Rezension: Politische Gastrosophie
Mit seiner politischen Gastrosophie beschwört Harald Lemke die Macht des Einzelnen. Seine Vision ist eine gerechte Welt, deren Hauptpfeiler gesunde und faire Lebensmittel sind. Jede/r kann als KonsumentIn im Supermarkt jeden Tag eine revolutionäre Tat vollbringen: indem er sich für biologisch angebaute und fair gehandelte Lebensmittel entscheidet. Doch nicht nur beim alltäglichen Einkauf kann man sich an der weltweiten Bewegung um eine öko-soziale Landwirtschaft beteiligen. Auch durch das direkte Engagement in diesen sozialen Bewegungen - in unseren Breiten vor allem im Bereich des „städtischen Gärtnerns“ - gelingt es, seinen Teil für eine bessere Welt beizutragen. Das Buch ist leicht lesbar, der Schreibstil geradezu überschwänglich motivierend: Der Einzelne kann etwas bewegen, er muss nur wollen; politische Rahmengesetze sind nötig und werden gerade durch das Zusammenwirken engagierter Bürger gestützt; die Freiheit der Märkte ist dabei nützlich, die Preisbildung wird durch Subventionen und Oligopole verzerrt. Damit wendet sich Lemke gegen Kapitalismus und Kommunismus gleichermaßen. Lemke ist Philosoph und das merkt man (nur) an den zahlreichen Querverweisen auf die Klassiker: Kant, Platon, Marx, Arendt, Fourier und zentral als neuerer Denker Peter Singer werden zitiert. Hier sind Aha-Effekte immer wieder nicht ausgeschlossen, zum Beispiel: Aha, schon Platon hat die Differenz von Stadt und Land thematisiert! Der philosophischen Profession ist wahrscheinlich auch der argumentativ überzeugende Aufbau geschuldet. Kaum formulierte sich beim Lesen ein Einwand gegen Lemkes Position, wird dieser auch schon im nächsten Abschnitt diskutiert und kenntnisreich besprochen. Viel Stoff zum Nachdenken also, wenn man nicht mit Lemke einer Meinung sein möchte. Oder man lässt sich vom versteckten Pathos Lemkes mitreißen und wird zum städtischen Gärtner, wenn man es noch nicht ist - in Vollzeit. Dieses Buch ist wärmstens zu empfehlen!
Birgit Peuker
Harald Lemke: Politik des Essens. Wovon die Welt von morgen lebt. Bielefeld (2012), transcript Verlag, 344 Seiten, 27,80 Euro, ISBN: 978-3-8376-1845-7.
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