Carlsbergs Gerste, Müllers Verlust?

Statt Innovation und Vielfalt, fördern Patente vor allem große Unternehmen

Der Fall vom Ökozüchter Dr. Karl-Josef Müller zeigt wie Patente auf Saatgut Unsicherheiten schaffen und die Züchtung beschränken. Statt Innovation und Vielfalt, fördern Patente auf Saatgut vor allem große Unternehmen. Dabei gehen Patente Hand in Hand mit der Gentechnik.

Schild Saatgut Seeds

Foto Jenny Whitney auf unsplash

Vielfalt ist die Basis der Pflanzen- und Tierzucht. Die Grundlage der Vielfalt ist die genetische Information in den Zellen, die daher eine wichtige Ressource darstellt. Der Zugang hierzu wird durch private Eigentumsrechte beschnitten und verhindert damit Vielfalt. Deswegen macht sich das Gen-ethische Netzwerk, zusammen mit vielen weiteren, in dem Verein Keine Patente auf Saatgut! gegen solche ausschließenden Eigentumsrechte stark. Leider nicht immer mit Erfolg, wie das Beispiel eines Patentes zeigt:

Seit dem 8. Juni 2021 ist klar, dass der Getränkehersteller Carlsberg ein Patent auf eine Gerste und das entsprechende Bier hält.  Die Gerste, mit einem geringeren Gehalt an Dimethylsulfid soll gebraut zu besonders wohlschmeckendem Bier führen. Laut Patentschrift (EP 2 373 154) gilt Carlsberg nun als Erfinder des Saatguts, der Pflanzen, ihrer Ernten sowie Lebensmitteln und Getränken, die aus dieser Gerste hergestellt werden. Bei Verwendung einer oder mehrerer dieser Elemente muss eine Gebühr an den Konzern entrichtet werden oder es kann zu einer Klage kommen. Carlsberg kann die Verwendung auch vollständig untersagen. Keine Patente auf Saatgut! hatte gegen das Patent Einspruch erhoben – leider erfolglos.

Sortenschutz und Patente: ein Widerspruch?

Patente wie dieses sind vor allem für die Pflanzenzucht ein Problem. Am Anfange des Zuchtprozesses steht das Saatgut einer oder mehrerer vorhandener Sorten. Durch genetische Diversität, Kreuzung und Selektion sowie Mutationen können neue Eigenschaften und Sorten entstehen. Patentinhaber*innen können die Verwendung zur Zucht untersagen und somit die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Eigenschaften verknappen. Damit geht das Patentrecht einen ganzen Schritt weiter als der Sortenschutz, eine andere Art des geistigen Eigentums an Pflanzensorten, der die Züchtung mit geschützten Sorten allerdings ausdrücklich erlaubt. Um den Sortenschutz zu erhalten muss die neue Sorte nachweisbar homogen, beständig und unterscheidbar zu anderen Sorten sein. Der Sortenschutz kann am Ende des Zuchtprozesses erhalten werden, Patente auf Eigenschaften hingegen schon im laufenden Zuchtprozess.

Dies schafft Unsicherheiten, wie der aktuelle Fall vom ökologischen Züchter Dr. Karl-Josef Müller von Cultivari zeigt: „Nachdem wir über 20 Jahre mit Gerstenpflanzen gezüchtet hatten, mussten wir kurz vor der Registrierung unserer neuen Sorte feststellen, dass Carlsberg eine Gerste mit ähnlichen Eigenschaften zum Patent angemeldet hatte“, sagt Dr. Karl-Josef Müller. „Wir hätten damit nicht nur die Gebühren für die Registrierung der eigenen Sorte bezahlen müssen, sondern es drohten auch erhebliche Kosten für unerwartete rechtliche Fragen. Das ist für uns schlichtweg nicht finanzierbar.“  Dr. Karl-Josef Müller hatte Glück, denn das Patent von Carlsberg (WO2019134962), um das es hier ging, wurde vor kurzem zurückgezogen.

