BMBF mit sich zufrieden

25 Jahre „Sicherheitsforschung“ mit gv-Pflanzen

Mit einer neuen Publikation über die biologische Sicherheitsforschung an gentechnisch veränderten Pflanzen begeht das Bundesministerium für Bildung und Forschung das 25-jährige Jubiläum der Förderung dieses Forschungszweiges. Das Ministerium verpasst die Gelegenheit, sich der Kritik zu stellen.

Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte das Bundesforschungsministerium (BMBF) die Broschüre „25 Jahre BMBF-Forschungsprogramme zur biologischen Sicherheitsforschung“.1 Darin feiert das BMBF in erster Linie sich selbst und die eigene Arbeit. Mitfeiern - im übertragenen Sinne - dürfen nur geladene Gäste. Diese sind hinlänglich bekannt: Joachim Schiemann, Stefan Rauschen, Inge Broer oder Karl-Heinz Kogel - um nur einige zu nennen - haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder erfolgreich an den Ausschreibungen des Ministeriums beteiligt.2 Herausgekommen ist immer, dass es keine (Gentechnik-spezifischen) Risiken bei der Nutzung gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen gibt. So entsteht ein strahlendes Bild der Agro-Gentechnik - ohne Makel. Ob auch die Förderung der Biosicherheitsforschung durch das Ministerium so glänzend dasteht, bleibt mindestens offen; es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln. Dem Ministerium ist es mit dieser Forschung in all den Jahren nicht nur nicht gelungen, Zweifel und Kritik an der Agro-Gentechnik - und der Sicherheitsforschung - auszuräumen. Vielmehr hat es sich selbst in eine Lage manövriert, in der es bei vielen KritikerInnen eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung wahrgenommen wird.

Die Gründe für diese Entwicklung können beispielhaft auch anhand der Broschüre zum Jubiläum herausgearbeit werden. By the way: Schon in der Begrifflichkeit Risiko- oder Sicherheitsforschung liegt ein Dissenz zwischen Freundinnen und Freunden der Agro-Gentechnik und deren KritikerInnen. Das Ministerium - so der Verdacht - glaubt, mit der Forschung für Sicherheit sorgen zu können, während die KritikerInnen glauben, mit der Forschung könne - im besten Fall - das Risiko vermindert werden.3

Kritische Fragen bleiben unberücksichtigt

Viele wirklich kritische Fragen der Risikoforschung werden vom Ministerium und der von ihm geförderten Sicherheitsforschung nicht tangiert. Zum Beispiel ist der uneingeschränkte Zugang zum Untersuchungsmaterial bis heute nicht gewährleistet. Für die Risikoforschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen wird in den meisten Fällen Material der gv-Pflanzen und der so genannten isogenen Linien benötigt - also derjenigen Pflanzenlinien, die nicht gentechnisch verändert wurden, ansonsten jedoch den gv-Pflanzen entsprechen. Die Gentech-Firmen haben das letzte Wort, wenn es um die Frage geht, wer mit welchem Material welche Fragen untersuchen darf. Und dieses Mitspracherecht haben sie auch genutzt, wie ein Blick in die Unterlagen des BMBF-Biosicherheitsprogramms gezeigt hat: Dort finden sich klare Hinweise darauf, dass Monsanto für bestimmte Fragestellungen das Material nicht zur Verfügung gestellt hat. Das Phänomen ist auch international mehrfach beschrieben worden.4 Darauf angesprochen kommt aus dem Bundesministerium vor allem eines: Schweigen.

Auch ist es dem Programm des BMBF in den vergangenen 25 Jahren nicht gelungen, auch nur ein wirklich interessantes Detail zur Praxis der Risikoforschung an gv-Pflanzen ans Tageslicht zu bringen. Es war die Arbeitsgruppe des französischen Molekularbiologen Gilles-Eric Séralini, die vor kurzem zutage brachte, dass das Futter, das die Kontrollgruppe bei Tierfütterungsstudien bekommt, mit gentechnisch verändertem Material verunreinigt ist. Diese Erkenntnis hat gravierende Folgen für die Aussagekraft der mit diesem Futter durchgeführten Studien und müsste Änderungen in der Methodik nach sich ziehen. Doch derartig einfache, wenngleich extrem wichtige Details sucht man in den Ergebnissen der BMBF-geförderten Projekte vergeblich.5

