Gentechnisch veränderte Waldbäume

Freisetzung transgener Esskastanie in den USA steht unmittelbar bevor

Waldbäume gehören zu den ersten gentechnisch veränderten Organismen, die in die Umwelt freigesetzt wurden. Nun steht die Freisetzung einer transgenen Esskastanie in den USA bevor. Auch mit der Genschere CRISPR-Cas gibt es erste Anwendungsversuche an Bäumen. Was das für das Ökosystem Wald bedeutet ist unklar.

Kastanienbaum

Esskastanien wurden in den USA gentechnisch verändert. Foto: Pixabay/2775562

Gentechnisch veränderte (gv) Waldbäume gehören zu den ersten gentechnisch veränderten Organismen, die freigesetzt wurden. Gearbeitet wird insbesondere an Pappeln, aber auch an Eukalyptus und Esskastanien. Es gib bereits Anwendungen der Gen-Schere CRISPR-Cas, allerdings eher mit eingeschränktem Erfolg. Die meisten CRISPR-Experimente beziehen sich bisher auf Kulturgehölze. Generell werfen Gentechnik-Anwendungen, die Arten und Populationen betreffen, die sich in den Ökosystemen ausbreiten können, grundlegende Fragen für den Artenschutz auf.1

Pappeln

Die erste Freisetzung mit transgenen Pappeln erfolgte bereits 1988. Seit Anfang der 1990er Jahre werden in China transgene Schwarzpappeln im Freiland angebaut, die ein bakterielles Insektengift (Bt- Toxin) produzieren, das sie gegen Raupen-Befall schützen soll. In den Monokulturen, die dort im Rahmen von Aufforstungsprojekten und Plantagen (‚Green Wall‘) angelegt wurden, verursachen Insekten erhebliche Schäden. 2001 wurden die transgenen Bäume, die in Deutschland entwickelt wurden, offiziell zum kommerziellen Anbau freigegeben. Über eine Million gentechnisch veränderte Schwarzpappeln wurden gepflanzt. Deren Erbgut enthält eine verkürzte DNA für ein Bt-Toxin (Insektengift aus Bacillus thuringiensis), das auch in transgener Soja, Mais und Baumwolle produziert wird. Zwischen 2001 und 2003 wurden 400.000 weitere transgene Weißpappel-Hybride 2 (genannt Hybrid Poplar 741) ausgepflanzt, die ebenfalls mit Bt-Toxinen ausgestattet sind. Die Verbreitung der zum kommerziellen Anbau zugelassenen Pappeln erfolgte auch über regionale Märkte. Da Pappeln über Stecklinge vermehrt werden können, steht für deren Verbreitung ein mehr oder weniger unbegrenztes Potenzial zur Verfügung. Daher ist der genaue Standort vieler dieser gentechnisch veränderten Bäume nicht bekannt.
Die Pollen und Samen der Pappeln werden vom Wind verfrachtet, aber auch die Ausbreitung durch Flüsse und Bäche spielt eine Rolle, über die der Samen, aber auch Schwemmholz und „Stecklinge“ weit transportiert werden können. Pappeln können über 100 Jahre alt werden und sie können im Laufe ihres Lebens große Mengen an Pollen und Samen bilden. Selbst einzelne Bäume können unter günstigen Umständen ihr Erbgut regional und sehr weiträumig verbreiten. Da sich Pappeln auch über Wurzelschösslinge vermehren, kann eine unerwünschte Ausbreitung nicht allein durch Fällung unter Kontrolle gebracht werden.
Das ganz grundsätzliche Problem: Bei einer Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen, die in der Umwelt überleben und sich in natürlichen Populationen vermehren können, können keine ausreichend belastbaren Aussagen bezüglich der langfristigen Risiken gemacht werden. Insbesondere können in den vielen nachfolgenden Generationen Eigenschaften auftreten, die durch Wechselwirkungen mit den genetischen Hintergründen der Wildpopulationen oder durch bestimmte Umweltbedingungen verursacht werden. Zudem ist bei Bäumen die Frage, wie sich das zusätzlich eingefügte Genkonstrukt über deren gesamte Lebensdauer verhält.3

