Keine öffentlichen Gelder für die Biologisierung sozialer Ungleichheit!

Stellungnahme zu den Zielen und der Verwendung von genetischen Daten im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP)

Immer wieder gibt es Versuche die Ursachen für soziale Ungleichheit zwischen Menschen oder Bevölkerungsgruppen in deren Genen zu suchen. Der fälschliche Fokus auf die Biologie bereitet jedoch den Weg für Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt gegen Menschen.

Proben im Labor

Proben im Labor. Foto: John Donges/flickr.com

Wir wollen daher Aufmerksamkeit auf ein neues, mit öffentlichen Mitteln gefördertes Forschungsprojekt dieser Art in Deutschland lenken, das unser Einschätzung nach unbedingt kritischer medialer und wissenschaftlicher Begleitung bedarf.

English version below

Unter dem Projektnamen Gene-SOEP wurden von einer Subgruppe des sog. Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) genetischen Daten der Teilnehmenden erhoben. Das SOEP, oder „Leben in Deutschland“, ist die größte Langzeitstudie zu gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und zählt auch weltweit zu den umfangreichsten.

Die Gendaten der rund 2.600 Proband*innen werden u.a. mit demografischen und sozialen Daten kombiniert. Wie eine erste Veröffentlichung des Projektes zeigt, werden sie dann zur Erforschung der Vererblichkeit von Eigenschaften wie Bildungsstand, Religiosität und Persönlichkeit verwendet.

Das Gen-ethische Netzwerk (GeN), das sich seit über 35 Jahren mit gesellschaftlichen Auswirkungen von Gentechnologie auseinandersetzt, bewertet sowohl die Ziele, als auch potenzielle ungewollte Effekte des Projektes als äußerst bedenklich.

Wir befürchten, dass

  • das Projekt den Einfluss von Genetik auf vor allem gesellschaftlich geprägte menschliche Eigenschaften überbewertet.
  • diese Überbewertung wiederum den bereits bei vielen Menschen bestehenden Glauben an vermeintliche biologische Ursachen für gesellschaftliche Ungleichheit bestätigt und verfestigt.
  • die Forschungsergebnisse zukünftig als Grundlage für Diskriminierung von Menschen aufgrund von Genvarianten Anwendung finden.

Zudem bemängeln wir

  • die Beforschung von Minderjährigen, denen durch die Einwilligung ihrer Eltern die Kontrolle über die Verwendung ihrer DNA-Daten entzogen wird.
  • dass trotz der hohen gesellschaftlichen Brisanz des Projektes, eine Erforschung der rechtlichen, sozialen und ethischen Konsequenzen fehlt bzw. nicht bei der Konzeption mitgedacht wurde.
  • die Verwendung von öffentlichen Geldern für ein Projekt, dessen Nutzen für die Gesellschaft fraglich ist.

Was ist das Gene-SOEP?

Für das SOEP werden seit 1984 jährlich etwa 30.000 Menschen in knapp 15.000 Haushalten durch das Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas) befragt. Gleichzeitig werden die Daten vom DIW Berlin für Forschungsunterfangen aus verschiedenen Fachbereichen bereitgestellt. Einer repräsentativen Subgruppe der Teilnehmenden von rund 2.600 Personen wurden nun erstmals auch DNA-Proben entnommen und auf mehrere 100.000 Genvarianten hin analysiert.

Ziel dieser populations-genetischen Studie soll es sein, eine „wertvolle Ressource“ für die Erforschung von „individuellen Unterschieden, Ungleichheiten, biografischen Entwicklungen, Gesundheit sowie den Interaktionen zwischen genetischen Veranlagungen und der Umwelt“ zu erzeugen. Der Leiter des Projektes, Dr. Phillipp Koellinger, ist Professor für Genökonomie an der Universität Amsterdam. Die „Genetische Ökonomie“ oder auch „Genetische Sozialwissenschaft“, ist eine Forschungsrichtung, die nach genetischen Erklärungen für die soziale Positionierung von Individuen oder gesellschaftlichen Gruppen sucht. Hierfür werden große Mengen personenbezogener Daten auf Korrelationen zwischen dem Vorhandensein bestimmter DNA-Sequenzen und individuellen Einstellungen oder Haltungen wie z.B. Religiosität, Lebensweisen oder sozialen Stratifikationsmerkmalen wie z.B. Bildungserfolg untersucht. Doch nicht einzelne genetische Varianten, sondern viele, in sogenannten polygenen Risikoscores oder -indizes zusammengefasste, kleine genetische Abweichungen sollen zur Bestimmung genetischer Ursachen für soziale Charakteristika dienen.

Das Gene-SOEP-Projekt wird überwiegend aus öffentlichen Geldern, u.a. durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und durch das European Research Council gefördert.

Die Forschungsziele basieren auf gefährlichem genetischem Determinismus.

Wir sind sehr besorgt, wie die Ergebnisse des Gene-SOEP in die Gesellschaft kommuniziert und wie sie dort aufgegriffen und verwendet werden. Ein Zeit-Artikel beschreibt, dass selbst die SOEP-Spitze lange darüber diskutierte, „ob das Vorhaben nicht zu heikel sei“. Und das aus gutem Grund.

