Insect Allies?

Anwendung von CRISPR mit Potenzial zum Missbrauch

Grashüpfer und Blattläuse sollen gentechnisch veränderte (gv) Viren auf Feldern verteilen, um die Feldfrüchte an sich wandelnde Umweltbedingungen anzupassen. Daran arbeiten Wissenschaftler*innen in einem US-amerikanischen Forschungsprogramm. Eine Gruppe von Autor*innen zweifelt an dem landwirtschaftlichen Nutzen dieser Technik und mahnt zur Aufmerksamkeit – es könnte auch um Biowaffen gehen.

Grashüpfer

 

Die neuen Gentechnikverfahren Zinkfinger, Talen und allen voran CRISPR-Cas lassen neue Ideen, Fantasien und Wünsche in der Biotechnologie erwachsen: Mehr gesunde Inhaltsstoffe in Tomaten, trockenresistente Feldfrüchte und die Auslöschung der Malaria übertragenden Mückenart. Vieles scheint möglich. Einige Stimmen aus Industrie und Wissenschaft fordern diese Techniken nicht zu regulieren. Dabei geht häufig unter, dass Regulation auch Transparenz schafft und dass durch den Anspruch Informationen zugänglich zu machen, eine gesellschaftliche Debatte ermöglicht wird. Der Evolutionsgenetiker Guy Reeves und die Rechtswissenschaftlerin Silja Vöneky haben gemeinsam mit anderen Wissenschaftler*innen im Oktober 2018 einen Artikel veröffentlicht, der eine Debatte um eine spezielle Anwendung von CRISPR einfordert: Eine Debatte, die deutlich macht, wie potent die Technik ist und wie kreativ sie eingesetzt werden kann.1
In dem Artikel wird das landwirtschaftliche Forschungsprogramm „Insect Allies“ auf Deutsch „verbündete Insekten“ vorgestellt. Auf den ersten Blick geht es um eine dynamischere Landwirtschaft, die sich an Umweltbedingungen anpassen kann. Bei einer genaueren Betrachtung des Forschungsprogramms der U.S. Defence Advanced Research Project Agency (DARPA) scheint es allerdings kaum landwirtschaftlichen Nutzen zu bieten, neue Debatten zur Regulierung zu benötigen und dabei einige Risiken zu beinhalten.2 Diskussionen oder gesellschaftliche Verhandlungen über die Technik werden indessen nicht geführt. Bisher wurde weder ein wissenschaftlicher Artikel aus dem Programm veröffentlicht, noch wurde die Forschung anderweitig öffentlich diskutiert. 2017 äußerten sich Wissenschaftler*innen kritisch zu dem Programm, jedoch ohne viel Aufmerksamkeit zu erhalten.3 Vieles ist daher Spekulation, beruhend auf den wenigen Informationen, die von der DARPA bereitgestellt werden. Den Autor*innen beider Artikel zufolge birgt dieses Programm die Gefahr, Anwendungen mit Dual-Use Potenzial herzustellen. Der Begriff Dual-Use bezeichnet die mögliche Nutzung einer Technik für zivile, als auch für militärische oder terroristische Zwecke.4

Horizontaler Gentransfer mit gv-Viren

Bei den angewandten Gentechnikverfahren in der Landwirtschaft wird eine Zelle verändert und daraus eine Pflanze gezogen, welche die Eigenschaft an ihre Nachkommen weitergibt. DARPA forscht hingegen am horizontalen Gentransfer. Hierbei geht es um die gentechnische Veränderung eines Organismus im erwachsenen Stadium und die Weitergabe von Eigenschaften innerhalb einer Generation. Von in vivo induzierten Herbizidtoleranzen, Anpassungen an Trockenheit oder Schadinsektenbefall spricht DARPA. Die Pflanzen müssten so nicht mehr im Voraus für alle Unwägbarkeiten gewappnet sein, sondern sollen nach Bedarf auf dem Feld verändert werden können.
Eine Methode um an Zellen von erwachsenen Lebewesen zu arbeiten, ist die Verwendung von Viren. Diese besitzen keinen eigenen Stoffwechsel und sind zur Vermehrung auf lebende Zellen angewiesen. Viren induzieren ihre Gene in Wirtszellen, in denen die Gene von zelleigenen Molekülen in Proteine und andere Genprodukte umgewandelt werden. DARPA versucht höchstwahrscheinlich gv-Viren zu erzeugen, auf deren DNA eine Sequenz ist, die das CRISPR-Cas-System codiert. Überträgt der Virus seine DNA auf eine Pflanzenzelle, wird auch CRISPR in der Zelle synthetisiert. CRISPR schneidet dann, so wie im Labor programmiert an der DNA der Pflanzenzelle und modifiziert diese. Somit wird nicht nur der Virus gentechnisch verändert, sondern auch die Pflanze auf dem Feld. Eine Technik, die als „horizontal environmental genetic alteration agents“ kurz HEGAAs bezeichnet wird.
Ganz neu ist die Idee gv-Viren in der Landwirtschaft einzusetzen nicht. Ein ökonomisch bedeutendes Beispiel ist die, von einigen Orangenproduzent*innen erhoffte Freisetzung von gv-Viren auf Orangenbäumen.5 Seit 2005 führt der Befall mit einem Bakterium zu drastischen Ernteeinbußen im Orangenanbau in Florida. Zur Bekämpfung des Bakteriums wird in Versuchen die DNA-Sequenz eines antibakteriell wirkenden Enzyms aus Spinat mit CRISPR in den Virus eingebaut. Dieser wird in den Baum induziert, wo die Spinat-DNA von den Pflanzenzellen synthetisiert wird und das Bakterienwachstum hemmt. DARPA geht nun einen Schritt weiter mit der gentechnischen Veränderung von Virus und Pflanze. Und noch etwas ist neu: Die gv-Viren sollen nicht gespritzt, sondern von pflanzensaftsaugenden Insekten über das Feld verbreitet werden. Blattläuse, Zikaden und Grashüpfer sind mögliche Kandidaten und Namensgeber des „Insect Allies“-Programms.

