USA: Grundsatzurteil gegen Genpatente

Patente auf „Brustkrebsgene” für ungültig erklärt

Ein Gerichtsurteil in den USA stellte jüngst die Patentierbarkeit von menschlichen Genen in Frage. Hinter der Klage gegen die US-Patentbehörde und die Patentinhaber stand eine breite und heterogene Koalition - von Frauengesundheitsorganisationen bis zu Wissenschaftsverbänden. Auf den folgenden Seiten informieren wir über das Urteil und die Argumente der KlägerInnen.

Ende März fällte der US-Bundesrichter Robert Sweet ein spektakuläres Urteil. In einem New Yorker Bundesbezirksgericht erklärte er Patente auf die zwei als „Brustkrebsgene“ bekannten Genvarianten BRCA1 und BRCA2 für ungültig - und zwar aufgrund genereller Vorbehalte, die auch für andere Patente auf Gene zutreffen. Er gab damit einer Klage statt, die die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union und die Stiftung Public Patent Foundation initiiert hatten. Ingesamt 20 Organisationen hatten sich der Klage gegen die US-Patentbehörde und gegen die Inhaber der Patente, nämlich Myriad Genetics und die University of Utah Research Foundation, angeschlossen. Myriad Genetics ist das Unternehmen, das weltweit Gentests auf die Genvarianten vermarktet, die mit einem erhöhten Risiko in Verbindung gebracht werden, an Brustkrebs oder Eierstockkrebs zu erkranken.1 Unterstützt wurde die Klage einerseits von Frauengesundheitsorganisationen und NGOs, die kritisch zu Biotechnologien arbeiten. Andererseits schlossen sich auch Verbände von MedizinerInnen und HumangenetikerInnen mit einer eigenen Stellungnahme an. Die Klage bezog sich im Unterschied zu sonstigen Patentanfechtungsverfahren auf die prinzipielle Frage, ob Gene patentierbar sind, und stellte auch die Verfassungsmäßigkeit dieser Patente in Frage.

„Nicht patentierbare Produkte der Natur”

Richter Sweet gab den generellen Argumenten gegen die Patentierbarkeit von Genen statt. In dem 156-seitigen schriftlichen Urteil erklärte er, dass die BRCA1- und BRCA2-Genvarianten „nicht patentierbare Produkte der Natur“ seien. Er wies damit die These von Myriad Genetics zurück, isolierte DNA unterscheide sich von der DNA, wie sie in der Natur vorkomme, und sei deswegen patentierbar. Sweet dazu: Es sei ja schließlich „gerade die entscheidende Voraussetzung für Myriads Gentest, dass die beanspruchte isolierte DNA in jeder relevanten Hinsicht der Nukleotid-Sequenz entspricht, wie sie in der ursprünglichen DNA vorzufinden ist.”2 Der Richter stufte auch weitere Aspekte als nicht patentwürdig ein. Zu einer von Myriad Genetics als Begründung der Patente vorgebrachten mathematischen Formel erklärte er, hier gehe es letztendlich nur um „Datensammeln, um klinische Daten zu erhalten“, und dies reiche nicht für einen Patentanspruch. Sweet gab allerdings nicht dem Teil der Klage statt, der der US-Patentbehörde den Verstoß gegen die Verfassung vorwarf. Die strittigen Fragen seien innerhalb des US-Patentrechts zu klären. In seiner mündlichem Stellungnahme im Gericht gab Sweet der New York Times zufolge den KritikerInnen von Genpatenten Recht: Diese hätten gezeigt, dass die üblichen Patentbegründungen letztendlich „Anwaltstricks“ seien, „um das Verbot einer direkten Patentierung der DNA in unserem Körper zu umgehen, dabei aber dasselbe Resultat zu erlangen.”3

