Freier Marktzugang für GVO?

Das pazifische Freihandelsabkommen bedroht Gentechnikregulierung

Das Trans-Pazifische Partnerschaftsabkommen (TPP) wurde kürzlich unterzeichnet, nun liegt es den elf Vertragsstaaten zur Ratifizierung vor. Eine Analyse des Third World Network zeigt, wie das Abkommen die Gentechnikregulierung in Malaysia und anderen Importländern unterlaufen könnte.

Auf internationaler Ebene gibt es zwei Abkommen, die für den Handel mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) relevant sind: das Cartagena Protokoll über die Biologische Sicherheit und der Codex Alimentarius.1 Beide erkennen die Risiken an, die von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Pflanzen ausgehen und plädieren für eine umfassende Bewertung durch nationale Behörden.

In Malaysia wurde 2007 ein Biosicherheits-Gesetz erlassen, das GVO sowie die daraus hergestellten Produkte reguliert. Gemäß diesem Gesetz ist die bewusste Freisetzung von GVO 2 ebenso wie deren Vermarktung und der Import nur erlaubt, wenn sie von den zuständigen Behörden zugelassen wurden. Wie in den meisten Staaten weltweit, gilt also auch in Malaysia eine so genannte „Nulltoleranz“ für nicht genehmigte GVO: Ohne vorherige Zulassung darf kein GVO importiert werden.

Geringfügige Verunreinigungen

Getreide und Ölsaaten für die Lebens- und Futtermittelproduktion, zum Beispiel Mais und Sojabohnen, werden rund um den Globus in riesigen Einheiten gehandelt und verschifft. Einige TPP-Mitgliedstaaten, darunter die USA, Kanada, Australien und Chile, kultivieren und exportieren unter anderem auch gentechnisch veränderte Sorten. In den übrigen TPP-Staaten, inklusive Malaysia, findet überwiegend ein Import statt.

Verglichen mit den bereits existierenden Freihandelsabkommen der USA enthält das TPP viel genauere und umfassendere Regeln für den Handel mit GVO. Sie sind in Artikel 2.29 festgehalten, dessen Absicht ganz klar ist: GVO soll möglichst weitgehender Marktzugang und ungehinderter Handel zuteil werden. Artikel 2.29 enthält unter anderem Vorschriften zur transparenten Entscheidungsfindung bezüglich GVO, zum Austausch von Informationen in handelsbezogenen Fragen sowie zum Umgang mit geringfügigen Verunreinigungen.

Eine Fußnote zu Artikel 2.29 definiert geringfügige Verunreinigung als „das unbeabsichtigte Vorhandensein einer geringen Menge von Pflanzenmaterial mit transgener DNA in einer Lieferung von Pflanzen oder pflanzlichen Produkten (...), das in mindestens einem Staat, aber nicht im Importstaat, für die Verwendung zugelassen ist“. Die Fußnote enthält jedoch keine Quantifizierung für geringfügige Verunreinigungen. Welcher Anteil an nicht genehmigten GVO in den Frachtladungen zulässig sein soll, lässt das TPP somit offen. Im Rahmen der Implementierung werden die Importländer wahrscheinlich einen Schwellenwert bestimmen müssen. Dieser Schwellenwert könnte - in Verbindung mit der Angemessenheit der Maßnahmen, die ein Importland durchführt, wenn es zu Verunreinigungsfällen kommt - zu Schiedsgerichtsklagen führen (siehe unten).

Freie Hand für Exportländer

Um das Risiko eines zukünftigen Verunreinigungsfalles zu verringern, verpflichtet das TPP die exportierenden Staaten zur Weitergabe von Informationen - aber nur dann, wenn diese Informationen „verfügbar“ und „Gegenstand der nationalen Gesetze, Regulierungen und Politik“ sind. Die Informationsweitergabe erfolgt zudem nicht automatisch, sondern muss vom Importland angefordert werden, und das Exportland hat kaum konkrete Verpflichtungen. Beispielsweise muss es das exportierende Unternehmen nicht zu einer Zusammenarbeit mit dem Importland verpflichten, sondern lediglich zur Informationsweitergabe „ermutigen“.