Esskastanien

Rückwirkend kann man sich fragen, ob die Freisetzungen der Gentechnik-Pappeln, heute noch als verantwortbar angesehen würden. Und tatsächlich stellt sich diese Frage mit neuer Aktualität: Denn in diesem Jahr wurde in den USA ein Antrag auf Deregulierung (d.h. unbegrenzte Freisetzung) von Esskastanienbäumen gestellt.4 Diese sollen gegen eine weitverbreitete Pilzkrankheit tolerant gemacht werden. Dazu wurde ein Gen aus Weizen eingeschleust, welches dazu führen soll, dass ein Stoff, den die Pilze produzieren, nicht länger giftig für die Bäume ist. Nach ihrer Freisetzung sollen sich die gv-Bäume dann in den natürlichen Populationen ausbreiten. Die Pilzkrankheit (chestnut blight, Cryphonectria parasitica) wurde ursprünglich unabsichtlich aus Asien importiert. Der pathogene Pilz produziert ein Toxin, das zu drastischen Verlusten bei den natürlichen Beständen der Bäume geführt hat. 2018 existierten in den betroffenen Regionen meist nur noch kleinere Bäumchen – Schösslinge, die aus den Wurzeln der abgestorbenen Bäume wachsen. Die Klone der gv-Bäume (Darling 58), deren Freisetzung jetzt erlaubt werden soll, sind erst drei Jahre alt und haben noch keine Blüten angesetzt. Entsprechend fehlen spezifische Daten bezüglich Samen- und Pollenbildung, der Genießbarkeit der Kastanien und der Auswirkungen von Alterung, Fortpflanzung und Hybridisierung auf die Eigenschaften der Transgene.
Esskastanien können über mehrere hundert Jahre alt werden und durchlaufen während dieser Zeit verschiedene Stadien von Wachstum, Blüte, Samenbildung und Alterung. Während dieser Zeit sind sie zudem vielfältigen Veränderungen ihrer Umwelt ausgesetzt, insbesondere dem fortschreitenden Klimawandel. Zudem gibt es weitere pathogene Pilze, wie Phytophthora cinnamomi, von denen bekannt ist, dass sie die Bäume ebenfalls befallen. Es ist weitgehend unbekannt, wie die gv-Bäume auf diese Schadpilze oder andere Stressoren reagieren. In Reaktion auf die unterschiedlichen Stressfaktoren ist es wahrscheinlich, dass die Bäume oder ihre Nachkommen Eigenschaften entwickeln, die ursprünglich, in der ersten Generation der gv-Bäume, nicht beobachtet wurden.
Wenn Pollen der gv-Bäume durch den Wind verbreitet werden oder ihre Samen durch menschliche Aktivität oder durch Tiere verschleppt werden, können sich die Bäume bzw. ihre Nachkommen unkontrolliert in den Wäldern ausbreiten. Ihre Gene könnten sich dann auch in den verbleibenden Wildpopulationen ausbreiten. Sollten dann Schäden an den Ökosystemen beobachtet werden, kann es längst zu spät sein, um die Bäume wieder aus der Umwelt zu entfernen. Auf diese und andere Mängel der Risikoabschätzung hat jetzt die britische Organisation GeneWatch in einer ausführlichen Stellungnahme hingewiesen. Besonders problematisch: es gibt Hinweise darauf, dass die Bäume dazu beitragen können, die Pilzkrankheit noch stärker zu verbreiten. Da die Pilze den transgenen Bäumen keinen Schaden zufügen, sich aber auf diesen Bäumen ungestört vermehren können, werden die transgenen Bäumen zu einem Reservoir für diese Pilzkrankheit, durch das der Infektionsdruck auf die natürlichen Bestände noch erhöht wird.5

