Materialien

Konstruktiv und kritisch: Paper zu Fortpflanzungsmedizin 

In der Reihe „Körper, Kinder, Kassensturz“ des Gunda Werner-Instituts ist ein Policy Paper erschienen: „Reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin neu denken“. Darin nähern sich Sevda Evcil und Ronja Schütz den unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten und Regelungsbedarfen von Eizellabgabe und Leihschwangerschaft aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Sie unterziehen den Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einer kritischen Analyse und beleuchten auch dessen Leerstellen. Dabei differenzieren sie zwischen Praktiken wie der ROPA-Methode (wenn der Eizelltransfer innerhalb einer Elternbeziehung stattfindet) und kommerziellen Angeboten und berücksichtigen finanzielle Abhängigkeiten und gesellschaftliche Ungleichheiten in Analyse und Empfehlungen. 

Evcil, S./Schütz, R. (2024): Policy Paper: Reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin neu denken. Eizellabgabe und Leihschwangerschaft. Heinrich-Böll-­Stiftung. PDF, 20 Seiten, kostenlos, online: 
www.kurzlinks.de/gid271-le

 

Studie: Familiendynamik nach Samenspende

Im Rahmen einer Online-Erhebung wurden 56 Erwachsene, die über den Verein Spenderkinder e.V. erreicht wurden, zum innerfamiliären Umgang mit ihrer Konzeptionsweise befragt. Die Befragten waren zum Zeitpunkt der Umfrage zwischen 21 und 46 Jahre alt – alle wurden geboren, bevor Deutschland 2018 ein verpflichtendes Samenspenderegister einführte. Schwierige innerfamiliäre Dynamiken zeigten sich vor allem im Kontext der Gleichzeitigkeit von Wissen- und Nichtwissen um die Entstehungsweise der Kinder. Auch das Nichtwissen der „Spenderkinder“ und wer vor ihnen davon wusste sowie unterschiedliche Umgangsweisen mit der Inkenntnissetzung etwa unter Geschwistern spielten eine Rolle. Außerdem ging es innerhalb der Kernfamilie um Konflikte bzgl. der Frage, mit wem dieses Wissen geteilt werden soll. Die Ergebnisse der Befragung sind damit durchaus kongruent mit internationalen Studien, die zeigen, dass der Grad an Transparenz, das Alter bei und die Art der Mitteilung einen großen Einfluss auf das Wohlergehen der Kinder und die Familiendynamiken haben.

Bauer, T./Meier-Credner, A. (2024): Intra-familial dynamics of knowledge and ignorance experienced by donor-conceived adults in Germany. SN Soc Sci 4, 163, online: www.doi.org/10.1007/s43545-024-00967-w

 

CRISPR-Patente blockieren Züchtung

Eine Recherche von Keine Patente auf Saatgut! zeigt auf, wie Patente auf Pflanzeneigenschaften, die durch neue Gentechnik entwickelt wurden, auch konventionell gezüchtete Pflanzen betreffen. Dafür werden bekannte Eigenschaften und Merkmale der Pflanzen mittels CRSIPR nachgebaut. CRISPR und andere Gentechniken sind technische Verfahren und somit können ihre Erzeugnisse patentiert werden, dann jedoch gelten die Patente häufig auch für die konventionelle Variante. Daher fordert Christoph Then von Keine Patente auf Saatgut!: „Es gibt erhebliche Überlappungen zwischen den Patenten auf Gentechnik und Pflanzen aus den zufälligen Prozessen der üblichen Züchtung. Patente auf Pflanzensorten und die Pflanzenzucht sind in Europa verboten, die einzige Ausnahme betrifft gentechnische Verfahren. Die EU muss jetzt die Initiative ergreifen, um die Auslegung des Patentgesetzes zu korrigieren!“ 

No Patents on Seeds (20.06.2024): How CRISPR Patents block conventional breeding. 9 Seiten, Englisch, online: www.kurzlinks.de/gid271_da

 

Dossier: Neue Gentechnik

Gemeinsam mit dem Bundesverband Naturkost und Naturwaren (BNN) und vielen anderen Unterstützer*innen wurde ein 16-seitiges Dossier erstellt. Darin geht es um die Auswirkungen des Gesetzesvorschlags der EU-Kommission, zur Aufweichung des europäischen Gentechnikrechts von 2023: Adé Vorsorgeprinzip und strenge Risikoprüfungen zur Verhinderung von Risiken für Mensch und Umwelt. Ohne Kennzeichnungspflicht werden Konsumierende der Freiheit beraubt, sich gegen gentechnisch veränderte Produkte zu entscheiden. Übersichtlich wird beschrieben, was die neue Gentechnik mit CRISPR-Cas von konventioneller Züchtung unterscheidet. Ökologische Landwirt*innen warnen vor einer Existenzbedrohung, da die neuen Richtlinien die Garantie von gentechnikfreien Bio-Produkten beeinträchtigen. Anschaulich wird gezeigt, wie Agrargroßkonzerne profitieren und durch Patente auf Saatgut Abhängigkeiten schaffen. Verbraucherschützer*innen fordern striktere Regulierungen. Eine Petition animiert dazu, selbst aktiv zu werden.