Insekten als Kuriere

Einige dieser Insekten sind sehr mobil. Um die Ausbreitungsdistanz zu begrenzen soll ihre Lebenszeit limitiert und eine Fortpflanzung verhindert werden. Von einem dreifachen Ausschaltmechanismus, der in die Insekten „eingebaut“ werden soll berichtet die DARPA. Dennoch ist ein flächengenauer Einsatz schwer vorstellbar. Vor allem die Pflanzen auf Feldern mit den gleichen Sorten wie die Zielpflanze, würden möglicherweise gentechnisch verändert werden. Dies ist sehr bedeutsam für alle Landwirt*innen aber besonders für solche, die ihre Ernte gentechnikfrei halten und mit entsprechendem Label verkaufen möchten. Also wieso nicht den Virus spritzen wie so viele andere Mittel in der Landwirtschaft auch? Die Konzentration, Ausbringung und Ausbreitung des Stoffes wäre hierdurch um ein vielfaches einfacher zu kontrollieren. DARPA argumentiert, dass nicht alle Landwirt*innen Zugang zu Sprühequipment haben. Mindestens in Hinblick auf die Europäische oder US-amerikanische Landwirtschaft ist dieses Argument unglaubwürdig.
Des Weiteren würden sich wahrscheinlich alle betroffenen Pflanzen in der tatsächlichen Modifizierung des Genoms unterscheiden. Es ist nicht klar ob alle Pflanzenzellen verändert werden würden und ob die Veränderung überall identisch wäre. Für den internationalen Handel benötigt es momentan klare Regeln für die Deklarierung von gv-Organismen sowie eines Identifizierungsverfahrens. Es müsste demnach erst mal verhandelt werden unter welchen Voraussetzungen diese Technik eingesetzt werden darf.

Gezielte Vernichtung der Ernte

Nicht nur aus den oben genannten Gründen ist ein ökonomischer Nutzen der „Insect Allies“ fraglich. Veränderungen in der DNA die zu neuen Eigenschaften in Pflanzen führen sind selbst im Labor nicht ohne weiteres zu erreichen. Gerade komplexe Fähigkeiten wie Trockenresistenz funktionieren bei Pflanzen über eine Vielzahl von Anpassungen. Verschiedene Gene müssten modifiziert werden und das ist selbst im Labor momentan noch Zukunftsmusik. Eine Technik, die hingegen recht verlässlich funktioniert mit Genome Editing ist das Knockout, also die Stilllegung von Genen. Pflanzen zu schädigen und damit Ernten zu vernichten ist daher momentan das wahrscheinlichere Szenario, als eine Anpassung von Pflanzen an Umweltbedingungen.
Die offenen Fragen bezüglich der landwirtschaftlichen Anwendung des „Insect Allies“-Programms beunruhigen seit Veröffentlichung des Artikels nicht nur Reeves, Vöneky und andere. Viele Medien haben das Thema aufgenommen und in die Öffentlichkeit gebracht.6, 7 Das Potenzial der Technik als Biowaffe eingesetzt zu werden sowie ein unklarer landwirtschaftlicher Einsatz, lassen die Frage aufkommen, wo der Sinn der Technik in Friedenszeiten sein soll. Ein militärisches Szenario hingegen lässt sich recht einfach denken: Die Vernichtung von Ernten durch einen induzierten Knockout im Genom. Die Insekten ermöglichen auf Distanz zu agieren und eine kontrollierte Ausbreitung ist unwichtig. Die DARPA weist die gegen sie vorgebrachten Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück.8 Dagegen betont sie in dem Schreiben ihre Aufgabe des Schutzes der nationalen Ernährungssicherheit und Verteidigung der Landwirtschaft gegen potenzielle und unerwartete Gefahren. Für den Fall, dass diese Technologie von anderen entwickelt und eingesetzt wird, will die USA auf jeden Fall gewappnet sein.

  • 1Reeves, R. G.; Voeneky, S. et al. (2018): Agricultural research, or a new bioweapon system? In: Science, Ausgabe 6410, S.35-37, doi: 10.1126/science.aat7664.
  • 2DARPA (2016): Insect Allies-Programm Ankündigung, HR001117S0002. Online: www.kurzlink.de/gid248_IA [10.02.19].
  • 3Wintle B. C., Bohem C. R. et al. (2017): Point of View: A transatlantic perspective on 20 emerging issues in biological engineering. In: Ecology Human Biology and Medicine, Onlineausgabe eLife 2017;6:e30247, doi: 10.7554/eLife.30247.
  • 4Deutscher Ethikrat (2014): Biosicherheit – Freiheit und Verantwortung in der Wissenschaft. Berlin.
  • 5Ledford, H. (2017): Engineered virus in line to battle citrus disease. In: Nature, Ausgabe 545, S.277-278, doi:10.1038/545277a.
  • 6NewYorkTimes (2018): Viruses Spread by Insects to Crops Sound Scary. The Military Calls It Food Security. Online: www.kurzlink.de/gid248_NYtimes [31.01.19].
  • 7TheGuardian (2018): US plan to genetically alter crops via insects feared to be biological war plan. Online: www.kurzlink.de/gid248_ guardian [31.01.19].
  • 8Statement von DARPA: www.kurzlink.de/gid248_DARPA [31.01.19].
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
248
vom Februar 2019
Seite 23 - 24

Judith Düesberg ist Ökologin und Mitarbeiterin des GeN.

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