Unterschiedliche Interpretationen

In den US-Medien gab es unterschiedliche Interpretationen des Urteils. Die New York Times bewertete die Folgen des Urteils als „möglicherweise weitreichend“. Schließlich „sind 20 Prozent aller menschlichen Gene inzwischen patentiert, und eine Multi-Milliarden-Industrie ist auf der Grundlage der intellektuellen Eigentumsrechte aufgebaut worden, die die Patente garantieren.“ Anders demgegenüber ein Kommentar des einflussreichen Wirtschaftsmagazins Forbes.4 Es sei unwahrscheinlich, dass Myriad Genetics, die den Test derzeit für 3.000 US-Dollar verkaufen, mit unmittelbaren finanziellen Einbußen rechnen müssten. Schließlich erkläre das Urteil nur 7 von 23 Patenten, die Myriad innehat, für ungültig. Außerdem sei es gut möglich, dass das Urteil in höheren Instanzen wieder aufgehoben würde. Gleichzeitig betonte der Forbes-Kommentator, dass Patente auf einzelne Gene angesichts der enormen Fortschritte in der Genomsequenzierung anachronistisch seien und wohl bald anderen Patentmodellen Platz machen müssten, die sich eher auf bioinformatische Innovationen beziehen sollten.

„Die Idee, Mäuse zu fangen”

