Erfolgsgeschichte Burkina Faso?

Interessenkonflikte fördern gentechnisch veränderte Baumwolle

Das westafrikanische Land Burkina Faso war einst das Aushängeschild für den Nutzen von gentechnisch veränderten Pflanzen. Das Narrativ der Erfolgsgeschichte basiert jedoch auf problematischen Studien, die der Realität nicht standhalten konnten.

Die Einführung von gentechnisch veränderter (gv) Baumwolle in Burkina Faso im Jahr 2008 sollte beweisen, wie diese Technologie Armut und Ernährungsunsicherheit lindern kann, indem sie die Pflanzen vor Schadinsekten schützt und die Erträge steigert. Aber diese viel gefeierte Erfolgsgeschichte kam 2016 zu einem abrupten Ende, als die Regierung von Burkina Faso und nationale Baumwollunternehmen beschlossen, auf gv-Baumwolle zu verzichten.1

Was war passiert?

Burkina Faso war das erste afrikanische Land, in dem eine gentechnisch veränderte Pflanze hauptsächlich von Kleinbäuer*innen angebaut wurde. Es handelte sich dabei um eine insektenresistente Baumwollsorte, die durch eine Partnerschaft mit dem US-amerikanischen Agrarunternehmen Monsanto (heute Bayer) entwickelt wurde. Auf dem Höhepunkt seines Anbauvolumens pflanzten fast 150.000 burkinische Haushalte gv-Baumwolle an. Befürworter*innen verbreiteten schnell Studienergebnisse, die erhöhte Durchschnittserträge und höhere Einkommen der Bäuer*innen zeigten. Daraus entwickelte sich ein bekanntes Erfolgsnarrativ. Als Burkina Faso nur acht Jahre später auf gv-Baumwolle verzichtete, waren Beobachter*innen schockiert. Der Grund dafür lag in den kurzfaserigen Samenhaaren der gv-Pflanze: die Entkörnungsmaschinen konnten aus den geernteten Baumwollbollen proportional weniger Fasern extrahierten. Dies führte zu Verlusten von 76 Millionen US-Dollar für Baumwollunternehmen. Es tauchten auch andere Probleme auf. Neue Erkenntnisse zeigten, dass die tatsächlichen Erträge von gv-Baumwolle weniger als der Hälfte der zu Beginn gemachten Prognosen entsprachen. Und es gab erhebliche Unterschiede unter den Landwirt*innen – viele Bäuer*innen verloren Geld. In unserer aktuellen Forschung zeichnen wir nach, wie es zu dem Scheitern von gv-Baumwolle und dem trotzdem bestehenden Erfolgsnarrativ kam.2 Durch über 250 Interviews und eingehende Recherchen in Burkina Faso konnten wir feststellen, dass die Probleme nicht überraschend auftauchten. Sie waren den offiziell Verantwortlichen des Baumwollsektors bereits 2006 bekannt – zehn Jahre bevor Burkina Faso auf gv-Baumwolle verzichtete. Mit unserer Arbeit wollten wir das Rätsel lösen, wie eine Erfolgserzählung aufgebaut werden konnte, obwohl die Probleme leicht erkennbar waren. Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass Macht dabei eine große Rolle spielt.

Schweigen und Auslassungen

Die Erfolgserzählung über Burkina Fasos gv-Baumwolle basierte auf einer Reihe von Studien mit erheblichen methodischen Problemen. Diese Studien enthalten sehr klar nachvollziehbare Probleme bei der Datenerhebung, bei der Unterschiede zwischen Vergleichsgruppen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. In den meisten Fällen fehlt zudem eine ausreichende Beschreibung der Methodik, um zu bewerten, wie genau die verantwortlichen Wissenschaftler*innen Daten erhoben haben.

Diese fehlerhaften Evaluierungsstudien gaben Ertrags- und Einkommensergebnisse als Durchschnittswerten an, die Befürworter*innen von gv-Baumwolle schnell als Erfolgsbeweis verbreiteten. In vielen dieser Studien wurde zwar eine große Variabilität in den Erträgen und Gewinnen für Bäuer*innen dokumentiert, doch die Autor*innen hoben diese Ergebnisse nicht gleichermaßen hervor.