Schrot und Korn (2024): Neue Gentechnik. Warum die Wahlfreiheit auf dem Spiel steht. PDF, 16 Seiten, online: www.kurzlinks.de/gid271-ta

 

Agrarwende im Kompaktformat

Mit ihrem „Aktionsheft für die Agrarwende“ bietet die aktion agrar einen leicht zugänglichen Überblick dazu, was aktuell schief läuft in der Landwirtschaft und liefert gleichzeitig Ansatzpunkte, wo Menschen konkret in ihrem Lebensumfeld Dinge verändern oder aktiv werden können. Das Heft kommt im Hosentaschenformat daher und bereitet Informationen knapp und bunt illustriert auf. Die Leser*innen erfahren etwas über Konzernmacht und Monopolstellungen und lernen, warum einfache Lösungen wie Fleisch aus dem Labor nicht halten können, was sie versprechen. Lückentexte, Steckbriefe und andere aktivierende Formate regen zum Nachdenken an, best practice Beispiele machen Mut, dass die Agrarwende gelingen kann. Das Thema Gentechnik kommt nicht vor – allerdings hat das Heft auch insgesamt nur 16 Seiten, im DIN A6-Format.

Aktion agrar (2023): Aktionsheft 2023: Höfe stärken – Konzerne stoppen! Broschiert, 16 Seiten, kostenlos bestellbar: www.aktion-agrar.de

 

Deregulierung von NGT widerspricht dem Vorsorgeprinzip

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) argumentiert im Policy Brief gegen den momentanen Gesetzesentwurf der EU zur Deregulierung der neuen Gentechniken. Dieser besagt, dass Pflanzen, die an bis zu zwanzig Zielsequenzen mittels neuer Gentechnik verändert wurden, gleichzusetzen sind mit konventionell gezüchteten Pflanzen. Laut BfN hat dieser Ansatz der „Gleichwertigkeit“ keine wissenschaftliche Grundlage und verstößt gegen das Vorsorgeprinzip, da plausible Risiken nicht ausgeschlossen werden können. In dem Policy Brief wird anhand konkreter Beispiele gezeigt, dass sich aus der Größe und Anzahl der Veränderungen der DNA-Sequenz nicht auf das Risikopotenzial von Pflanzen aus neuer Gentechnik schließen lässt und mit den neuen Gentechniken Pflanzen in einer Weise verändert werden können, die über die konventionelle Züchtung hinausgeht.

Bundesamt für Naturschutz: For a science-based regulation of plants from new genetic techniques – Deregulation of NGT plants contradicts the precautionary principle. Policy Brief #02/2024, 8 Seiten, Englisch, online: www.kurzlinks.de/gid271_db

 

Nachweisverfahren für CRISPR und Co. 

In einem kurzen Interview spricht der Koordinator von DARWIN über die Ziele und Vorgehensweisen des Projektes. DARWIN ist ein internationales Forschungsprojekt mit dem Ziel, Nachweisverfahren für die Anwendungen von neuen Gentechniken an Pflanzen zu entwickeln. Dabei soll es nicht nur möglich sein, sich bekannte Veränderungen im Genom anzeigen zu lassen, sondern auch die angewendeten Methoden benennen zu können. So sollen auch unbekannte Veränderungen nachweisbar werden. Ob und wie die Produkte von CRISPR und Co. ohne Wissen über die spezifischen Veränderungen nachzuweisen sind, ist ein wichtiger Punkt in der Debatte um die Deregulierung der Techniken. 

European Non-GMO industry assosciation (24.07.2024): Interview with Odd-Gunnar Wikmark, project coordinator of DARWIN – a New GMO detection research project. Englisch, online: www.kurzlinks.de/gid271_dc

 

Krankenhaus-IT-Dienstleister

In einem Gutachten beleuchten Datenschützer*innen das Angebot der Firma BinDoc. Sie bietet Krankenhäusern die Analyse ihrer eigenen Falldaten auf Grundlage von Vergleichen mit den Falldaten anderer Krankenhäuser an. Dafür erhält BinDoc vermeintlich anonymisierte Daten – insgesamt besitzt die Firma einen eigenen Datenbestand von ca. 17 Millionen Behandlungsfällen aus rund 300 Krankenhäusern. Laut Gutachten werden die Daten von der Software jedoch nicht ausreichend anonymisiert, sondern können Personen zugeordnet werden. Dies verstößt gegen Medizin- und Datenschutzrecht.

Netzwerk Datenschutzexpertise (05.09.2024): BinDoc – das Geschäft mit den Gesundheitsdaten aber ohne Transparenz und Datenschutz. Online: https://www.netzwerk-datenschutzexpertise.de/doku…
schutz-im-gesundheitsbereich

 

Ungleiche Gesundheitsversorgung

Die US-amerikanischen Nationalen Wissenschaftsakademien (NAS) sind in einem neuen Bericht zum Schluss gekommen, dass es in den USA nur eine marginale Verbesserung bezüglich der Chancengleichheit im Gesundheitswesen gab. Obwohl das Gesundheitssystem der USA das teuerste der Welt ist, geht es der Bevölkerung vergleichsweise schlecht. Die Versorgungslücken betreffen dabei gesellschaftliche Minderheiten besonders stark. Rassistisch diskriminierte Menschen und ethnische Minderheiten haben durchschnittlich eine geringere Lebenserwartung und eine höhere Gebärenden- und Säuglingssterblichkeit und weisen öfter chronische Erkrankungen auf. Der Bericht enthält Empfehlungen zur Bekämpfung dieser strukturellen Ungerechtigkeiten.

NAS (2024) Ending Unequal Treatment: Strategies to Achieve Equitable Health Care and Optimal Health for All. Online: www.kurzlinks.de/gid271-ba
 

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
271
vom November 2024
Seite 34 - 36

GID-Redaktion

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