Argumente der Klage
Von Marcy Darnovksy und Jesse Reynolds
Im Mai 2009 reichte die - eine halbe Million Mitglieder starke - American Civil Liberties Union (ACLU) zusammen mit der Public Patent Foundation (Yeshiva Universität/New York) die Klage gegen die BRCA1/2 Patente ein. Der Prozess könnte eine öffentliche Kontroverse über Genpatente provozieren und die Geschäftsstrategien vieler Biotech-Unternehmen in Frage stellen. Bisher bezogen sich die meisten Prozesse zu Genpatenten auf den Besitzanspruch an einem bestimmten Gen, und keine Seite sah sich dazu veranlasst, die Patentierbarkeit des Gens an sich in Frage zu stellen. Demgegenüber ficht das aktuelle Verfahren die Gültigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Patente auf menschliche Gene im Allgemeinen an. Unter den 20 Parteien, die die Klage unterstützen, befinden sich vier Wissenschaftsorganisationen, die mehr als 150.000 ForscherInnen und LabormitarbeiterInnen repräsentieren; zwei einflussreiche Frauengesundheitsorganisationen (Breast Cancer Action und Our Bodies Ourselves) und individuelle ForscherInnen, humangenetische BeraterInnen und Brustkrebspatientinnen. Die KlägerInnen geben mehrere Gründe dafür an, warum sie die Patente anfechten: Einige GenetikerInnen erklären, dass Patentinhaber Myriad Genetics sie mit schriftlichen Unterlassungsaufforderungen direkt an ihrer Forschung gehindert habe, andere, dass sie durch die agressive Patentüberwachungs-Maßnahmen des Unternehmens eingeschüchtert und somit indirekt am Forschen gehindert worden seien. Und: Weil Myriad die ausschließliche Kontrolle über die Daten hat, die Ergebnis ihrer Gentests sind, hat das Unternehmen auch die alleinige Macht, über ein großes und für die Brustkrebs-Forschung wichtiges Datenset zu verfügen - und es anderen ForscherInnen vorzuenthalten. Mehrere Frauengesundheitsorgansiationen kritisieren, dass Myriad den Preis für den BRCA1/2- Test unverhältnismäßig hoch gehalten habe. Es gibt Frauen, die den Test brauchen, aber die über 3.000 US-Dollar pro Test nicht aufbringen können. Myriads Monopol hat auch zur Folge, dass keine weiteren Tests auf diese Gene entwickelt werden können und Brustkrebspatientinnen keine zweite Meinung über Testergebnisse einholen können (siehe Stellungnahme Amici Curiae auf Seite 23). Dies sind unmittelbar fühlbare Folgen von Myriads Patenten sowie der Strategien des Unternehmens, die Patente zu schützen. Die gerichtliche Klage bezieht sich selbstverständlich auch auf Präzedenzfälle und technische juris­tische Fragen. Die ACLU und die Public Patent Founda­tion konzentieren sich hier auf drei grundsätzliche Problemkreise: Erstens argumentieren sie, dass die Genpatente das Bundespatentgesetz verletzen, das - so wie es bisher gerichtlich interpretiert wurde - Naturprodukte und Naturgesetze für nicht patentierbar erklärt. Die BefürworterInnen erklären die Genpatente für gültig, weil sie sich auf Gene in einer „isolierten und gereinigten“ Form beziehen. Demgegenüber argumentieren die ACLU und die Public Patent Foundation, dass „menschliche Gene, auch wenn sie dem Körper entnommen wurden, immer noch Naturprodukte sind, und dass ihre Verbindungen mit Krankheiten Naturgesetze sind“. Zweitens beanstandet die Klage, dass Genpatente die Patentklausel der Verfassung verletzen. Diese autorisiert den Kongress dazu, „den Fortschritt der Wissenschaft und der nützlichen Künste zu fördern, indem Autoren und Erfinder für eine begrenzte Zeit das ausschließliche Recht auf ihre Schriften und Entdeckungen zugesichert bekommen.“ Patente auf menschliche Gene zu erteilen, fördert aber nicht den Fortschritt der Wissenschaft, so die Klage. Tatsächlich führe dies dazu, „dass wissenschaftlicher Fortschritt gebremst wird. Denn es gibt keine Möglichkeit, ein Gen bei Erfindungen zu umgehen, wenn das Gen Ausgangspunkt für alle auf es bezogenen Erfindungen ist.“ BefürworterInnen der Genpatente stellen demgegenüber heraus, dass Patente notwendige Anreize für gesellschaftlich nützliche Erfindungen darstellen. Drittens beinhaltet die Klage ein neues Argument: Weil die BRCA-Patente ebenso wie die meisten Genpatente alle verschiedenen individuellen Gen-Variationen eines Gens sowie deren Beziehungen zur Biologie abdecken, verletzten sie den 1. Zusatzartikel der Verfassung (First Amendment).1 Die klagenden Parteien erklären, dass ein Gentest zwar eine patentierbare Erfindung sei, dies jedoch nicht für alle Tests eines Gens, für alle Varianten eines Gens oder für alle seine biologischen Funktionen gelten dürfe. Ein Gen, so argumentiert die Klageschrift und viele WissenschaftlerInnen, ist beides - ein Werkzeug der Grundlagenforschung und eine Idee, und somit führen Patente auf Gene letztendlich dazu, das Denken über die Funktionen von Genen zu verbieten. Patente sollen einen Anreiz geben, eine bessere Mausefalle zu bauen, aber Patente auf menschliche Gene stellen die Idee, Mäuse zu fangen, an sich unter den Eigentumsschutz. Die ACLU/Public Patent Foundation Klage ist die erste Klage, die die Chance hat, bis zum Obersten Gerichtshof zu gelangen. Sollte dies geschehen, kann dieser erstmals darüber befinden, wie „Naturprodukte“ zu definieren sind und ob die Doktrin „isolierter und reiner DNA“ auf menschliche Gene angewandt werden sollte. Zudem handelt es sich um die erste Patentklage, die sich auf das First Amendment bezieht. Sie ist auch die erste Klage, die von einer großen Anzahl von bekannten NaturwissenschaftlerInnen unterstützt wird. Sie stellen sich damit explizit dem Argument entgegen, dass Genpatente für den wissenschaftlichen Fortschritt notwendig sind.
Übersetzung: Susanne Schultz
Marcy Darnovsky ist stellvertretende Geschäftsführerin und Jesse Reynolds ist zuständig für Politikanalyse im Center for Genetics and Society (CGS). Das CGS ist eine US-amerikanische NGO, die Entwicklungen in Gentechnik und Stammzellforschung kritisch begleitet und sich der BRCA-Patentklage angeschlossen hat.
Ein ausführlicherer Beitrag der AutorInnen, der den Fall Myriad in die Geschichte der US-Patentgesetzgebung einbettet:„The Battle to Patent Your Genes. The Meaning of the Myriad Case” in: The American Interest, September/Oktober 2009, online: www.the-american-interest.com.

  • 1Der 1. Zusatzartikel zur Verfassung der USA (englisch First Amendment) ist Bestandteil des Grundrechtekatalogs und bezieht sich unter anderem auf das Recht auf Meinungsfreiheit, also Freiheit des Denkens und der Rede (d. Red.).
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
200
vom Juli 2010
Seite 22 - 25

Susanne Schultz lehrt Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt a. M., forscht zu Demografiepolitik, ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Rosa Luxemburg Stiftung und promovierte zum Thema Frauengesundheitsbewegungen.

