Kontrolle oder Kollaboration?

Die Rolle der Behörden bei der Zulassung von GVO

Immer wieder waren die Verbindungen der VertreterInnen von Aufsichts- und Kontrollbehörden der Agro-Gentechnik und mehr oder minder privaten Vereinigungen und Lobby-Organisationen Thema von Medienberichten und Recherchen. Die Studie „Kontrolle oder Kollaboration?“ versucht einen Überblick zu geben.

Kontrolle oder Kollaboration?“ ist weniger ein Who's who, sondern eine Recherche darüber, wie die verschiedenen Akteure in Behörden und Bundesforschungsanstalten miteinander verbunden sind – und wie sie verbunden sind mit anderen Wissenschaftlern in der Entwicklung von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen, in der Sicherheitsforschung, in Lobby-Organisationen, der Industrie und PR-Firmen. Ausgangspunkte sind dabei nicht Einzelpersonen, sondern vor allem die strukturellen Netzwerke, die über die Jahre entstanden sind, und in denen zum Teil politische Entscheidungen vorweggenommen oder umgangen werden (können). Es soll ein bisschen Licht und Übersicht in ein erschreckend undurchsichtiges Netzwerk gebracht werden - auf der Basis fast ausschließlich allgemein zugänglicher Informationen. Hier sollen einige Bespiele herausgehoben werden.

Strategiepapier von Burson-Marsteller

1997 fand in Amsterdam ein Treffen mit dem Dachverband der Europäischen Biotechnologie-Branche EuropaBio und Konzernen wie Monsanto, Bayer und Syngenta (beziehungsweise ihren Vorläufern) statt. Hier legte die weltweit größte PR-Agentur Burson-Marsteller ein Strategiepapier vor, in dessen Zentrum zwei Aussagen standen. Zum einen müsse die öffentliche Diskussion weg von den möglichen Risiken und hin zu möglichen Erfolgsgeschichten. Und zum anderen müsse die Biotech-Industrie aufhören ihr eigener Fürsprecher zu sein, statt dessen sollten (scheinbar) neutrale Wissenschaftler, die Argumentation für die Gentechnik vorantreiben. Diese „Tarnkappenstrategie” zeigt sich unter anderem an den Gründungen des Gesprächskreises Grüne Gentechnik (GGG) und des Wissenschaftlerkreises Grüne Gentechnik (WGG).

Auswirkungen der Vernetzung

Die praktischen Auswirkungen der engen Vernetzung zwischen Wissenschaftlern, Behördenvertretern, Lobbyorganisationen, Serviceunternehmen und der Industrie waren in den vergangenen Jahren immer wieder Thema von Medienberichten und zeigten sich zum Beispiel beim Hin und Her um den Beobachtungsplan für den Anbau von Monsantos MON810-Mais 2007 in Deutschland. Auf Anweisung des Bundeslandwirtschaftsministeriums und gegen den erklärten Willen des Leiters der Abteilung Gentechnik im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Hans-Jörg Buhk, wurde Ende April 2007 der Verkauf von MON810-Saatgut gestoppt. Das Ministerium fand den Monitoringplan, der vor allem aus Fragebögen für Landwirte bestand, nicht ausreichend. Der Bescheid kam gerade eben zu spät um auch die Aussaat zu verhindern. In der Folge legte Monsanto einen neuen Monitoring-Plan vor, der wiederum vor allem auf den genannten Fragebögen beruht. Entscheidend mitgewirkt an der Entwicklung solcher Fragebögen auf europäischer und deutscher Ebene hat Joachim Schiemann, heute kommissarischer Leiter im neu gegründeten Julius-Kühn-Institut (JKI) der Forschung unter dem Dach des Bundeslandwirtschaftsministeriums, sowie Kerstin Schmidt, die ihrerseits Geschäftsführerin von drei Firmen und eines Lobby-Vereins in Rostock ist - alle im Umfeld der Agro-Gentechnik. Als Verbundprojekt BioOK wird ein Teil dieser Firmen, zum Teil in Verbindung mit der Uni Rostock, durch das Bundesforschungsministeriums BMBF finanziell gefördert. Erklärtes Ziel ist es, BioOK als Service-Agentur zur Abwicklung von Zulassungsanträgen gentechnisch veränderter Organismen (GVO) zu etablieren. Die Prüfkriterien sollen dabei durch genau die Wissenschaftler entwickelt werden, die auch selber gentechnisch veränderte Pflanzen entwickeln und durch Service-Unternehmen, die für Dritte Freilandversuche durchführen wollen. Zu den Geschäftspartnern von Kerstin Schmidt und ihren Firmen gehören somit einerseits die Biologische Bundesanstalt BBA (als Vorgänger-Institution des JKI) und das BMBF und andererseits für Firmen wie Monsanto, zum Beispiel bei der Entwicklung des neuen MON810-Monitoringplans, war Kerstin Schmidt tätig.

Fehlende Transparenz

Ist es in diesem Verfahren eher die Ämterhäufung, fehlt an anderen Stellen die Transparenz, zum Beispiel bei der Firma Genius, die unter anderem im Auftrag des BMBF und zusammen mit anderen die Webseite „biosicherheit.de” betreibt. Auf dieser werden die Ergebnisse der vom BMBF finanzierten Forschungsprojekte zur Agro-Gentechnik dargestellt und kommentiert. Finanziert wird biosicherheit.de übrigens als „Risikokommunikation“ und damit als eines der Projekte zur Sicherheitsforschung von GVO. Genius tritt ansonsten in erster Linie als Beratungsagentur auf, aber die Firma ist auch Kontaktpunkt für den Gesprächskreis Grüne Gentechnik. Genius erstellt Publikationen für zahlreiche Organisationen, darunter auch für die EFSA, die Europäische Zulassungsbehörde für GVO. Vor allem die Geschäftsführerin Kristina Sinemus und der wissenschaftliche Leiter Klaus Minol werden namentlich als Partner in verschiedenen EU-Projekten genannt. Genius ist Mitglied von BIO Deutschland und von der Europäischen Föderation Biotechnologie (EFB), zwei Pro-Gentechnik-Lobby-Organisationen. Was also ist Genius? Unabhängige Journalisten, wie sie sich selbst auf der Webseite gmo-compass.org beschreiben? PR-Agentur? Vermutlich wissen die Genius-GründerInnen das selbst nicht mehr so genau: Klaus Minol (Genius GmbH) taucht auf der Anmeldeliste der internationalen Public Research and Regutalion Intiative (PRRI) zum Biosicherheits-Protokoll auf, und damit als NGO-Vertreter, einer wohlgemerkt sehr Industrie-nahen NGO. Kristina Sinemus dagegen findet sich in der Teilnahmeliste unter „Industrie“ als Vertreterin der Global Industry Coalition. ... Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Netzwerke um die Bewertung und Zulassung von GVO in Deutschland.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
188
vom Juni 2008
Seite 54 - 56

Antje Lorch ist freiberufliche Beraterin im Bereich Agro-Gentechnik. Sie ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Gen-ethischen Netzwerk e.V. Zu ihren Veröffentlichungen siehe www.ifrik.org.

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Der Bericht „Kontrolle oder Kollaboration?” von Antje Lorch und Christoph Then wurde im Auftrag von Ulrike Höfken (MdB für Bündnis 90/Die Grünen) erstellt und kann von deren Internetseiten kostenlos heruntergeladen werden: www.ulrike-hoefken.de.

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