Gentech-Ikonografie

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Die bekannteste Darstellung der ISAAA-Daten zu Anbau und Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen ist die hier gezeigte Weltkarte, die über die weltweite Anbaufläche Aufschluss geben soll. Mit etwas gutem Willen könnten wir von einer ikonografischen Darstellung sprechen, also einer Grafik, die über die reine Vermittlung von Fakten hinausgeht und einen (demgegenüber wichtigeren) symbolischen Wert bekommen hat. Es ist klar zu sehen: gentechnisch veränderte Pflanzen haben einen Siegeszug angetreten und es dauert nicht mehr lange, dann werden diese Pflanzen überall auf der Welt wachsen. Unterstützt wird die Message von den Kurven, die die Hektarzahlen über die Jahre abbilden - natürlich weisen sie klar nach oben. Die Darstellung hat allerdings den ein oder anderen Haken: Sie erweckt einen falschen Eindruck. Die in dunkelgrau gekennzeichneten Länder werden natürlich nicht vollständig mit gv-Pflanzen bewirtschaftet - es sieht aber so aus. Sehen wir von der Tatsache ab, dass ein Land beziehungsweise ein Kontinent nur zum Teil landwirtschaftlich genutzt wird, ist es - ebenso selbstverständlich, dass es nicht ein einziges Land auf der Erde gibt, in dem alle landwirtschaftlichen Nutzpflanzen gentechnisch verändert sind. Die USA zum Beispiel umfassen eine Gesamtfläche von 9,8 Millionen Quadratkilometern, was 980 Millionen Hektar entspricht. Davon sind - dem ISAAA-Bericht von 2014 1 zufolge - 164 Millionen Hektar landwirtschaflich nutzbar, was in etwa 17 Prozent entspricht. 2 Das heißt jeder sechste Hektar in den USA wird landwirtschaftlich genutzt. Die mit gv-Pflanzen bewirtschaftete Fläche lag im vergangenen Jahr bei etwa 73 Millionen Hektar. Summasummarum ein Anteil von 45 Prozent - ein wirklich hoher Wert. Die Bundesstaaten Iowa, Nebraska, North Dakota und South Dakota zum Beispiel umfassen zusammen eine Fläche von etwa 72,9 Millionen Hektar 3 ,dem tatsächlichen Anteil von mit gv-Pflanzen bewirtschafteter Fläche entsprechen. Da die USA das Land mit dem höchsten Anteil an gv-Pflanzen weltweit ist, fallen die Werte für die anderen Länder entsprechend niedriger aus.

Die Kommunikation der Daten durch den ISAAA kennt aber auch noch andere Winkelzüge. Ein besonders schönes Beispiel ist die Darstellung von so genannten stacked events, also solchen gv-Pflanzen, in die mehrere gentechnische Veränderungen eingebaut worden sind. Über mehrere Jahre hat der ISAAA in seinem Bericht betont, dass die mit diesen Pflanzen bewirtschafteten Flächen in der Statistik mehrfach berücksichtigt werden müssten; Pflanzen mit zwei gentechnischen Veränderungen zweifach, solche mit drei neuen Eigenschaften dreifach und so weiter. Dafür wurde der Begriff der „trait hectares“ (beziehungsweise „trait acres“) erfunden, zum Beispiel wurde im ISAAA-Bericht von 2008 betont: „Thus in 2008, global growth in ‚trait hectares‘ increased from 143.7 million ‚trait hectares‘ in 2007 to 166 million ‚trait hectares‘“.4 Dabei war die Anbaufläche nur von 114 Millionen Hektar in 2007 auf 125 Millionen in 2008 angewachsen (auch diese Zahlen standen im Bericht 2008). Nach diesem Vorgehen gefragt, antwortete Clive James vom ISAAA: „Das ist falsch. Diese sogenannten „Trait Acres“ sind in dem Bericht nicht berücksichtigt worden. Ich finde es bedenklich, wenn Leute so etwas behaupten, die den Bericht offensichtlich nicht gelesen haben.“5

  • 1Veröffentlicht im Januar 2015.
  • 2Es gibt verschiedene Arten landwirtschaftlich nutzbare Fläche zu berechnen: Wir folgen hier dem ISAAA; der seinen Statistiken „arable land“ zugrunde legt, was vereinfacht dem Ackerland inklusive Garten- aber ohne Weideflächen entspricht; werden diese mitgerechnet, wird von „agricultural land“ gesprochen. Details finden sich bei der Welternährungsorganisation FAO und der Weltbank.
  • 3Siehe dazu auch Abbildung rechts (auf Basis von Angaben in Wikipedia). Es können sich geringfügige Abweichungen durch Wasserflächen ergeben, die hier nicht berücksichtigt sind.
  • 4Zusammenfassung des ISAAA-Berichtes 2008, im Netz unter: www.kurzlink.de/gid228_o.
  • 5www.pflanzenforschung.de oder www.kurzlink.de/gid228_p, 16.02.12.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
228
vom Februar 2015
Seite 13

GID-Redaktion

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