In Bewegung
Vielfältige Proteste gegen den „Marsch für das Leben“
Am 21. September fand in Berlin der sogenannte Marsch für das Leben, eine Versammlung radikaler Abtreibungsgegner*innen aus rechten und christlich-fundamentalistischen Spektren statt. Ihr Ziel ist es, den Schwangerschaftsabbruch vollständig zu illegalisieren – für viele von ihnen beginnt das menschliche Leben bereits mit der Zeugung. Homosexualität oder sexuelle Bildung lehnen sie mehrheitlich ab. Die Rechte behinderter Menschen instrumentalisieren sie immer wieder für ihre Anliegen – dabei geht es ihnen aber vornehmlich um Föten: echte Inklusion, gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung behinderter Menschen sind nicht Teil ihrer politischen Agenda. Auch in diesem Jahr gab es breite und kreative feministische Proteste gegen den Marsch und für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Dazu aufgerufen hatten unter anderem das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und das queer-feministische „What the fuck?!“-Bündnis. An Demonstration, Kundgebung und dezentralen Aktionen beteiligten sich insgesamt rund 2.000 Menschen. Das GeN hat einen Redebeitrag für die Kundgebung des „What the Fuck?!“-Bündnisses beigesteuert und dort über die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Eizelltransfer gesprochen. Ein Redebeitrag des NoNIPT-Bündnisses machte deutlich: man kann gleichzeitig für das Recht auf Abtreibung eintreten und gegen selektive Pränataldiagnostik kämpfen! Auch die anderen Beiträge ließen Raum für Komplexität und Ambivalenzen. Vielfach wurde auch darauf hingewiesen, was der aktuelle Rechtsruck und die Wahlsiege der AfD für sexuelle und reproduktive Rechte, für Frauen und Queers bedeuten. Angesichts solcher Umstände machen Proteste wie dieser aber Mut: wir waren viele, wir waren laut – und haben es trotzdem geschafft, Themen mit der notwendigen Differenziertheit zu begegnen. Bitte mehr davon! (jl)
www.whatthefuck.noblogs.org
www.nonipt.de
Lause lebt und feiert
Musik, Kunst und Miteinander: Die Mieter*innen und Unterstützer*innen der Lause versammelten sich am Samstag, den 14. September zum Sommerfest in den Höfen des genossenschaftlich verwalteten Gewerbe- und Wohnkomplexes in der Lausitzer Straße in Berlin-Kreuzberg. Am Nachmittag öffnete die Lause ihre Tore mit einem bunten Bühnenprogramm und politischen Infoständen. Das Gen-ethische Netzwerk (GeN) stellte dort das GID MAGAZIN und Infomaterial zu neuer Gentechnik, Eizelltransfer und dem polizeilichen Zugriff auf DNA-Daten aus. Bei einer Tombola konnten Besucher*innen Bücher, Filme und Kunstwerke gewinnen – alles Ergebnisse der vielfältigen kritischen Arbeiten von Kunst- und Medienschaffenden sowie politischen Organisationen aus der Lause. In den hinteren Höfen der ehemaligen Glasfabrik gab es bis in die Nacht hinein Live-Musik. Was bei dem Fest deutlich wurde: Das GeN ist ein Jahr nach dem Umzug seiner Geschäftsräume in die Lause gut in der Gemeinschaft der mehr als 150 Nutzer*innen angekommen. Seit rund zwei Jahren wird der Gewerbehof von der Genossenschaft Eine für Alle (EfA) und dem Hausverein Lause Lebt e. V. verwaltet – als Erfolg eines jahrelangen Kampfes gegen die Umwandlung des Objektes in eine Luxusimmobilie. In dem Sinne feierten die Menschen in der Lause mit dem Sommerfest auch, im Kiez bezahlbare Werkstätten, Büros, Ateliers und Wohnungen zu erhalten und dadurch gemeinwohlorientierte Lebens- und Arbeitsmodelle zu ermöglichen.