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Recht auf eine zweite Meinung

Auszug aus der Stellungnahme der Amici Curiae 1
Mehrere US-Organisationen, die die Interessen unterpriviligierter Frauen im Gesundheitssektor vertreten oder kritisch zu Biotechnologien arbeiten, erstellten eine gemeinsame Erklärung zum BRCA-Patent-Verfahren. Das 27seitige Dokument widerspricht erst der Patentierbarkeit von Genen, nennt zweitens die nachteiligen Folgen der Patente für Brustkrebspatientinnen und interpretiert drittens Gene als öffentliches Gut der Menschheit. Wir dokumentieren einen Ausschnitt aus dem zweiten Themenkomplex.2
Genpatente wie die von Myriad verhindern die Entwicklung alternativer oder zusätzlicher Gentests. Forscher­Innen, die gerne eine andere (und womöglich bessere oder weniger teure) Gentest-Methode entwickeln wollen, verletzen den Patentschutz von Myriad. Dies wäre sogar dann der Fall, wenn jemand Tests auf bisher noch nicht identifizierte Varianten der BRCA1 und BRCA2- Gene entwickeln würde. Patente auf menschliche Gene hemmen medizinische Innovationen und erhöhen die Kosten für existierende medizinische Angebote. (...) Fehlende Krankenversicherungen oder hohe Zuzahlungen sind die am häufigsten genannten Gründe, warum Leute den Arztbesuch aufschieben. (...) An Brustkrebs erkranken fast ausschließlich und an Eierstockkrebs ausschließlich Frauen. Nach einer aktuellen Erhebung sind Frauen allgemein stärker als Männer von finanziellen Hürden beim Zugang zu Gesundheitsversorgung betroffen: Noch stärker betrifft dies Women of Color (farbige Frauen, d. Ü.). (...) Ein Drittel aller Latinas sowie aller Afroamerikanerinnen erklären, sie wären im letzten Jahr aus finanziellen Gründen später als nötig oder gar nicht zum Arzt gegangen. (...) Ein mangelnder Zugang zu genetischen Informationen nimmt Individuen die Chance, etwas für ihre Gesundheit zu tun und Gesundheitsrisiken zu verringern. Zwar kann eine genetische Prädisposition nicht selbst geändert werden, wohl aber kann das Wissen darüber es ermöglichen, präventiv zu handeln. Zum Beispiel kann eine Frau, die weiß, dass sie Mutationen der BRCA1 und BRCA2-Gene hat, die mit Krebs in Verbindung gebracht werden, ihre Ernährung verändern, aufhören zu rauchen, sich weniger durch die Umwelt belasten, öfter zur Mammographie gehen, um Krebs früh zu entdecken oder sich prophylaktisch operieren lassen. Genpatente begrenzen auch die Art und die Genauigkeit der für Patientinnen zugänglichen Informationen. (...) Da Myriad keinem Wettbewerb ausgesetzt ist, gibt es seine Daten nur zögerlich an ForscherInnen weiter, um neue Testmethoden zu entwickeln oder ambivalente Testergebnisse zu untersuchen, die „Varianten unbekannter Bedeutung“ genannt werden. (...) Darüber hinaus dürfen aufgrund der Patente nur Myriad Genetics und eine begrenzte Anzahl von lizensierten Laboren die Gewebeproben analysieren, die für einen BRCA1- oder BRCA2-Test genommen werden. Myriad verlangt, dass weltweit alle Gewebeproben zur Analyse an Myriads Labore geschickt werden. Tatsächlich verfügt Myriad damit über eine Datenbasis, die 95 Prozent aller BRCA1- und BRCA2-Tests in den USA erfasst. Myriad hat damit nicht nur ein Monopol über die Gene und ihre Mutationen, sondern kontrolliert auch, wer mit diesen Daten forschen kann und welche Art der Forschung betrieben werden darf. Ein wichtiges Anliegen der Amici Curiae ist es, Frauen den Zugang zu umfangreichen Informationen über ihre Gesundheit zu verschaffen. Dazu gehört, die biomedizinische Forschung als Grundlage diagnostischer Tests einschätzen zu können. Eine zentrale Bedingung dafür ist es, dass Frauen eine zweite Meinung einholen können sollten, wenn sie mit der Diagnose einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung konfrontiert sind. Myriads Patente aber hindern die Patientinnen daran, insbesondere ambivalente Testergebnisse zu überprüfen und widersprechen damit einem Standard medizinischer Versorgung.
Übersetzung: Susanne Schultz
Amici Curiae: National Women’s Health Network, Asian Communities for Reproductive Justice, Center for Genetics and Society, Generations Ahead, Pro Choice Alliance for Responsible Research

Interview mit Marcy Darnovsky, Center for Genetics and Society (CGS)

Wie bewertet das Center for Genetics and Society das BRCA-Patent-Urteil von Richter Sweet?