Erhebliche Interessenkonflikte prägten die Datenerhebung und wissenschaftliche Berichterstattung. Monsanto finanzierte die Evaluierungsstudien durch das Burkina Faso Institute for Environment and Agricultural Research. Dies bedeutete, dass Monsanto die Kontrolle über Forschungsergebnisse behielt – und ein starkes Interesse daran hatte, den Anschein von Erfolg sicher zu stellen. Das Institut war auf die Finanzierung durch Monsanto angewiesen, die mit der Einführung von gv-Baumwolle einherging. Zudem konkurrierten hochqualifizierte burkinische Forscher*innen um begrenzte Jobs bei Monsanto. In unseren Interviews, an denen auch Vertreter*innen von Monsanto teilnahmen, sagten die Teilnehmer*innen, es sei schwierig gewesen, die allgemeine Erfolgserzählung in Frage zu stellen. Bedenken, die sie geäußerten hätten, seien oft zum Schweigen gebracht oder ignoriert worden. Zum Teil wurde ihre Expertise in Frage gestellt.

Nichtbeachtung lokaler Dynamiken

Die Evaluierungsstudien waren auch in anderen Aspekten problematisch, insbesondere im Hinblick auf die differenzierten Auswirkungen von gv-Baumwolle in den Anbauregionen. In vorherigen Forschungsarbeiten in Burkina Faso war bereits detailliert beschrieben worden, wie lokale Dynamiken beeinflussen, inwieweit Bäuer*innen von der Baumwollproduktion profitieren können.3 Auf dieses Wissen wurde dennoch nicht in den Studien zurückgegriffen, die das Erfolgsnarrativ aufbauten. Unsere Forschung ergab jedoch, dass diese fehlenden Elemente die kritischen Faktoren waren, die die Erfahrungen der Bäuer*innen mit gv-Baumwolle prägten.

So standen ärmere Bauer*innen vor besonderen Herausforderungen: Sie konnten weniger Dünger einsetzen, was die Ertragsprobleme bei gv-Baumwolle verschärfte. Und sie waren oft zusätzlich belastet, weil sie für Ersatzsaatgut bezahlen mussten, wenn ihre erste Pflanzung nicht keimte. Diese zusätzlichen Saatgutkosten resultierten aus den komplexen Beziehungen zwischen Bäuer*innen und Mitarbeiter*innen von Baumwollunternehmen, die oft auf Kleinbäuer*innen herabsahen. Diese Dynamik und zusätzliche Kosten von gv-Baumwolle blieben durch den zu eng gefassten Fokus der Evaluierungsstudien unsichtbar. Infolgedessen erweckte die Erfolgserzählung den falschen Eindruck, dass selbst Bäuer*innen mit wenigen Ressourcen „durchschnittliche“ Ertragsgewinne erzielten.

Profit aus der Erfolgsgeschichte

Die Macht, ein Narrativ zu gestalten – basierend auf fehlerhaften Studien, die wichtige Realitäten übersahen – erwies sich als positiv für Monsantos Geschäftsbilanz. Laut des endgültigen Lizenzvertrags, der von Monsanto und den burkinischen Partner*innen unterzeichnet wurde, sollten angeblich 28 Prozent des „Mehrwerts“ von gv- Baumwolle an Monsanto, und der restliche Gewinn an Bäuer*innen und Baumwollunternehmen gehen. Doch Monsanto erhielt weit mehr als den vereinbarten Wert. Grund war, dass im Lizenzvertrag eine um 30 Prozent überhöhte Ertragsschätzung verwendet wurde, um den Mehrwert aus gv-Baumwolle zu ermitteln. Selbst in den besten Jahren kamen die tatsächlichen Baumwollerträge nicht an diesen Wert heran. Da die Firma nach der Anzahl der gepflanzten Hektar bezahlt wurde, erhielt Monsanto die überhöhte Vergütung zudem unabhängig von dem tatsächlichen Ertrag durch die Technologie. Das Unternehmen konnte also mehr als im Vertrag durch die Ertragsschätzung versprochen wurde einnehmen, während das Risiko allein bei den Baumwollfirmen und Bäuer*innen lag. Monsanto profitierte zusätzliche von der glaubwürdigen Erfolgsgeschichte für gv-Pflanzen. Sie wird heute immer noch verwendet, um neue Projekte auf dem afrikanischen Kontinent voranzutreiben.

