Kurz Notiert - Landwirtschaft & Lebensmittel
Wissenschaft
Nebenwirkungen von CRISPR-Pestiziden
Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen hat die Wirkung von Genome Editing-Anwendungen im Freien (z. B. Sprays) auf verschiedene Organismen untersucht. Aus den Ergebnissen schließen sie, dass es bei einer Anwendung sehr wahrscheinlich zu Auswirkungen auf Nicht-Ziel-Arten kommt. Für ihre Studie führten die Wissenschaftler*innen eine Computersimulation durch. Sie wählten drei Szenarien mit unterschiedlichen Verabreichungsformen für unterschiedliche Ziel-Organismen. Für jedes Szenario wurde ein passendes Gen ausgewählt, an dem als Ziel von Genome Editing-Anwendungen zur Schadinsekten- oder Krankheitskontrolle geforscht wurde. Die ausgewählten Gensequenzen wurden mit dem Genom von Organismen, die in den drei Szenarien betroffen sein könnten, verglichen und nach möglichen Bindungsstellen für die Genome Editing-Stoffe gesucht. Die Simulationen zeigte Auswirkungen auf Organismen unabhängig vom Verwandtschaftsgrad oder Zugehörigkeit zum biologischen Reich (z. B. Pflanze, Tier, Pilz) und mögliche gravierende Effekte wie auf deren Atmung oder das Nervensystem. Die Wissenschaftler*innen betonen, dass ihre Ergebnisse auf ein hohes Risikopotenzial der Genome Editing-Anwendungen im Freien hinweisen und daher neue Rahmenbedingungen für die Risikobewertung erforderlich sind, die auch die Bewertung der Umweltpersistenz umfassen sollten. (Ecotoxicology and Environmental Safety, 01.09.24, www.doi.org/10.1016/j.ecoenv.2024.116707) (jd)
Nachhaltiger Anbau durch vielseitige Betriebe
Ein internationales Forscher*innenteam hat die Diversifizierung im landwirtschaftlichen Anbau untersucht. Diversifizierung bedeutet, den Betrieb auf verschiedene Standbeine zu stellen, beispielsweise gleichzeitig Tierhaltung, Gemüse- und Obstanbau zu betreiben. Konkret ging es in dieser Studie auch um sauberes Trinkwasser, Nahrungsstabilität für Menschen und Biodiversität in der Natur. Die Analyse fasste 24 Studien aus 11 Ländern zusammen, wobei nur Studien berücksichtigt wurden, bei denen mindestens eine landwirtschaftliche Diversifizierungsmaßnahme, eine Umwelt- und eine soziale Komponente untersucht wurden. Dabei zeigen die Ergebnisse, dass die Kombination verschiedener Strategien die Biodiversität und Ernährungssicherheit erhöhen. Hervorgehoben wurde, dass der größte Einfluss auf Ernährungssicherheit durch eine Vielzahl verschiedener Tiere auf einem Hof begünstigt wird. Es wurde außerdem drauf hingewiesen, dass die meisten nationalen Strategien hin zu einer intensiveren Landnutzung keinen positiven Effekt auf das Ökosystem und das menschliche Wohlbefinden haben. (Science, 05.04.24, www.doi.org/10.1126/science.adj1914) (tb)
Nahrungsmittel
Immer mehr Gentech-Weizen
Im August hat die US-Landwirtschaftsbehörde den gentechnisch veränderten (gv) Weizen HB4 von der argentinischen Firma Bioceres Crop Solution zum kommerziellen Anbau freigegeben und folgt damit dem Beispiel von Argentinien, Brasilien und Paraguay. Die USA sind der viertwichtigste Exporteur von Weizen weltweit. Gv-Weizen wird von einigen Akteur*innen im Verbraucher*innenschutz, dem weiterverarbeitenden Gewerbe sowie im In- und Export kritisch gesehen, da Weizen fast ausschließlich zum menschlichen Verzehr verwendet wird. Einige Länder haben den gv-Weizen als Lebens- und Futtermittel zugelassen, nicht aber die für die USA wichtigsten Abnehmer*innen wie Mexico, Japan und die Philippinen. Bis HB4 tatsächlich in den USA auf den Feldern steht, wird es noch einige Jahre dauern, zuerst sind noch weitere Schritte, wie Feldversuche vor Ort, von Nöten. Der HB4-Weizen enthält ein Gen der Sonnenblume, welches ihn toleranter gegenüber Trockenheit und resistent gegen das gesundheitsschädliche Herbizid Glufosinat macht (siehe GID Magazin Nr. 263, S.23-25). (Reuters, 28.09.24, www.reuters.com) (jd)
Ghana: Anbaugenehmigung für gv-Augenbohne