Viel konkretere Auflagen für die Exportländer enthalten demgegenüber das Cartagena Protokoll sowie die entsprechenden Richtlinien des Codex Alimentarius. Dort heißt es unter anderem, dass die Codex-Mitgliedsländer bestimmte Informationen „in einer öffentlich zugänglichen Datenbank verfügbar machen sollen“, unter anderem eine Zusammenfassung der Sicherheitsbewertung sowie ein Hinweis darauf, wo Nachweismethoden und Referenzmaterial bezogen werden können.

Alle TPP-Vertragsstaaten sind Mitglied der Codex Alimentarius Kommission und sollten in gutem Glauben an dieser international vereinbarten Richtlinie festhalten. Im TPP haben sie jedoch weniger strenge und rechtlich bindende Bestimmungen verankert. Die Hälfte der TPP-Vertragsstaaten ist außerdem Mitglied im Cartagena Protokoll: neben Malaysia auch Vietnam, Japan, Peru, Mexiko und Neuseeland. Die anderen Staaten - USA, Kanada, Australien, Chile, Singapur und Brunei - sind es nicht. Statt sie jedoch ebenfalls auf die gleichen Standards zu verpflichten, schreibt das TPP viel niedrigere Standards fest.

Unklare Rechte des Importlandes

Wenn in einer Schiffsladung eine geringfügige Verunreinigung mit GVO festgestellt wird, kann der betroffene TPP-Vertragsstaat nach Artikel 2.29 darüber entscheiden, ob die Ladung vernichtet werden soll. Dabei muss er jedoch sicherstellen, dass seine durchgeführten Maßnahmen „angemessen“ sind. Wenn ein anderer TPP-Vertragsstaat die Reaktion als unangemessen ansieht, kann er auf den zwischenstaatlichen Streitschlichtungsmechanismus zurückgreifen und eine Schiedskommission ins Leben rufen. Sollte deren Prüfung ihm Recht geben, kann er den unterlegenen Staat letztendlich zur Zahlung einer Entschädigung verpflichten oder auch die Zölle auf bestimmte Exporte aus diesem Land anheben, bis dieser die Unvereinbarkeit beseitigt oder bis eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden wurde.

Darüber hinaus kann die Angemessenheit einer vom Importland verhängten Maßnahme indirekt auch zum Gegenstand einer so genannten ISDS-Klage werden, bei der ein ausländischer Investor Schadensersatz von einem Staat verlangen kann (engl. Investor State Dispute Settlement). Dann entscheidet ein Schiedsgericht darüber, was „angemessen“ ist. Angesichts der Unklarheit darüber, was genau eine geringfügige Verunreinigung ausmacht und welche Maßnahmen angemessen sind, ist dessen Entscheidung schwer vorherzusehen. Das Risiko, die Klage zu verlieren und hohe Entschädigungszahlungen leisten zu müssen, könnte zu einem regulatorischen Stillstand führen: Malaysia - oder jedes andere beklagte Land - könnte in solch einer Situation zögern, die für den Schutz von Umwelt und Gesundheit nötigen Schritte zu ergreifen.

Artikel 25 des Cartagena Protokolls bezeichnet geringfügige Verunreinigung mit GVO als „illegale grenzüberschreitenden Transporte“ und stellt ganz klar fest:

„1. Jeder Vertragsstaat soll angemessene nationale Maßnahmen treffen mit dem Ziel, grenzüberschreitende Transporte von GVO zu verhindern und, wenn angemessen, zu bestrafen.

