„Wie klein wir begannen“
Interview mit Devinder Sharma
Das Moratorium gegen die Nutzung von gentechnisch veränderten Auberginen (Brinjal) ist auch der Erfolg einer breiten zivilgesellschaftlichen Koalition.
Inwiefern ist der indische Kampf gegen Gentech-Nahrungsmittel besonders?
Die Koalition für ein gentechnikfreies Indien hat die richtige Art von Menschen und Gruppen zusammengebracht. Diese waren empört darüber, wie im Namen einer riskanten und rückschrittlichen Wissenschaft den Menschen Gentech-Pflanzen aufgezwungen werden sollten. Es ist der Koalition gelungen, den Widerstand zu organisieren, die Menschen aufzuklären und die richtige Art von Informationen zu verbreiten. Dabei konnten die individuellen Stärken jeder Gruppe genutzt werden und Zuständigkeiten wurden aufgeteilt: Einige haben sich um die Organisation von öffentlichen Veranstaltungen gekümmert, manche haben Politiker direkt angesprochen, andere mit den Bauernverbänden interagiert, wieder andere mit Filmstars und so weiter. Menschen konnten aufgeklärt werden und ihnen wurden solche Informationen zugänglich gemacht, die sonst von den Agrarwissenschaftlern und der Industrie geheim gehalten werden. Das war eine nach meiner Erfahrung einmalige, nie dagewesene Leistung. Es hat die Koalition für ein gentechnikfreies Indien fast vier Jahre gekostet, den Fall von Bt Brinjal auf ein Niveau zu heben, das von der Regierung nicht mehr einfach ignoriert oder übergangen werden konnte. Wenn ich zurückblicke wird mir klar, wie klein wir angefangen haben und wie sich uns im Laufe der Zeit immer mehr Menschen angeschlossen haben.
Was können andere Länder von Indien lernen?
Ich denke, was wir in Indien erreicht haben, ist auch ein Modell für andere Länder. Es gibt Lehren in Hülle und Fülle, wie die Gesellschaft durch einfaches freiwilliges Engagement mobilisiert werden kann. Was gebraucht wird, ist die Entschlossenheit hierzu - der Rest ist dann nicht mehr schwierig. In Indien ist nach Abschluss der nationalen Beratungen der Begriff ‚Bt Brinjal‘ zum umgangssprachlichen Wort geworden. Die Menschen merken, dass etwas Falsches mit ihrer Nahrung gemacht wird. Sobald die Menschen dies verstanden haben, kann ihnen nichts mehr aufgezwungen werden.
Nun wurden neue Gesetze vorgeschlagen und Mr. Ramesh soll die Zuständigkeit für die Freisetzung von Gentech-Pflanzen entzogen werden. Wohin werden diese neuen Gegeninitiativen führen?
Das Moratorium auf Gentech-Pflanzen in Indien ist ein kurzfristiger Erfolg. Der Kampf hat gerade erst begonnen, und die Biotech-Industrie wird nicht so schnell aufgeben - ansonsten würde sie einen großen Markt verloren geben. Es gibt daher großangelegte Versuche, sich des Regulierungsprozesses zu bemächtigen und diesen den Bedürfnissen der Industrie anzupassen. Die Verflechtungen zwischen der Regierung und der Biotech-Industrie sind nicht zu übersehen. Selbst der ansonsten von mir geschätzte Minister für Wissenschaft und Technologie, Prithviraj Chavan, benutzte in offiziellen Regierungsschreiben zur Biologischen Sicherheit von Bt Brinjal Wort für Wort die Formulierungen, die von Lobby-Organisationen wie ISAAA 1 in ihren Berichten vorgegeben wurden, ohne diese auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Das zeigt den Einfluss, den die Industrie auf unsere Politiker hat.
Das Gespräch führte Karsten Wolff.
- 1ISAAA (International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications) ist eine Lobby-Organisation der agrochemischen Industrie, zu deren Hauptsponsoren unter anderem Bayer CropScience, Syngenta und Monsanto, aber auch USDA und USAID gehören (siehe auch unter Politik und Wirtschaft: kurz notiert in diesem Heft).
Dr. Devinder Sharma ist Agrarwissenschaftler und leitet das Forum für Biotechnologie und Ernährungssicherheit (Forum for Biotechnology and Food Security) in Delhi (Indien). Der Blog von Devinder Sharma findet sich unter www.devinder-sharma.blogspot.com, er ist in englischer Sprache verfasst.