Genetische Kettenreaktion beschränkt

Internationale Gemeinschaft setzt Grenzen für die Nutzung

Die internationale Staatengemeinschaft hat im Dezember letzten Jahres Regeln für die Nutzung sogenannter Gene Drive-Organismen aufgestellt. Zivilgesellschaftliche Gruppen kommentieren das Ergebnis der Verhandlungen unterschiedlich.

Gene Drives sind spezielle Anwendungen des 2012 erstmals beschriebenen gentechnischen Werkzeugs CRISPR: Einmal in einen fortpflanzungsfähigen Organismus eingebaut, sorgen diese gentechnischen Konstrukte selbst für eine annähernd sichere Weitergabe ihres eigenen Erbguts. Das Ziel der Entwicklungen ist in der Regel die Gewährleistung einer 100-prozentigen Vererbung.
Verschiedene Anwendungen werden aktuell erforscht und entwickelt. So zum Beispiel in Großbritannien, wo im vergangenen Jahr Mücken der Art Anopheles gambiae mit einem Gene Drive gentechnisch verändert wurden, sodass die Verbreitung der eingebauten Genkonstrukte nach sieben bis zwölf Generationen zur Auslöschung der gesamten Laborpopulation geführt hat.1 Die Forschungen zielen darauf, diese Mückenart durch die Freisetzung der mit einem speziellen Gene Drive veränderten Mücken aus dem Labor – mindestens in bestimmten Weltregionen – komplett auszulöschen. Hintergrund ist, dass Anopheles gambiae ein wichtiger Überträger der Malaria ist.2
Nicht nur bei Insekten sollen derartige Gene Drives zum Einsatz kommen. Auch Säugetiere sollen auf vergleichbare Weise ausgerottet werden. Zum Beispiel gibt es Vorschläge, bestimmte invasive Arten mit Gene Drives zurückzudrängen.3 Allerdings hatten Untersuchungen, in denen Mäuse mit CRISPR-Cas gentechnisch verändert worden waren, gezeigt, dass das Werkzeug bei Säugetieren offenbar fehlerbehaftet ist. Die Autor*innen dieser Studie schlossen daraus, dass die Möglichkeit, Säugetierpopulationen mit einem auf der CRISPR-Technologie beruhenden Gene Drive-Mechanismus zu regulieren, noch in weiter Ferne liegt.4 Unabhängig von der Funktionsfähigkeit aktueller Gene Drive-Organismen wird kritisiert, dass mit der gezielten Ausrottung einzelner Tierarten in erheblicher Weise in die Nahrungsnetze der betreffenden Naturräume eingegriffen werde.

Moratorium gegen Freisetzungen?

Mit Gene Drives kann in erheblicher Weise in Naturräume eingegriffen werden. Mehr als 200 zivilgesellschaftliche Gruppen hatten sich im Vorfeld der jüngsten Verhandlungen der Mitgliedstaaten der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) für ein Moratorium gegen jegliche Freisetzung von Gene Drive-Organismen ausgesprochen.5 Ein Moratorium wurde bei den Verhandlungen im Dezember im ägyptischen Scharm El-Scheich nicht erreicht. Die wesentlichen Punkte der nun unter dem Dach der Vereinten Nationen erreichten Einigung sind zum einen die Anwendung des Vorsorgeprinzips, wie es in der Konvention über Biologische Vielfalt festgeschrieben ist. Zum anderen wurde die Durchführung einer wissenschaftlichen Risikobewertung für jeden einzelnen Fall und die Anwendung von Maßnahmen zum Risiko-Management, um negative Effekte zu minimieren, beziehungsweise ganz zu verhindern, beschlossen. Außerdem sollen zukünftig möglicherweise betroffene lokale und indigene Gemeinschaften einer Freisetzung zustimmen müssen.6 Diese Auflagen sollen unter anderem vor einer eventuellen Freisetzung eines Gene Drive-Organismus erfüllt sein.

Nichtregierungsorganisationen uneins

Eine „windelweiche Regulierung von Gene Drives“ – so nennt Mareike Imken von der Nichtregierungsorganisation Save Our Seeds die Einigung der Mitgliedstaaten der CBD.7 Demgegenüber lobt Jim Thomas von der kanadischen ETC Group: „Diese wichtige Entscheidung führt durch die Anwendung von einfachen Prinzipien des gesunden Menschenverstands zu der Kontrolle der Gene Drives.“8

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
248
vom Februar 2019
Seite 25

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

zur Artikelübersicht

Nur durch Spenden ermöglicht!

Einige Artikel unserer Zeitschrift sowie unsere Online-Artikel sind sofort für alle kostenlos lesbar. Die intensive Recherche, das Schreiben eigener Artikel und das Redigieren der Artikel externer Autor*innen nehmen viel Zeit in Anspruch. Bitte tragen Sie durch Ihre Spende dazu bei, dass wir unsere vielen digitalen Leser*innen auch in Zukunft aktuell und kritisch über wichtige Entwicklungen im Bereich Biotechnologie informieren können.

Ja, ich spende!  Nein, diesmal nicht