Blick in die Zukunft

Laut dem Anthropologen Glenn Stone sind wir „naiv, wenn wir empirische Behauptungen schlucken, ohne sorgfältig zu berücksichtigen, wie sich Partikularinteressen auf die Schaffung von Fakten auswirken.“4 Wie der Fall Burkina Faso zeigt, spielten diese eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung einer Erfolgserzählung. Für die Zukunft ist es wichtig, aus dem Fall Burkina Faso zu lernen – nicht nur darüber, was dort passiert ist, sondern auch wie Wissen produziert wird. Die Notwendigkeit einer Prüfung von Partikularinteressen ist eine Lehre, die aus der Analyse dieser Geschichte gezogen werden kann. Sie ist besonders aktuell, da momentan mehrere afrikanische Länder eine breite Palette von gv-Pflanzen für die Kommerzialisierung in Betracht ziehen. Viele der Pflanzen, um die es geht, sind nicht das Eigentum von großen Agrarunternehmen wie Monsanto. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Interessenkonflikte nicht auch hier die Art und Weise beeinflussen, wie Wissen über diese Pflanzen produziert wird.

Evaluierungsstudien müssen unabhängig, transparent, streng und methodisch divers sein, um die Realitäten des Anbaus von gv-Pflanzen genau widerzuspiegeln. Die Studien müssen Probleme und Mängel antizipieren. Dies gilt insbesondere für das Verständnis, ob und wie gentechnisch veränderte Pflanzen ressourcenknappen, weiblichen und marginalisierten Bäuer*innen helfen.

Zu lange wurden landwirtschaftliche Technologien wie gv-Pflanzen bewertet, als ob sie in einem sozialen und politischen Vakuum existierten. Um zu verstehen, wie diese Pflanzen für Bäuer*innen funktionieren, muss die Dynamik und der Kontext ihrer Verwendung auf lokaler Ebene genau beachtet werden. Die Rolle, die Macht in diesem Zusammenhang spielt, muss ein Teil davon sein, wie wir gv-Pflanzen in Zukunft verstehen.

Dieser Artikel erschien im Englischen am 30.08.2020 auf The Conversation. Online: www.kurzelinks.de/gid259-df. Übersetzung: Isabelle Bartram.

  • 1Dowd-Uribe, B./Schnurr, M. (2016): Briefing: Burkina Faso‘s reversal on genetically modified cotton and the implications for Africa. In: African Affairs, Vol. 115, Issue 458, S.161-172, www.doi.org/10.1093/afraf/adv063.
  • 2Luna, J.K./Dowd-Uribe, B. (2020): Knowledge politics and the Bt cotton success narrative in Burkina Faso, In: World Development, Vol. 136, www.doi.org/10.1016/j.worlddev.2020.105127.
  • 3Leslie Gray, L./Dowd-Uribe, B. (2013): A political ecology of socio-economic differentiation: debt, inputs and liberalization reforms in southwestern Burkina Faso. In: The Journal of Peasant Studies, 40:4, S.683-702, www.doi.org/10.1080/03066150.2013.824425.
  • 4Stone, G.D. (2012): Constructing Facts – Bt Cotton Narratives in India. In: Economic & Political. Online: www.kurzelinks.de/gid259-dg [letzter Zugriff: 01.10.21].
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
259
vom November 2021
Seite 17 - 18

Brian Dowd-Uribe ist Professor am Fachbereich für Internationale Studien der University of San Francisco.

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Dr. Jessie Luna ist Dozentin für Soziologie an der Colorado State University.

 

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