TTIP 2.0 durch die Hintertür?

Handelsabkommen könnte auch Folgen für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen haben

Längst führt die EU wieder Verhandlungen zu Handelsabkommen mit den USA. In Sachen Transparenz fallen diese weit hinter TTIP zurück und auch für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen könnten sie fatale Folgen haben.

Massive Proteste sorgten vor einigen Jahren dafür, dass das geplante Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit den USA (TTIP) unter der Amtszeit von US-Präsident Obama nicht zum Abschluss gebracht werden konnte. Unter anderem die Befürchtung, dass Kennzeichnungs- und Zulassungsregeln für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der EU verwässert und GVOs schneller zugelassen werden könnten, brachte damals viele Menschen auf die Straße. Seit 2018 finden neue Gespräche über Handelsabkommen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten statt, und auch diese könnten weitreichende Folgen haben.1

Verhandlungen im Verborgenen

Im Juli 2018 veröffentlichten EU-Kommissionspräsident Juncker und US-Präsident Trump eine gemeinsame Erklärung, in der es hieß, dass sie den Abbau von Zöllen, „nicht-tarifären Handelshemmnissen“ sowie Subventionen auf industrielle Güter anstreben.2 Zudem solle der Handel ausgebaut werden – unter anderem in so umstrittenen Bereichen wie LNG/Flüssiggas und Sojabohnen. Trotz der breiten Proteste gegen eine Handelspolitik aus geheimen Hinterzimmern werden die Gespräche unter intransparenten Bedingungen geführt. Entgegen der im Rahmen der TTIP-Proteste eingeführten Praxis der EU-Kommission, Termine und Ergebnisberichte der Verhandlungsrunden sowie ihre eigenen Positionen zu veröffentlichen, dringen bei den aktuellen Verhandlungen nahezu keine Informationen an die Öffentlichkeit.

Bereits Anfang 2019 verkündete die EU-Kommission erste Fortschritte der Gespräche: Unter anderem sei der Import von Sojabohnen aus den USA erleichtert worden und im Vergleich zum Vorjahr bereits um 114 Prozent gestiegen.3 Bei einem Großteil des US-Sojas handelt es sich um gentechnisch veränderte Sorten, die mit Glyphosat und/oder anderen giftigen Pestiziden behandelt wurden. Erst kurz zuvor waren Kraftstoffe auf Sojabasis als „nachhaltig“ eingestuft worden – vermutlich als Geschenk an die USA, um Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Ebenfalls im April 2019 akzeptierte der EU-Rat zwei Mandate, die den Rahmen der Verhandlungen abstecken. Sie decken den Abbau von Zöllen sowie die Zusammenarbeit bei Konformitätsbewertungen ab – im weitesten Sinne also Fragen der regulatorischen Kooperation, die immer mit der Gefahr einer Absenkung von Standards einhergeht.

Seitdem ist vieles völlig unklar. Die aktuellen Verhandlungen sind weniger umfassend als das ursprüngliche TTIP, insbesondere die besonders umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne stehen derzeit nicht zur Diskussion. Doch die Verhandlungen finden unter enormem politischem Druck statt: Im Frühjahr 2018 verhängte Trump Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium, seitdem droht er mit der Einführung von Auto-Zöllen. Um diese abzuwenden, will die EU den USA mit möglichst großzügigen Angeboten entgegenkommen. Dafür eignet sich in erster Linie der Agrarbereich, an dem die USA ein offensives Interesse haben. Eigentlich will ihn die EU aus den Verhandlungen ausklammern und dadurch ein Wiederaufflammen der Proteste gegen Chlorhühnchen, Hormonfleisch und Genfood vermeiden. Doch Stimmen aus der EU-Kommission warben immer wieder dafür, in den Verhandlungen zur regulatorischen Kooperation auch Fragen der Lebensmittelsicherheit einzubeziehen.

GVO-Zulassung durch die Hintertür?

Nachdem Medien im April berichteten, dass die EU auch während der Coronapandemie eine Intensivierung der regulatorischen Kooperation mit den USA anstrebe, wandte sich Friends of the Earth Europe gemeinsam mit über 70 weiteren NGOs mit einem Offenen Brief an EU-Handelskommissar Phil Hogan. Sie äußerten ihre Befürchtung, dass in diesem Zusammenhang auch eine beschleunigte Zulassung von GVO auf dem Verhandlungstisch landen könnte, und forderten, die geltenden Standards nicht zu verwässern.4 Auch das GeN unterzeichnete den Brief.

Im Programm für die aktuelle deutsche EU-Ratspräsidentschaft schreibt die Bundesregierung: eine „umfassende und aktive Zusammenarbeit“ mit den USA erreichen zu wollen, einschließlich einer „positiven transatlantischen Handelsagenda“. Wie bei den TTIP-Verhandlungen wird auch dieses Mal die entscheidende Frage lauten: Positiv für wen?

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
254
vom August 2020
Seite 27

Anne Bundschuh arbeitet beim Forum Umwelt und Entwicklung und koordiniert dort das Netzwerk Gerechter Welthandel. Von 2012 bis 2017 war sie Mitarbeiterin des GeN.

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