Eukalyptus

Transgene Eukalyptus-Bäume werden in Brasilien im Freiland getestet.6 Es scheint derzeit unklar, inwieweit diese Bäume bereits in den Anbau gelangen. Die Ziele der gentechnischen Eingriffe sind insbesondere eine Erhöhung der Biomasse und Toleranz gegenüber Kälte.7

CRISPR-Gehölze

CRISPR wurde bisher an Gehölzen wie Äpfeln, Kakao, Cassava, Citrusbäumen, Kaffee, Trauben, Kiwi, Granatäpfeln und Pappeln versucht. Allerdings ist die Anwendung der Gen-Schere hier nicht ganz einfach: Es gibt erhebliche Probleme mit dem heterogenen Erbgut der Bäume, das sich einem präzisen ‚Schnitt‘ leicht entziehen kann. Auch eine Anzucht der Bäume aus Zell-Klonen ist kompliziert. Derzeit wird nach technischen Lösungen für diese Probleme gesucht.8 In einer Liste der Landwirtschaftsbehörde der USA mit rund 80 Organismen aus neuer Gentechnik, die zur Freisetzung freigegeben werden, finden sich keine Waldbäume, aber Citrusbäume mit Resistenz gegen eine bakterielle Krankheit (Xanthomonas citri ssp. Citr) und zwei Avocadobäume. In einem Fall gelten alle Daten als vertrauliche Geschäftsinteressen, im anderen Fall soll die Bräunung der Avocados nach der Ernte verzögert werden.9

 

  • 1Then, C. (2020): Gentechnik gefährdet den Artenschutz. Online: www.testbiotech.org/node/2436 [letzter Zugriff: 19.10.20].
  • 2Es gibt verschiedene Pappelarten, die miteinander gekreuzt werden können. Die Nachkommen nennt man Hybride, sie werden vor allem im Plantagenanbau oft verwendet.
  • 3Bauer-Panskus, A./Miyazaki, J./Kawall, K. et al. (2020): Risk assessment of genetically engineered plants that can persist and propagate in the environment. In: Environmental Sciences Europe 32, 32, doi: 10.1186/s12302-020-00301-0.
  • 4Animal and Plant Health Inspection Service (2020): Petition for Determination of Nonregulated Status for Blight-Tolerant Darling 58 American Chestnut (Castanea dentata). Online: www.kurzelinks.de/gid255-pm oder https://beta.regulations.gov/ [letzter Zugriff: 19.10.20].
  • 5GeneWatch (2020): Submission to USDA APHIS docket APHIS-2020-0030. Petition for Determination of Nonregulated Status for Blight-Tolerant Darling 58 American Chestnut. Online: www.kurzelinks.de/gid255-pk oder www.genewatch.org [letzter Zugriff: 19.10.20].
  • 6Da Silva, P.H.M./Abrahão, O.S. (2020): Gene flow and spontaneous seedling establishment around genetically modified eucalypt plantations. In: New Forests, doi: 10.1007/s11056-020-09800-7.
  • 7Lorch, A. (2010): Kältetoleranter Eukalyptus. In: Gen-ethischer Informationsdienst, Nr. 201, S.14-17. Online: www.kurzelinks.de/gid255-pd oder www.gen-ethisches-netzwerk.de [letzter Zugriff: 19.10.20].
  • 8Wang J./Wu H./Chen Y./Yin T. (2020): Efficient CRISPR/Cas9-Mediated Gene Editing in an Interspecific Hybrid Poplar With a Highly Heterozygous Genome. In: Frontiers in Plant Science, doi: 10.3389/fpls.2020.00996.
  • 9USDA (2020): Regulated Article Letters of Inquiry. Online: www.kurzelinks.de/gid255-pl oder www.aphis.usda.gov. [letzter Zugriff: 19.10.20].
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
255
vom November 2020
Seite 23 - 24

Christoph Then ist Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Testbiotech und Sprecher des internationalen Bündnisses No Patents on Seeds (Keine Patente auf Saatgut), www.no-patents-on-seeds.org.

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