Zwar warnen die Projektverantwortlichen selbst vor „einfachen biologischen Determinismen“, also dem Glauben daran, dass die Ausprägungen der von ihnen untersuchten Eigenschaften komplett durch Genetik erklärbar und vorhersagbar sind. Sie schreiben dazu, der „Fakt, dass Genetik und Verhalten zusammenhänge“, würde „die Relevanz von Umweltbedingungen und die Möglichkeit für Interventionen nicht eingrenzen“. Dies steht jedoch im Kontrast zu ihrer Einschätzung der „Vererbbarkeit von Verhalten, psychischen und ökonomischen Phänotypen (z.B. Bildungserfolg, Persönlichkeit, Risikobereitschaft)“, die sie mit „durchschnittlich 49%“ angeben. Es könne daher „ein erheblicher Anteil der Schwankung der von Epidemiolog*innen und Verhaltensforscher*innen beforschten Unterschiede statistisch mit genetischen Unterschieden zwischen Menschen verknüpft werden“, so die Autor*innen. Trotz der teils vorsichtigen Einordnung der beteiligten Wissenschaftler*innen ergeben diese Formulierungen insgesamt den problematischen Eindruck, dass Eigenschaften wie Bildungserfolg in unserer Gesellschaft eben doch biologisch vorbestimmt seien.

Noch deutlicher wird dies in einem Kommentar-Artikel der Projektverantwortlichen auf der Webseite des DWI. Dort rufen sie dazu auf, die „Evidenz relevanter genetischer Unterschiede“ nicht zu „leugnen". Sie distanzieren, sich von einem menschenverachtenden Sozialdarwinismus und schreiben, diese „Evidenz“ bedeute „keineswegs, dass daraus ein ‚Survival of the Fittest‘ als normative Leitlinie für das menschliche Zusammenleben folgen muss“. Stattdessen sollen die „Nachteile, die einem Menschen durch seine ‚genetische Ausstattung‘ entstehen, von der Gesellschaft zumindest teilweise kompensiert, vielleicht sogar möglichst weitgehend ausgeglichen werden“. Auch diese Formulierungsweise stellt genetische Unterschiede in den Vordergrund und macht diese für Bildungserfolg verantwortlich. In einer Gesellschaft wie in Deutschland, in der das Elternhaus stark entscheidend für den Bildungserfolg von Kindern ist, bestärkt diese Erzählung den Glauben an biologische Unterschiede als Ursache und nicht – wie vielfach durch Studien belegt – sozialökonomische Faktoren wie Armut und fehlende Förderung.

Die Autor*innen setzen sich auch für Förderung ein, allerdings für „genetisch benachteiligte“ Menschen. Ihre Begründung für diese politische Empfehlung erscheint uns in ihrer Konsequenz höchst bedenklich: Der Wert der „genetisch Benachteiligten“ liegt nach ihnen nämlich in einer Ergänzung des Genpools. Sie schreiben: „Genetische Vielfalt erhöht die Anpassungsfähigkeit einer Art und Gene, die heutzutage mit Nachteilen verbunden sind, können sich in Zukunft für die Menschheit als lebenswichtig erweisen.“ Der Wert von Menschen wird hier also auf ihren (vermeintlichen) Nutzen für einen kollektiven Genpool reduziert, Vielfalt nicht prioritär als Menschenrecht verstanden, sondern Menschen außerhalb gesellschaftlicher Normen gewissermaßen als lebende Biobanken angesehen.

Es scheint uns naiv, wenn die Autor*innen dieses Artikels wie auch weiteren aus den Genetischen Sozialwissenschaften immer wieder betonen, mit diesen Erkenntnissen könnten „genetisch benachteiligte“ Personen besonders gefördert werden. Abgesehen davon, dass auf diese Weise eine Spaltung der Gesellschaft in diejenigen mit „guten“ und „schlechten“ genetischen Risikoscores eingeführt wird, wäre unter den vorherrschenden neoliberalen Wettbewerbsbedingungen viel eher zu erwarten, dass die vermeintlich „genetisch Begünstigten“ zusätzlich gefördert werden. Die wohlmeinenden Wissenschaftler*innen können nicht verhindern, dass ihre Forschungsergebnisse möglicherweise eingesetzt werden, um die „genetisch benachteiligten“ Bevölkerungsgruppen zunächst zu identifizieren und dann abzuwerten. Wie gefährlich dieser theoretische Diskurs sein kann, zeigt das schreckliche Beispiel des Buffalo Shooters. Der 18-jährige Täter erschoss im Mai 2022 zehn Menschen und verletzte drei Personen in einem Supermarkt in Buffalo, N.Y., einem Stadtteil, der vor allem von Schwarzen Menschen bewohnt wird. In seinem 180-seitigen Manifest referenziert er eine Studie, des Social Science Genetic Association Consortium, das von Dr. Philipp Koellinger mitbegründet wurde um die vermeintliche genetische Überlegenheit weißer Menschen zu belegen.

