bayer-Konzern angekündigt Kürzungen vorzunehmen, um die „performance“ des Chemiekonzerns wieder zu steigern. Im Sinne der Anteilseigner*innen, denen sich die Chefetage im Frühjahr auf der Hauptversammlung stellen muss, soll die Profitmarge wieder steigen – wie vor der Monsanto Übernahme. Mit dem 66 milliardenschweren Kauf des Pestizid- und Saatgutherstellers hat sich der deutsche Konzern weitere Milliarden an Schadensersatzzahlungen eingehandelte. Glyphosat ist nach Auffassung mehrerer US-Gerichte eine krebserregende Substanz – selbst wenn die Folgen erst nach mehreren Jahren auftreten. Der anstehende Unternehmensumbau und Personalkürzungen könnten als eine Spätfolge der Monsanto-Übernahme eingeordnet werden. (taz, 18.01.24, www.taz.de) (psk)
GID-Redaktion