Ghana hat als zweites Land in Westafrika den kommerziellen Anbau einer gentechnisch veränderten (gv) Augenbohne genehmigt. Entwickelt vom Savannah Agricultural Research Institute (SARI), produziert die gv-Bohne ein Protein (Bt-Toxin), welches für Insekten giftig ist. Dieses Bt-Toxin wird vor allem gegen den Bohnen-Zünsler (Maruca vitrata) eingesetzt, eine Mottenart, bei der die Larve die Früchte von verschiedenen Hülsenfrüchten frisst, was große Ertragsausfälle verursachen kann. Wegen der zu erwartenden Resistenzbildung wird bereits an einer weiterentwickelten Bohne geforscht, welche ein zweites Bt-Toxin produziert. Die Augenbohne zählt zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Westafrika. Befürworter*innen der gv-Bohne erhoffen sich bessere Erträge und höhere Ernährungssicherheit, während Kritiker*innen wie die Peasant Farmers Association of Ghana (PFAG) vor gesundheitlichen und ökologischen Risiken warnen. Ein Einspruch gegen den Anbau wurde am 24. Mai dieses Jahres abgelehnt, dabei wurde jedoch eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) verfügt. Die PFAG wirft der Regierung vor, multinationale Saatgutkonzerne zu fördern und fürchtet die Abhängigkeit der Landwirt*innen von teurem Saatgut. (National Biosavety Authority, 24.05.24, www.nba.gov.gh; Informationsdienst Gentechnik, 13.08.24, www.keine-gentechnik.de) (tb)
Politik & Handel
EU: Erste Zulassungen von NGT-Pflanzen
In der EU wurde zum ersten Mal eine Pflanze, die mit dem neuen Gentechnikverfahren CRISPR-Cas9 verändert wurde, für den Import als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Es handelt sich um einen Mais (DP915635) der Firma Corteva (ehemals DowDupont/Pioneer). Der Mais wurde mittels alter Gentechnikverfahren sowie mit CRISPR-Cas dahingehend verändert, dass er ein Insektengift produziert und gegen das Herbizid Glufosinat resistent ist. Die Anwendung von Glufosinat ist in der EU verboten, wodurch das Pestizid beim Anbau dieser Maissorte nur außerhalb Europas eingesetzt wird. Gleichzeitig wurde ein weiterer gentechnisch veränderter Mais (DP23211) von Corteva als Lebens- und Futtermittel zugelassen, der eine künstliche RNA produziert, die lebenswichtige Stoffwechselprodukte von Insektenlarven blockiert. Diese Toxine waren bisher nicht in der Nahrungskette vorhanden. Ihre Nebenwirkungen wurden kaum untersucht. Dieser Mais ist ebenfalls gegen Glufosinat resistent. Die NGO Testbiotech kritisiert die Zulassungsmethoden in der EU und deren unzureichende Risikobewertungen durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). (EU-Kommission, 03.07.24, https://webgate.ec.europa.eu; Testbiotech, 31.07.24, www.testbiotech.org) (tb)
Stellungnahme zum ungarischen Gentechnik-Papier
15 EU-Mitgliedstaaten haben Stellung zu einer informellen Anfrage bzgl. offener Fragen zur Deregulierung neuer Gentechniken (NGT) bezogen. Bereits am 1. Juli hatte die Ungarische Ratspräsidentschaft diese an die Gentechnik-Arbeitsgruppe der EU-Mitgliedsländer gerichtet. Die offenen Fragen entstanden vor allem dadurch, dass vorherige EU-Ratspräsidentschaften Entscheidungen im Schnellverfahren getroffen hatten. Das gentechnikkritische Ungarn versucht die Deregulierungsdebatte so wieder zu öffnen. Strittige Themen sind die Kriterien zur Definition von NGT-Pflanzen, deren Risikobewertung, Kennzeichnung und Nachweisverfahren. In den Stellungnahmen von Österreich, Kroatien, Rumänien, der Slowakei und Deutschland begrüßten diese das Papier als Chance, ungelöste Fragen zu klären. Rumänien brachte wirtschaftliche und rechtliche Fragen ein und fordert klare Regelungen für den internationalen Handel von NGT-Produkten. Griechenland änderte die Position in seiner Stellungnahme zu einer kritischen Meinung zur NGT-Technologie. Aufgrund von fehlenden Erfahrungswerten warnt es vor unbekannten Risiken für Umwelt und Gesundheit und plädiert für das Vorsorgeprinzip. (VLOG, 16.07. und 24.09.2024, www.ohnegentechnik.org) (tb)
CH: Gentech-Moratorium wird verlängert
In der Schweiz nimmt die Debatte um den Anbau gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen wieder Fahrt auf. Da das bisher gültige Anbaumoratorium in 2025 ausläuft, hat die zuständige Kommission des Nationalrates jetzt eine Parlamentarische Initiative lanciert, die das Moratorium bis Ende 2027 verlängern soll. Erwartet wird, dass der Bundesrat vorher einen Gesetzentwurf vorlegt, der auch in der Schweizer Landwirtschaft den gv-Anbau ermöglicht. Man hofft, bis Ende 2027 die Gesetzgebungsverfahren abschließen zu können. Nun prescht Bundesrat Rösti vor, der die neue Gentechnik mit einem Spezialgesetz außerhalb des Gentechnikgesetzes regeln will. Bereits Ende dieses Jahres soll ein Entwurf vorliegen. Ungeklärt bleiben die Fragen der Koexistenz zwischen dem Anbau von gv-Pflanzen und gentechnikfreier Landwirtschaft, die sich für die kleinräumige Schweiz als besonders trickreich herausstellt. Dazu kommt die Frage, wie die sogenannten neuen gentechnischen Verfahren geregelt werden sollen. Für eine strenge Regulierung will eine Volksinitiative sorgen, die von Umweltverbänden initiiert wird. (Die Bundesversammlung des Schweizer Parlaments, 06.09.24, www.parlament.ch, Volksinitiative für Gentechnikfreie Lebensmittel, o.D., www.lebensmittelschutz.ch) (gp/tp)
