Weizen unverändert

Entwicklung von gv-Weizen weder systematisch noch engagiert

Obwohl Weizen zu den wichtigsten Nutzpflanzen weltweit gehört, ist die Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu gentechnisch veränderten Linien weniger umfangreich als die ökonomische Bedeutung vermuten lassen könnte.

Justament in die Zeit der Vorbereitung dieses Artikels fielen die Veröffentlichungen zu neuen Freisetzungsversuchen mit gentechnisch verändertem (gv) Weizen. Allerdings kann das kaum als Hinweis auf ein reges Forschungsfeld gewertet werden.

Großbritannien

Zum wiederholten Mal haben beispielsweise WissenschaftlerInnen des britischen Rothamsted-Forschungsinstitutes einen Freisetzungsversuch mit gv-Weizen beantragt. In dem neuen Versuch geht es um Weizenlinien mit verändertem Photosynthese-System. Unter Freilandbedingungen soll getestet werden, ob diese tatsächlich zu einem höheren Ertrag führen. Beteiligt sind ForscherInnen der Universitäten von Essex und Lancanster, gefördert wird der Versuch vom British Biological Sciences Research Council (BBSRC) und dem US-Landwirtschaftsministerium (USDA) als Teil des International Wheat Yield Partnership Consortium (IWYPC).1 Mit einer Genehmigung dieses Versuches ist zu rechnen, sind doch gerade auch die britischen Behörden der Agro-Gentechnik in der Vergangenheit immer sehr verbunden gewesen. Erst im vergangenen Jahr beendeten britische ForscherInnen einen Versuch mit gv-Weizen. Der erwartete Schutz gegen Blattläuse bestätigte sich im Freiland nicht.2

Australien

In Australien hat die zuständige Behörde, das Office of the Gene Technology Regular, unterdessen eine Reihe von neuen Genehmigungen bereits ausgesprochen: Freiland-Forschungen mit gentechnisch verändertem Weizen können dort im Zeitraum von 2017 bis 2022 durchgeführt werden. Die hier in die Weizenpflanzen eingefügten Gene lassen sich, entsprechend der durch sie vermittelten Eigenschaften, in fünf Gruppen zusammenfassen, zum Beispiel: Schutz gegen Pflanzenrost, verbesserte Trockentoleranz, Veränderung der Stärkezusammensetzung oder Erhöhung des Ölgehaltes. Mit den Versuchen soll geprüft werden, ob die neu eingefügten Eigenschaften unter Feldbedingungen realisiert werden. Verantwortlich ist in diesem Fall die Commonwealth Scientific and Industrial Organization (CSIRO) eine Institution, in der staatliche Stellen und privatwirtschaftliche Unternehmen eng kooperieren.3 Laut der Biotech-Lobbygruppe ISAAA sind die Universität von Adelaid und das Victorian Department of Primary Industries an Forschungen mit gv-Weizen beteiligt. Sie kooperieren zum Teil auch mit transnationalen Agrarkonzernen.4

Der ISAAA berichtet von Forschungsprojekten mit gentechnisch verändertem Weizen in mindestens vier weiteren Ländern: den USA, Ägypten, Argentinien und Mexiko.5

USA

Allein in den USA wurden im laufenden Jahr mehr als ein Dutzend Freisetzungsversuche beantragt. Bezogen auf die letzten fünf Jahre liegt die Anzahl über einhundert. Aufgrund einer relativ lockeren Regulierung der Versuche ist in vielen Fällen nicht klar, mit welcher Art gentechnischer Veränderungen die Pflanzen ausgestattet sind. Die Firmen deklarieren die genauen Angaben als Geschäftsgeheimnis.6 Unter diesen ist zum Beispiel auch der deutsche Chemiekonzern Bayer. Das Unternehmen hat in 2016 in den USA zwei Versuche beantragt; einer soll auf einer Fläche von etwa einhundert Hektar, der andere auf gut 70 Hektar durchgeführt werden. Die öffentlich zugänglichen Informationen über die Eigenschaften der neuen Pflanzen sind beschränkt. Bekannt ist, dass in beiden Linien getestet werden sollen, deren gentechnische Veränderung mit der Verbesserung des Ertrags und mit der Vermittlung von Toleranzen gegen Unkrautvernichtungsmittel in Verbindung stehen. Insgesamt hält sich der Bayer-Konzern mit konkteten Aussagen über seine Forschungsprojekte eher bedeckt. Klar ist jedoch, dass Bayer seine Forschungs- und Entwicklungsressourcen für Weizen insgesamt in den vergangen Jahren erheblich ausgeweitet hat.7

Weitere Firmen, die aktuell Anträge für Freisetzungen von gv-Weizenlinien in den USA verfolgen sind zum Beispiel der US-Saatgutkonzern Pioneer HiBred, das ursprünglich französische Unternehmen Biogemma oder der in den USA beheimatete Dienstleister für Forschung Syntech Research.8 Staatliche Forschungsinstitutionen sind zum Beispiel die Universitäten der US-Bundesstaaten New Jersey (Rutgers) und Oklahoma.

Ägypten

Die in Ägypten untersuchten Pflanzen sollen zum Teil über eine Trockentoleranz verfügen, zum Teil über eine Resistenz gegen bestimmte Pilzkrankheiten. Der ISAAA berichtet von Feldversuchen, die bereits seit mehreren Jahren durchgeführt werden. Die aktuellen Versuche werden von WissenschaftlerInnen des AGERI (Agricultural Genetic Engineering Research Institute) durchgeführt. Bereits in einer Publikation aus dem Jahr 2004 wurde berichtet, dass WissenschaftlerInnen des AGERI trockentolerante Weizenpflanzen entwickelten.9 Von diesen ist aktuell nichts mehr zu lesen.