Richter Sweets Entscheidung war unerwartet deutlich und in sich geschlossen argumentiert. Die Internet-Zeitschrift Genomics Law Report nannte sie „atemberaubend“ sowie „radikal und erstaunlich vehement“. Der Richter entschied sich für ein „summarisches Verfahren“ zugunsten der KlägerInnen. Das heißt, er hielt die Argumente für so stark und offensichtlich, dass ein volles Verfahren nicht nötig sei. Sein Urteil besagt, dass nach dem Patentgesetz Patente nicht auf „Naturgesetze, abstrakte Ideen, Naturphänomene einschließlich Produkte der Natur“ erteilt werden dürfen. Die Länge des Urteils - 156 Seiten - scheint darauf hinzuweisen, dass er - wie auch andere - damit rechnet, dass die Entscheidung vor einem höheren Gericht angefochten werden wird. Viele BeobachterInnen gehen davon aus, dass das Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof reichen wird; sie beziehen sich auf einige weitere Verfahren der letzten Zeit. Diese weisen darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof demnächst über den aktuellen Status des Patentgesetzes befinden will. Ein solcher Fall, der so genannte Bilski-Fall, wird für Ende Juni oder Anfang Juli erwartet.1

„Gene sind Produkte der Natur“ oder „Gene sind eine Idee“ sind zwei unterschiedliche, wenn nicht gar gegensätzliche Argumente der PatentkritikerInnen. Wie steht das CGS als NGO, die kritisch zu Tendenzen der Genetifizierung arbeitet, zu diesen strategischen juristischen Argumenten?

Gene sind beides, „Produkte der Natur“ und eine physische Repräsentation biologischer Informationen. Die Korrelation zwischen Genvarianten und phänotypischen Charakteristika sind Naturgesetze; Myriads Patente auf BRCA1 und BRCA2 sind so umfassend, dass sie anscheinend auch das Denken über die Funktionen dieser Gene verbieten. Die ACLU argumentiert: „Ein Monopol auf grundlegende Bereiche des Wissens verletzt die in der Verfassung garantierten Rechte auf freie wissenschaftliche Forschung und einen freien Austausch von Wissen und Gedanken.“ Manche könnten dies so interpretieren, dass damit jedes wissenschaftliche Experiment erlaubt sein müsse. Wir aber denken: Es ist zwar wichtig, wissenschaftliche Forschung gegenüber der unangemessenen Einflussnahme durch Regierungen oder Unternehmen zu schützen; die Forschung sollte aber dennoch gegenüber der öffentlichen Politik rechenschaftspflichtig sein.

Die derzeitige Opposition gegen Patente scheint Genetik als zentral für die Krebsforschung hervorzuheben. Besteht Ihres Erachtens in der Kritik an den Patenten die Gefahr, dass Genetik gegenüber anderen Ansätzen, diese Krankheit zu verstehen und zu behandeln überbetont wird?

Dies ist eine schwierige Frage - zivilgesellschaftliche Organisationen wie wir, die gegen Patente protestieren, müssen sorgsam mit der Thematik umgehen und betonen, dass soziale und Umweltbedingungen wichtige Determinanten für Krankheiten wie Krebs sind - und für Gesundheit allgemein. Aber Gene sind auch wichtig, auch wenn verschiedene Gene in unterschiedlichem Verhältnis zu unterschiedlichen Krankheiten stehen. Einige genetische Informationen mögen sich als nützlich erweisen, andere als nutzlos oder gar irreführend. Wir glauben jedoch, dass menschliche Gene nicht patentierbar sein sollten, ganz unabhängig davon, ob sich ein spezifisches Gen als relevant herausstellt oder nicht.
Das Interview führte und übersetzte Susanne Schultz

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