Konzerne
Datensammlung von PR-Firma über Kritiker*innen
Die PR-Firma v-Fluence soll seit Jahrzehnten Daten von Pestizid- und Gentechnik-Kritiker*innen gesammelt haben. Gegründet von Ex-Monsanto-Mitarbeiter Jay Byrne, wurden auf einer privaten Online-Plattform namens „Bonus Eventus“ Profile über Kritiker*innen angelegt. Das Erfassen von persönlichen Daten wie Adressen, Familienverhältnissen und ähnlichem wurde teilweise durch US-Steuergelder finanziert. Zugang zur Plattform hatten unter anderen mindestens 30 Personen aus der US-Regierung, hauptsächlich vom US-Agrarministerium (USDA). Byrne bestreitet jemals Verträge mit der US-Regierung gehabt zu haben. Dabei belegen Regierungsverträge, dass v-Fluence mit dem US-Programm zur Entwicklungszusammenarbeit (USAid) kooperiert und eine positive Berichterstattung über gentechnisch veränderte Pflanzen in Afrika verbreitet hat. Des Weiteren soll v-Fluence Syngenta 2002 unterstützt haben, negative Informationen über ein Pestizid namens Paraquat in einer Online-Suchmaschine zu unterdrücken. Das Pestizid soll angeblich Parkinson verursachen, zumindest wird das derzeit in einem US-Gerichtsverfahren verhandelt. Außerdem wird berichtet, dass v-Fluence 2020 für die USDA Daten zur Verfügung stellte, um eine Strategie gegen die Reduzierung von Pestiziden in der EU zu entwickeln. (Guardian, 27.09.24, www.theguardian.com) (tb)
Im Gentech-Panel der EFSA dominiert die Industrie
Recherchen der gentechnikkritischen NGO Testbiotech zeigen, dass im aktuellen Gentechnik-Panel der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) fast die Hälfte der Expert*innen in die Entwicklung von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen involviert sind. Viele dieser Expert*innen werben öffentlich für eine Deregulierung der neuen Gentechniken. Einige Mitglieder des Panels haben Kooperationen mit der Agroindustrie wie Syngenta oder Corteva, andere halten Patente auf gv-Pflanzen. Im Juli wurde das Gentechnik-Panel, das innerhalb der EFSA für die Risikobewertung von gv-Pflanzen und die Entwicklung von Prüfrichtlinien zur Risikobewertung zuständig ist, neu besetzt. Aus Sicht von Testbiotech ist unter diesen Bedingungen eine unabhängige Bewertung von Zulassungsanträgen und eine angemessene Weiterentwicklung der Prüfrichtlinien durch die EFSA in den nächsten Jahren kaum möglich. (Testbiotech, 05.09.24, www.testbio
tech.de) (jd)
Patente
CRISPR-Patente zurückgezogen
Die CRISPR-Entwickler*innen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna haben zwei europäische Patente (EP2800811 und EP3401400) auf die Genome Editing-Technologie zurückgezogen. Die Entscheidung folgte nachdem das Europäische Patentamt (EPA) mitteilte, die Patente würden CRISPR technisch nicht gut genug erklären. Darüber hinaus erhob das EPA Einwände aus ethischen Gründen, da sich das Patent auch auf Eingriffe in die menschliche Keimbahn erstreckt. Die NGO Testbiotech hatte zuvor erfolgreich wegen ethischer Bedenken Einspruch gegen eines der betroffenen Patente eingelegt – Keimbahn-Eingriff wurden in der Folge aus den Ansprüchen ausgeschlossen. Doudna und Charpentier hatten 2020 den Nobelpreis für ihre Entdeckung erhalten. Um die Rechte an der Methode herrscht seit Jahren ein Streit zwischen ihnen, bzw. ihren Forschungsinstituten und Firmen, mit dem Wissenschaftler Feng Zhang vom Broad Institute und der Universität Harvard. Durch die Patente konnten die Unternehmen der Wissenschaftlerinnen bisher Gebühren für die Nutzung von CRIPSR-Cas in der EU eintreiben. Für ein kleines Start-up kostet die Nutzung beispielsweise 15.000 USD pro Jahr. (Testbiotech, 24.09.24, www.testbiotech.org; MIT Technology Review, 14.10.24, www.technologyreview.com) (ib)
GID-Redaktion
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