Mexiko

In Mexiko ist das weltweit wichtigste Forschungszentrum für Weizen beheimatet, das sogenannte CIMMYT. Laut ISAAA werden hier seit mindestens sieben Jahren gentechnisch veränderte Weizenlinien mit „verschiedenen“ neuen Eigenschaften (darunter auch Trockentoleranz) getestet.10 Das CIMMYT, das Niederlassungen in 19 weiteren Ländern unterhält, ist auch an gentechnischen Forschungen gegen den Rostpilz „Ug99“ beteiligt, der in verschiedenen afrikanischanischen Ländern zu erheblichen Schäden in den Landwirtschaft führt. Eine verfolgte Strategie ist das sogenannte Stapeln von Genen, um die gv-Weizenpflanzen mit Genen für verschiedene Resistenzen auszustatten. Diese sollen in einer Genkassette zusammen gefasst übertragen werden. In der Vergangenheit kooperierte auch der Agrarkonzern Syngenta in diesem Projekt - ob die Zusammenarbeit noch besteht, ist offen.11

Argentinien

Das Nationale Argentinische Agrarforschungszentrum INTA entwickelt gv-Weizen, der ebenfalls eine Toleranz gegenüber Trockenheit eingebaut bekommen haben soll.12 Ob das Institut Freisetzungsversuche durchführt ist dem Autor nicht bekannt.

Monsanto

Last but not least noch ein Wort zu den Ambitionen des Gentech-Branchenprimus Monsanto. Er führt Weizen nur in seiner „special crops pipeline“ auf - also eher unter „ferner liefen”. Dort finden sich zwei Linien, die gegen das Unkrautvernichtungsmittel tolerant sein sollen. Beide stecken noch in den sprichwörtlichen Kinderschuhen („frühes Entwicklungsstadium“).13

Fazit

Auch wenn mit diesem Beitrag sicher kein lückenloser Überblick zu Forschung und Entwicklung von gentechnisch veränderdertem Weizen gegeben werden konnte: Deutlich wird, dass Weizen bei den GentechnikerInnen nicht mit besonderer Priorität verfolgt wird. Versuche, die sichtbar werden - zum Beispiel durch die Anmeldung eines Freisetzungsversuches -, wirken eher, als seien sie Steckenpferde einzelner Forschender oder durch einen anderen Zufall gestartet worden. Jedenfalls ist zum jetzigen Zeitpunkt weder eine systematische noch eine engagierte Bearbeitung durch einzelne Akteure zu erkennen. Möglicherweise ist die besondere Rolle des Weizens, der in weiten Teilen als Nahrungsmittel genutzt wird, dafür verantwortlich.

  • 1Siehe dazu zum Beispiel auch in dem Beitrag „Hybridweizen: Vor dem Durchbruch?“ von Eva Gelinsky und Dieter von Frieling auf S. 8ff.
  • 2Im Netz unter www.rothamsted.ac.uk oder www.kurzlink.de/gid239_qq. Siehe auch Bruce und KollegInnen (2015): „The first crop plant genetically engineered to release an insect pheromone for defence“. Scientific Reports, Band 5. DOI:10.1038/srep11183.
  • 3Siehe www.ogtr.gov.au oder www.kurzlink.de/gid239_pp.
  • 4ISAAA Brief 51, im Netz unter www.isaaa.
  • 5Siehe Fußnote 4. Da sich der ISAAA in erster Linie an der kommerziellen Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen orientiert, besteht theoretisch die Möglichkeit, dass Forschungsprojekte fehlen, die in Ländern durchgeführt werden, in denen kein kommerzieller Anbau stattfindet. Auch in der Schweiz wurde erst unlängst ein (weiterer) Freisetzungsversuch mit gv-Weizen genehmigt. Zu diesem finden detaillierte Informationen in dem Beitrag „Transgener Weizen auf dem Acker“ auf den Seite 18 in dieser Ausgabe des GID.
  • 6Siehe Information System Biotechnology, eine Datenbank mit den US-amerikanischen Freisetzungsversuchen im Netz unter www.nbiap.vt.edu/search-release-data.aspx.
  • 7Siehe dazu zum Beispiel unter www.research.bayer.com oder www.kurzlink.de/gid239_oo.
  • 8Siehe Fußnote 6.
  • 9Siehe dazu „Egyptian scientists produce drought-tolerant GM wheat“ unter www.scidev.net oder www.kurzlink.de/gid239_nn. Bahieldin, A. und KollegInnen (2005): „Field evaluation of transgenic wheat plants stably expressing the HVA1 gene for drought tolerance“. Physiologica Plantarum Band 123, Ausgabe 4, Seiten 421-427, DOI: 10.1111/j.1399-3054.2005.00470.x.
  • 10Die Website des CIMMYT gibt darüber keine Auskunft. Zum ISAAA siehe auch Fußnote 4.
  • 11www.croplife.org/news/arresting-ug99-to-protect-w… oder www.syngentafoundation.org/db/1/821.pdf.
  • 12INTA (Instituto Nacional de Technologia Agropecuaria) ist im Netz unter www.inta.gov.ar zu finden.
  • 13www.monsanto.com oder www.kurzlink.de/gid239_mm. Siehe dazu auch Hannah Laup: „Transgener Weizen“. Gen-ethischer Informationsdienst (GID) 226 (Oktober 2014), im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de/2910.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
239
vom Dezember 2016
Seite 14 - 15

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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