Erprobungsanbau oder Machtdemonstration?

Der Mais ist gesät, soviel ist schon mal sicher. Wo er aber langsam aus der Kruste sprießen wird, ist derzeit unklar. Die Standorte bleiben geheim. Erprobungsanbau mit gentechnisch verändertem Bt-Mais in Deutschland. Ein kurzer Einblick.

Seit dem vergangenen Herbst läuft der Streit um den Erprobungsanbau mit gentechnisch verändertem Mais. Der Anbau wurde vor allem von der in Halle an der Saale ansässigen Bio Mitteldeutschland GmbH, namentlich von ihrem Geschäftsführer Dr. Jens Katzek, gewünscht und vorangetrieben. Den Gentech-Fans hatten aber im Herbst die Verbände der Bauern die Kooperation versagt. Mittlerweile ist die Federführung in dieser Sache an den Verein Innoplanta Nordharz Börde e.V. übergegangen, der sich für die Förderung der Pflanzen-Biotechnologie in der Region einsetzt. Mit Saatgut, das vom Bundessortenamt (BSA) im Rahmen des Saatgutverkehrsgesetzes für einen begrenzten Anbau freigegeben wurde, führt der Verein nun einen Erprobungsanbau mit gentechnisch verändertem Mais durch. Dieser Erprobungsanbau und seine wissenschaftliche Begleitung soll eine Datenbasis für die mögliche Verbreitung der gentechnischen Eigenschaften unter Praxisbedingungen liefern.

Weitgehend unbekannt

Die Felder befinden sich nach Angaben des Internet-Portals www.erprobungsanbau.de in sieben verschiedenen Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen); insgesamt seien neunundzwanzig Betriebe mit Flächengrößen von einem bis zu zwanzig Hektar beteiligt. Welche Betriebe dies genau sind, ist nach wie vor weitgehend unbekannt. In Bayern zum Beispiel beteiligen sich neben drei staatlichen Gütern, darunter das Gut Grub im Landkreis Ebersberg, sieben privat wirtschaftende Bauern. In Sachsen-Anhalt ist ebenfalls nur der Standort eines der insgesamt sechs Versuchsfelder bekannt, dies ist landeseigen und liegt in der Nähe der Gemeinde Iden in der Altmark. Die wissenschaftliche Begleituntersuchung wird von Prof. Eberhard Weber vom Institut für Pflanzenzüchtung und Pflanzenschutz an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg geleitet. Dabei werden die Versuche wie folgt durchgeführt: Neben dem Bt-Mais (1 bis 20 Hektar große Kernparzelle) wird konventioneller Mais angebaut (Mindestbreite 60 m), um darin die Einträge der gentechnisch veränderten Sorten zu bestimmen. Die Vorgaben zum Anbaudesign sind für alle Anbauversuche an den neunundzwanzig Standorten gleich. Prof. Weber ist der Meinung, dass "Ohne Bt-Mais (...) der Anbau [von Mais wegen der Schädigungen durch den Maizünsler] in einigen Gebieten - in Ostdeutschland etwa im Oderbruch - möglicherweise eingestellt werden" müsse. Darauf müsse die Pflanzenzüchtung vorbereitet sein. Der Bt-Mais trägt ein Gen des Boden-lebenden Bakteriums Bacillus thuringiensis. Dieses Gen versetzt den Mais in die Lage, ein Insektengift, das so genannte Bt-Toxin zu produzieren.

Verstoß gegen europäisches Recht

Mindestens umstritten ist derzeit, ob die Flächen öffentlich gemacht werden müssen: Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hat gemeinsam mit dem Bio-Anbau-Verband Bioland, der Umweltorganisation Greenpeace und dem Biofleisch-Netzwerk Neuland eine Musteranfrage für Bauern und Bürger erstellt. Die Vertreter der Organisationen sind der Meinung, die Geheimhaltung verstoße gegen europäisches Recht, genau genommen gegen die Freisetzungsrichtlinie der EU, die ein öffentliches Anbaukataster verlangt. Mit der Anfrage können Bauern und Bürger die Nennung der Flächen beantragen. In Sachsen-Anhalt zumindestens ist den Behörden nicht hundertprozentig klar, wer zuständig ist. Ein Behördenvertreter verwies auf das Bundessortenamt, der Greenpeace- Experte Henning Strodthoff hält die Landesbehörden für zuständig, wie es das Gentechnikgesetz vorsieht. Die Landwirtschaftsministerin von Sachsen-Anhalt, Petra Wernicke, CDU, räumte Anfang Mai erstmals ein, dass bei der Planung des Erprobungsanbaus Fehler gemacht worden seien. Eine derart starke Ablehnung in der Öffentlichkeit habe sie nicht erwartet. Man müsse, so die Ministerin weiter, "in Zukunft über jeden Schritt öffentlich informieren." Auch den Mitarbeitern ihres Ministeriums waren zu diesem Zeitpunkt die Standorte nicht bekannt, die Ministerin forderte allerdings die beteiligten Landwirte auf, selber ihre Anbauflächen bekannt zu geben.

Quellen:

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
164
vom Juni 2004
Seite 24

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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