Mexikos Bäuer*innen gegen die Macht von Saatgut-Multis
Via Campesina und NGO fordern Patentschutz in Freihandelsabkommen und Verbot von GVO
Am 1. Juli 2020 ist das Handelsabkommen zwischen Mexiko, den USA und Kanada (T-MEC) in Kraft getreten. Ein Bündnis aus über 80 zivilgesellschaftlichen Gruppen und 185 Einzelpersonen fordert nun Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador in einer Petition auf, ein Dekret für ein gentechnikfreies Mexiko zu erlassen.
Viele der Unterzeichner*innen der Petition sind Mitglieder des Welt-Dachverbands von Kleinbauern La Via Campesina (Der bäuerliche Weg). Sie fordern die Regierung Mexikos nachdrücklich auf, die Landwirtschaft sowie andere Gemeingüter aus dem Freihandelsvertrag T-MEC und anderen Handelsabkommen zu streichen.1 Damit soll verhindert werden, dass transnationale Konzerne das Saatgut und die Heilpflanzen bäuerlicher Gemeinschaften in Mexiko privatisieren. Kritisiert wird insbesondere, dass Mexiko durch das Handelsabkommen zur Ratifizierung und Übernahme mehrerer internationaler Verträge über geistiges Eigentum gezwungen wird.
Angriff auf die Existenz
Zu den genannten Verträgen zählt auch das internationale Abkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen „UPOV-91“.2 Der internationalen Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) ist eine zwischenstaatliche Körperschaft, die sich ausschließlich und ausdrücklich für die Privatisierung von Saatgut in der ganzen Welt einsetzt, indem sie die geistigen Eigentumsrechte an Pflanzensorten durchsetzt. Die Mitgliedsstaaten müssen dem UPOV-Übereinkommen beitreten und es in nationales Recht umsetzen. Auch die mexikanischen Landwirt*innen würden durch UPOV-91 dazu gezwungen, Saatgut nur noch von transnationalen Unternehmen zu kaufen. Die Auferlegung von UPOV-91 in Mexiko sei deshalb ein Angriff auf die Existenz kleiner Nahrungsmittelproduzent*innen und eine Bedrohung für das kollektive Eigentum an traditionellem Wissen, kritisiert das Bündnis. UPOV-91 mache es Unternehmen möglich, Pflanzen, Gene und Mikroorganismen auf die gleiche Weise zu patentieren wie industrielle Erfindungen. Einen Beitritt zum UPOV-91-System und die Billigung des Bundessortengesetzes lehnen sie daher ab.
Forderung nach GVO-Verbot
Ein Präsidialdekret zum Verbot von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) sei deshalb notwendig, weil T-MEC die landwirtschaftliche Vielfalt bedrohe und transnationale Biotech-Unternehmen begünstige. Zudem solle das Verbot die Integrität Mexikos als Ursprungszentrum von Mais und anderen Pflanzen schützen, die für gegenwärtige und künftige Generationen von wesentlicher Bedeutung sei. Es soll Genehmigungen für die Freisetzung von GVO verbieten, unabhängig davon, ob es sich um Versuchs-, Pilot- oder kommerzielle Versuche handelt – einschließlich solcher, die durch neue Techniken wie Genome Editing oder Mutagenese gewonnen wurden. Darüber hinaus schlagen die Unterzeichner*innen der Petition vor, die Einfuhr von Getreide und Saatgut nur aus den Ländern zuzulassen, die keine transgenen Pflanzen anbauen. Kurzfristig solle nur die Einfuhr von Getreide mit einem Sterilisationszertifikat im Ursprungsland und von zertifiziertem Saatgut ohne GVO genehmigt werden.
Das Bündnis verwies darauf, dass die Einführung von GVO durch eine gerichtliche Vorsichtsmaßnahme (Medida Cautelar) der Justiz von 2013 gegen den Anbau von transgenem Mais blockiert sei. Das Urteil hindert das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (Sader) und das Ministerium für Umwelt und natürliche Ressourcen (Semarnat) daran, Genehmigungen für den Anbau von GVO zu erteilen.
Das Fehlen einer Definition bezüglich des Schutzes des gesamten nationalen Territoriums vor GVO bringe die Integrität des Agrarsektors in ernste Gefahr: Durch das T-MEC-Abkommen würde Mexiko verpflichtet, dem UPOV-Abkommen 91 beizutreten. Ein Beitritt zu UPOV-91 würde es jedoch illegal machen, Saatgut aufzubewahren und zu tauschen. Das zwinge Bäuer*innen dazu, ihr Saatgut hauptsächlich von transnationalen Konzernen zu kaufen und bringt die Ernährungssouveränität in Gefahr.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf amerika21.de.
- 1Die Petition im Wortlaut: www.kurzelinks.de/gid255-ja.
- 2Das Übereinkommen wurde erstmals 1961 entworfen und dreimal überarbeitet (1972, 1978, 1991), jedes Mal, um die Rechte der gewerblichen Züchter*innen zu stärken. Die Revision von 1991 war besonders umstritten, weil sie das Recht der Bäuer*innen abschaffte, privatisiertes Saatgut aufzubewahren und nachzubauen, und auch einschränkte, was andere Pflanzenzüchter mit diesem Saatgut tun können. Mehr über Saatgutgesetze: https://grain.org/e/5314.
Ulrike Bickel ist Tropenlandwirtin und Umweltwissenschaftlerin und arbeitet als Senior Consultant bei Arepo zu internationaler Umweltpolitik, Emissionsminderung der Landwirtschaft und zu Pestiziden.
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