Selbstbestimmungskritik

Piktogramm: Paragraf, Erlenmeyerkolben, Faust

Die Forderung nach Selbstbestimmung durchzieht Geschichte und Gegenwart diverser sozialer Bewegungen, wie feministischen, behindertenpolitischen oder homosexuell-queeren Bewegungen. Das Konzept Selbstbestimmung wird als Abwehr äußerer Zugriffe auf die Entscheidungen von Menschen verstanden. Um eine Person zu sein, die selbst entscheiden kann, muss man als autonome, zu freien Entscheidungen fähige Person gesellschaftlich anerkannt werden. Dies wurde früher nur weißen, heterosexuellen, bürgerlichen Männern zugestanden – Frauen und Behinderte mussten sich das erst erkämpfen.

Zugleich werden im öffentlichen Raum mit der Rede vom allseits selbstbestimmten Individuum Selbstmanagement und Entscheidungszwänge zu Freiheitsgewinnen umgedeutet. Diese Freiheit hat aber ihren Preis: Wer selbst entscheiden darf, muss auch dafür sorgen, die richtige Entscheidung zu treffen. Wenn irgendetwas schief geht, ist man demnach selbst schuld. So ist der Begriff Bestandteil heutiger Individualisierungsstrategien geworden – vermeintlich selbstbestimmt werden die Normen eines „gesunden“, „effizienten“ und „präventiven“ Körper- und Verhaltensmanagements befolgt.

Beiträge zu diesem Thema

  • Halbherziger Schutz von Inter*-Kindern

    Operationen
    Von
    21. Mai 2021

    Intergeschlechtliche Kinder sollen durch ein neues Gesetz künftig besser vor geschlechtsverändernden Operationen geschützt werden. Ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Inter*-Kinder garantiert es jedoch nicht.

  • Ein bedauernswertes Jubiläum

    150 Jahre Widerstand gegen §218
    Von
    GeN

    (Berlin, 12.05.2021) - Bundesweite Proteste am 15. Mai.
    Das Bestehen des Paragraphen 218 jährt sich zum 150. Mal.
    So lange ist der Schwangerschaftsabbruch schon im Strafgesetzbuch geregelt.

  • Halbherziger Schutz

    GeN

    In einem Kommentar in der Jungle World Ausgabe #2021/14 weist GeN-Mitarbeiter*in Taleo Stüwe auf einige Schwachstellen und Mängel des neuen Gesetzes zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder hin.

  • Streitgespräch zu "Eizellspende" und "Leihmutterschaft"

    Von
    GeN

    In der taz zum frauentag diskutiert GeN-Mitarbeiter*in Taleo Stüwe mit Prof. Claudia Wiesemann über das Verbot von "Eizellspende" und "Leihmutterschaft" in Deutschland. 

  • Keine Angst vor Komplexität

    Von
    GeN

    In der Jungle World 2021/08 schreibt GeN-Mitarbeiter*in Taleo Stüwe über die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung der Pro-Choice-Bewegung mit den ableistischen Dimensionen der Pränataldiagnostik.