2. In Fällen von illegalen grenzüberschreitenden Transporten kann der betroffene Vertragsstaat den exportierenden Staat dazu verpflichten, die GVO auf eigene Kosten durch Rücknahme oder Zerstörung - je nach Angemessenheit - zu beseitigen.“

Die Cartagena-Mitgliedstaaten haben also das Recht, strikte und entschlossene Maßnahmen zu treffen, wenn es zu geringfügigen Verunreinigungen mit GVO kommt. Das schließt Entschädigungszahlungen und die Zerstörung der betreffenden Ladung auf Kosten des Exportstaates mit ein.

Absenkung von Standards

Das malaysische Biosicherheits-Gesetz schreibt vor, dass alle GVO, die importiert werden, über eine gültige Genehmigung verfügen müssen. Ist das nicht der Fall, können sie beschlagnahmt oder vernichtet werden. Gegen die Verantwortlichen können Geld- oder Gefängnisstrafen verhängt werden. Diese Maßnahmen werden vom Cartagena Protokoll ausdrücklich gedeckt. Auch die Richtlinie des Codex Alimentarius schreibt ganz klar vor, dass Exportländer und -unternehmen die Regeln des Importlandes - die auch eine Nulltoleranz beinhalten können - in Bezug auf Fälle geringfügiger Verunreinigung respektieren müssen. Das gilt in dieser Form nicht für das TPP.

Wenn sich die Importländer explizit dafür entschieden hätten, geringfügige Verunreinigungen zu akzeptieren, hätten sie die höheren Standards der Codex Alimentarius Kommission und des Cartagena Protokoll für Biosicherheit implementieren können. Diese garantieren einen besseren Schutz und mehr Rechte für die Importländer als das geplante TPP. In der gegenwärtigen Situation werden sie diese Standards aber möglicherweise nicht mehr implementieren.

Stimmen aus der Industrie zufolge wird Artikel 2.29 die TPP-Staaten dazu „ermutigen, ihre Zulassungsverfahren zu vereinheitlichen, was letztendlich zu einer geringeren Anzahl an geringfügigen Verunreinigungen führen könnte“.3 Traurigerweise könnten die Verunreinigungsfälle tatsächlich deswegen verringert werden, weil Importländer entweder dieselben GVO zulassen werden wie die Exportländer, oder weil sie die Einfuhr illegaler, mit GVO verunreinigter Ladungen, erlauben, sobald sie dem TPP beitreten. Unter dem Strich wird ein Importstaat wie Malaysia möglicherweise einfach dazu übergehen, sein Recht auf die Zurückweisung nicht zugelassener GVO sowie auf die Durchführung von Risikobewertungen nicht zu verteidigen.

 

Übersetzung: Anne Bundschuh

Der Text ist eine stark gekürzte und redaktionell bearbeitete Übersetzung einer im Januar 2016 veröffentlichten Analyse. Download unter www.twn.my beziehungsweise www.kurzlink.de/gid234_t.

 

  • 1Das Cartagena-Protokoll ist das einzige internationale Abkommen, das speziell für die Regulierung von GVO entworfen wurde (siehe auch auf S. 50 in diesem GID; Anm.d.Übers.). Die Codex Alimentarius-Kommission, eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), setzt internationale Normen für die Lebensmittelsicherheit.
  • 2Im Original des Textes wird teilweise der Begriff Living Modified Organisms (LMO), also „lebende veränderte Organismen“, verwendet, der sich jedoch nur in einigen wenigen technischen Details vom Begriff des gentechnisch veränderten Organismus (GVO) unterscheidet (Anm.d.Übers.).
  • 3Inside US Trade, 17. November 2015.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
234
vom Februar 2016
Seite 41 - 42

Lim Li Ching ist langjährige Mitarbeiterin im Biosicherheits-Programm des Third World Network, einer internationalen Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Malaysia.

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Lim Li Lin ist langjährige Mitarbeiterin im Biosicherheits-Programm des Third World Network, einer internationalen Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Malaysia.

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