BMBF vertritt Interessen der Gentech-Industrie

Stattdessen hat sich das BMBF zum willfährigen Vertreter der Interessen industrienaher WissenschaftlerInnen und letztendlich auch der Gentech-Industrie gemacht. Zum Beispiel hat das Ministerium in den vergangenen Jahren im Rahmen seiner Biosicherheitsprogramme mehrfach auch die Entwicklung der Gentechnik gefördert. Die Forderung von KritikerInnen, dass die Entwicklung von entsprechenden - zum Beispiel molekularbiologischen - Verfahren beziehungsweise Schutzmechanismen Aufgabe der Entwickler selbst sei und auch von diesen finanziert werden müsse, verhallte im Ministerium nicht nur ohne Resonanz, letztendlich ist man dort mit diesem Vorgehen - trotz der Kritik - völlig im Reinen. Das wird auch aus dem folgenden Zitat aus der Broschüre deutlich: „Das BMBF hat zahlreiche Projekte gefördert, in denen Konzepte [der biologischen Abschottung] entwickelt und deren Verlässlichkeit überprüft wurden. Zu den sogenannten biologischen Einschlussmethoden gehören beispielsweise Verfahren, die dazu führen, dass die gentechnisch veränderten Pflanzen die neu eingeführten Gene nicht im Pollen enthalten. Eine Auskreuzung auf konventionelle Pflanzen  über den Pollenflug wäre damit ausgeschlossen.“6 Hintergrund der Kritik ist insbesondere, dass die begrenzten Mittel der Risikoforschung nicht zur Entwicklung von Biosicherheitsverfahren eingesetzt werden dürfen, sondern allein zur Prüfung derselben.

Seit Jahren in der Kritik

Joachim Schiemann vom Institut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen am Julius Kühn-Institut ist nach Posten und Funktion der wichtigste Vertreter der staatlichen Forschung zum Risiko gentechnisch veränderter Pflanzen. Insofern ist es in der Logik des Bundesforschungsministeriums nur konsequent, dass Schiemann an prominenter Stelle der Jubiläums-Broschüre zu Wort kommt. Gleichzeitig ist er eine der umstrittensten Personen in diesem Bereich in Deutschland und darüber hinaus. Er steht seit Jahren im Zentrum eines gentechnikfreundlichen Biosicherheits-Netzwerks - und der Kritik daran. Beispiele sind vielfach dokumentiert.7 Nicht zuletzt sein Beitrag im Vorwort der BMBF-Broschüre liefert einen weiteren Beleg für die fehlende Distanz zur Gentech-Industrie:  Als Beispiel für aktuelle Prozesse in der Sicherheitsforschung verweist Schiemann ohne jede Einschränkung auf die internationalen Symposien zur biologischen Sicherheitsforschung, namentlich auf dessen 14. Auflage im November 2014 in Südafrika. Ein Blick in die Sponsorenliste offenbart eine Nähe zu der interessierten Industrie, wie sie sich für wissenschaftliche Organisationen und Kongresse verbieten sollte. Praktisch alle wichtigen globalen Unternehmen der Agro-Gentech-Branche haben das Treffen finanziell unterstützt: Bayer CropScience, Dow Agroscience, Pioneer-DuPont, Monsanto und Syngenta.8

Warum in der Broschüre „25 Jahre BMBF-Forschungsprogramme zur biologischen Sicherheitsforschung“ nur Forschungsprojekte der Jahre 2001 bis 2011 vorgestellt werden, bleibt das Geheimnis der Redaktion. Diese war im Übrigen mit bekannten Personen der deutschen Biosicherheitsszene besetzt: Klaus Minol und Gabriele Völcker von der genius GmbH in Darmstadt und Gerd Spelsberg von i-bio Information Biowissenschaften, Aachen, sind seit langem dabei, wenn es darum geht, die Sicherheit der Agro-Gentechnik zu kommunizieren - sei es nun mit staatlichen Geldern wie beispielsweise bei dem Portal www.biosicherheit.de oder mit staatlichen und Industriegeldern, wie zum Beispiel bei www.transgen.de. Der GID hat in der Vergangenheit über beide - die WissenschaftlerInnen wie deren KommunikationsagentInnen - häufig berichtet.9

Verschenkte Gelegenheit

Last but not least - und das ist vielleicht der wichtigste Punkt - hat es das BMBF nicht geschafft, WissenschaftlerInnen durch seine Förderprogramme zu einem kritischen Verständnis bei der Prüfung gentechnisch veränderter Pflanzen zu ermuntern und eine lebendige Forschungsszene für Risikoforschung zu entwickeln. Diese Chance hat das Ministerium leichtfertig verschenkt. Vielmehr erscheint diese Szene als verschworener Club von relativ wenigen, wenngleich einflussreichen VertreterInnen einer sehr überschaubaren Zahl wissenschaftlicher Institutionen. Die - oben genannten - zum Mitfeiern eingeladenen VertreterInnen bilden dessen sichtbare Spitze.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
232
vom Oktober 2015
Seite 25 - 26

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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