Agrikulturfestival
Am 20. und 21. September fand das Agrikulturfestival auf dem „Nirgendwo“-Gelände in Berlin-Friedrichshain statt. Das Gen-ethische Netzwerk (GeN) war neben vielen anderen Verbänden mit einem Infostand vertreten. Über 600 Menschen kamen, um sich über regionale Landwirtschaft auszutauschen und zu entdecken, wie vielfältig Lebensmittelversorgung sein kann – sei es durch Kooperativen aus einer solidarischen Landwirtschaft oder durch Biokisten. Zusätzlich zu den Infoständen gab es diverse Fachvorträge rund um das Thema Landwirtschaft. GeN-Mitarbeiter*in Judith Düesberg hielt zusammen mit Pia Voelker (BUND) und Sinay Gandenberger (BÖLW) einen informativen Vortrag über Agro-Gentechnik: „Was hat das mit mir zu tun?“. Dabei ging es vor allem um die Folgen einer eventuellen Deregulierung von Gentechnik in Europa. Am Infostand ergaben sich viele schöne Gespräche mit Besucher*innen über Saatgut, Patente, Reproduktionstechnologien und die neue Gentechnik. (tb)
www.agrikulturfestival.de/berlin
Warnung vor dem „gläsernen Baby“
Ebenfalls am 21. September konnten Besucher*innen der re:publica im Rahmen des Reeperbahnfestivals in Hamburg einem spannenden Austausch zwischen der*dem US-amerikanische*n Künstler*in Lyndsey Walsh und Isabelle Bartram vom Gen-ethischen Netzwerk (GeN) lauschen. Die re:publica ist eine Konferenz mit allen möglichen Themen rund um die digitale Gesellschaft. Isabelle Bartram berichtete in einem kurzen Vortrag über die Pläne, die DNA aller Neugeborenen zu sequenzieren, und regte an, über Chancen und Risiken zu diskutieren, bevor diese Pläne in Deutschland umgesetzt werden. Lindsey Walsh konnte Erfahrungen aus der künstlerischen Forschung zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Gendiagnosen und Behinderungen beisteuern. Das Gespräch startete mit der Frage, ob das Genom aller Neugeborenen sequenziert, analysiert und ggf. langfristig gespeichert werden sollte. Forschende versprechen sich einen großen medizinischen Nutzen. Damit einher gehen jedoch erhebliche ethischen Probleme, da genetische Daten und Proben hochsensible Informationen enthalten. Dem technologischen Fortschritt folgend wurden international bereits viele Pilotstudien auf den Weg gebracht und auch in Deutschland wird über die Einführung eines solchen bevölkerungsweiten genomischen Screenings diskutiert. Diese Pläne bergen aus Sicht des GeN vielfache Risiken, da sie ein Missbrauchspotenzial schaffen für Überwachung und Diskriminierung anhand von Genetik. Ausgehend von dieser Problematik ging es auch um genetischen Datenschutz allgemein und die Aussagekraft von Risiken von kommerziellen Abstammungsgentests. Ein inspirierendes Gespräch, dass online nachgeschaut werden kann. (ib)
https://youtu.be/7-naT7XVNaM
www.re-publica.com/de#rp-rbf-44
International Non-GMO Summit
Am 7. und 8. Oktober fand in Frankfurt am Main zum zweiten Mal der Internationale Non-GMO Summit statt. Zu diesem wichtigen Branchentreffen unter dem Label „Ohne Gentechnik“ kamen Menschen aus Lebensmittelproduktion, Wirtschaft und Politik. Mit einem umfangreichen Programm informierten verschiedene „Ohne Gentechnik“-Verbände darüber, welche Neuheiten es in der Politik und im Handel gibt. Internationale Produzent*innen wurden über die Debatte um eine bevorstehende Deregulierung der Gentechnologie in Europa und über deren Auswirkungen auf den gentechnikfreien und biologischen Markt aufgeklärt. Fragen rund um Lieferketten und Testverfahren zum Nachweis von GMO-freien Produkten wurden ausführlich diskutiert. Unter anderem wurde ein EU-finanziertes Projekt namens „Darwin“ vorgestellt, welches sich damit auseinandersetzt. Am Ende des Tages wurde deutlich, wie fundamental wichtig Transparenz, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelproduktion für die „Ohne Gentechnik“-Branche sind. Und dass die dringende Notwendigkeit besteht, sich vom Markt mit gentechnischen veränderten Produkten zu separieren. (tb)
Schweizer Volksinitiative
Auch in der Schweiz setzen Gentech-Konzerne Parlament und Bundesrat massiv unter Druck: Sie lobbyieren dafür, dass die strengen Regeln für den Einsatz von Gentechnik abgeschafft oder wenigstens abgeschwächt werden. Dagegen wurde im Sommer eine Volksinitiative lanciert, die ab sofort zur Unterschrift vorliegt. Die Initiative wird vom Verein für gentechnikfreie Lebensmittel getragen. Der Verein wird von zahlreichen Einzelpersonen und Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Konsumenten- und Umweltschutz unterstützt, auch von biorespect. Die Mehrheit der Schweizer Verbraucher*innen lehnt Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Deshalb sollen die Konsument*innen auch in Zukunft frei entscheiden können, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel auf ihrem Teller landen oder ob sie lieber darauf verzichten. Auch die Produzent*innen und Züchter*innen wollen wissen, ob sie mit gentechnisch veränderten Produkten arbeiten oder nicht. Die Lebensmittelschutz-Initiative verankert die Kennzeichnungspflicht und garantiert damit die Wahlfreiheit vom Saatgut bis auf den Teller. (gp/tp)
GID-Redaktion
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