Hürden und Ungleichheit

Um Unsicherheiten zu schaffen braucht es also nicht einmal die Durchsetzung von Patenten, das alleinige Vorhandensein der Möglichkeit kann abschreckend wirken. Zwar ist es möglich über Datenbanken im Internet viele angemeldete und erteilte Patente einzusehen, jedoch braucht es ein gewisses Vokabular und Sachverständnis um die Schriften verstehen und interpretieren zu können. Ganz ähnlich ist es auch bei der Patentierung und vor allem dem Einklagen von Verstößen. Auch hier bedarf es Know-how, Zeit und Geld, um Verstöße zu bemerken und rechtlich zu verfolgen. All dies ist für größere, kapitalstarke Unternehmen weniger ein Problem als für kleine und mittelständische. Folglich befördern Patente auf Saatgut eine Konzentration im Saatgut-Sektor – auch wenn Patente selbstverständlich nicht die alleinige Ursache sind.

Konzentrationsprozesse im Saatgutsektor

Eine der bedeutendsten Entwicklungen für den Saatgutsektor und ihrer Konzentrationsprozesse war die Erfindung und Kommerzialisierung von gentechnisch veränderten Pflanzen.  Die damals neue Technologie machte Pflanzen zu Erfindungen und ließ die Zahl der Patentanträge hochschnellen. Gleichzeitig wurde, durch die Zulassung von Herbizid-resistenten Pflanzen der Saatgutmarkt für Agrar-Chemiekonzerne interessant. Die gemeinsame Vermarktung von gv-Saatgut, passendem Herbizid und Dünger ist noch heute ein gewinnbringendes Konzept. Professor Philip H. Howard verweist in diesem Zusammenhang auf einen Höhepunkt von Eigentümer*innenwechseln innerhalb der Saatgutindustrie, mit Einführung der Gentechnik und der Patente auf Saatgut.  20 Jahre später führen die Anwendungen der neuen Gentechnik wieder zu einer Vielzahl an Patent-Anträgen. Ein neuer Bericht  von Testbiotech zeigt, dass nur wenige Unternehmen einen Großteil der Patente halten. Allen voran die ‚Corteva-Gruppe‘, ein Zusammenschluss der internationalen Konzerne Dow AgroSciences und DuPont/Pioneer.

Neue Entwicklungen

Heutzutage werden allerdings nicht nur gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert sondern auch Pflanzen und Tiere aus konventioneller Zucht (z.B. Die oben genannten Patente auf Gerste). Eine Entwicklung die vom EU-Parlament, einigen EU-Mitgliedsländern und verschiedenen NGOs kritisiert wurde und eine Reihe von Schritten auf EU-Ebene und am Europäischen Patentamt (EPA) zur Folge hatte (siehe z.B. hier: "Schlupflöcher schließen!" oder "Wem gehört das Bier?"). Seit Juni 2021 ist folgende Regelung in Kraft: das EPA verbietet Patente auf Pflanzen und Tiere die durch „im Wesentlichen biologische Verfahren“ entstanden sind und die nach dem Juli 2017 angemeldet wurden. Da es allerdings keine klare Definition dieser Formulierung gibt, wird weiter debattiert. Denn je nach Auslegung, welche Technologien und Techniken unter diesen Wortlaut fallen oder nicht, erweitert sich die Möglichkeit der Patentierung von Pflanzen und Tieren enorm. Nicht nur die Kritiker*innen von Patenten sind sich der Relevanz und des Ausmaßes dieser Auslegungsmöglichkeit bewusst. So lud das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 8. Juli zum Online-Symposium „Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren: Gestaltungsspielräume und Reformbedarf?"  (Die Beiträge und Diskussionen sind hier online zufinden). Es war ein durchaus interessanter wenn auch wenig erfolgversprechender Austausch, der gezeigt hat, wie wichtig es ist, unsere Forderungen weiter zu verfolgen und stark zu machen. Das sich das Bundesministerium und das EPA immer wieder mit der Frage von Patenten auf Saatgut beschäftigen müssen, ist ein Erfolg der unnachgiebigen und konstanten Arbeit von Keine Patente auf Saatgut!. Daher werden wir weiter Einsprüche gegen Patente erheben, informieren und diskutieren – bis der Zugang zu genetischen Ressourcen ein gerechterer ist.

 

26. Juli 2021

Judith Düesberg ist Ökologin und Mitarbeiterin des GeN.

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PM Entscheidung: Keine Patente auf Pflanzen und Tiere (14.05.20)

PM Keine Patente auf gentechnisch veränderte Schimpansen (03.07.20)

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