Selbst im „best case“-Szenario ist der gesellschaftliche Nutzen der Forschung fragwürdig.

Rund neun Prozent der Varianz des gemessenen Bildungserfolges der Teilnehmenden sei laut einer ersten Auswertung der Daten der Gene-SEOP-Kohorte durch polygene Risikoscores erklärbar. Wie bereits zitiert, behaupten die Autor*innen in der Einleitung des Artikels noch eine „Vererbbarkeit von Verhalten, psychischen und ökonomischen Phänotypen (z.B. Bildungserfolg, Persönlichkeit, Risikobereitschaft)“ von „durchschnittlich 49%“. Tatsächlich liegt der durch Genetik erklärbare Anteil der Ausprägung dieser Eigenschaften in anderen Studien aus dem Feld der Genetischen Sozialwissenschaften jedoch in ähnlich niedriger Höhe wie die neun Prozent der Gene-SOEP-Studie. Wissenschaftler*innen der Universität Bristol wiesen in einer Studie im Jahr 2020 daher darauf hin, dass es bereits existente und deutlich kostengünstigere Datensätze gibt, mit denen sich der Bildungserfolg eines Kindes viel besser voraussagen lässt: Daten wie der sozioökonomische Status der Eltern und vergangene Noten der untersuchten Kinder.
Lohnt sich also für die Gesellschaft eine Investition von Steuergeldern in umfangreiche DNA-Analysen, um längst bekanntes Wissen zu erhalten? Nämlich, dass der Bildungserfolg größtenteils von gesellschaftlichen Faktoren – insbesondere sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Benachteiligung – bestimmt wird. Was wäre die Konsequenz, was die praktische Anwendung, falls sich in optimierten Auswertungen höhere Anteile für die Vorhersagbarkeit von Eigenschaften wie Bildungserfolg aus dem Genom herauskristallisieren würden? Koellinger et al. weisen in ihrem Fachartikel richtigerweise darauf hin, dass es momentan mittels polygener Risikoscores nicht möglich sei, Rückschlüsse auf Individuen zu ziehen. Was aber ist das Anwendungsszenario bei einer erfolgreichen Weiterentwicklung der Technologie, das den Verantwortlichen vor Augen schwebt? Wie soll ihre beschriebene Förderung der „genetisch Benachteiligten“ aussehen? Entscheidet zukünftig ein Gentest vor Schulantritt über die zukünftige Schulkarriere von Schüler*innen? Oder schon vor dem Kita-Alter?

Das Gene-SOEP ist aus Datenschutzperspektive problematisch.

Da das SOEP alle Mitglieder von Privathaushalten untersucht, wurden auch Kinder und Jugendliche dazu eingeladen Gendaten abzugeben. Mit Einwilligung ihrer Eltern sind nun 215 der rund 2.600 Teilnehmenden des Gene-SOEP minderjährig. Wie die Projektverantwortlichen schreiben, waren die Eltern „ein wenig zögerlich“ ihren Nachwuchs in die Studie aufnehmen zu lassen. Während rund 60 Prozent der Erwachsenen einwilligten, stimmten die Eltern nur bei 26 Prozent der Minderjährigen zu. Es ist nicht verwunderlich, dass sich viele Eltern um den Datenschutz ihrer Kinder Gedanken machen. Gendaten werden nach deutschem und europäischem Datenschutzrecht besonders geschützt, denn sie sind schicksalhaft, unveränderbar und enthalten – wie die Forschung der Projektverantwortlichen zeigt – potenziell hochsensible Informationen. Wir würden die Verwendung genetischer Daten von nicht-einwilligungsfähigen Minderjährigen ethisch anders bewerten, wenn diese ihre Daten für die Diagnose und Erforschung schwerer Erkrankungen zur Verfügung stellen würden. Doch beim Gene-SOEP ist unklar, wofür die Daten zukünftig verwendet werden und die Projektziele sind wenig definiert. Sie sollen eine Ressource sein, um „neue Forschungsmöglichkeiten für medizinische und sozialwissenschaftliche Forschungscommunities“ zu eröffnen. Für diesen unbestimmten Zweck erscheint es uns nicht gerechtfertigt, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Minderjährigen zu verletzen und deren Proben über Landesgrenzen hinweg (an der Universtät Rotterdamm, NL) analysieren und speichern zu lassen.

Insgesamt bewerten wir es als problematisch, dass das Gene-SOEP als Ergänzung eines bereits bestehenden Projektes entwickelt wurde. Es ist stellvertretend für eine Reihe an großen Datenbanken, die für einen Zweck entwickelt wurden, und nun, im Anbetracht der neuen technologischen Möglichkeiten, (auch) für ganz andere Zwecke verwendet werden. Die britische UK Biobank z.B., wird von Wissenschaftler*innen weltweit genutzt. Sie verspricht ihren Proband*innen, zur Entwicklung neuer Therapien beizutragen. Auch Hersteller*innen für kommerzielle Gentests wie 23andme, werben um die Einwilligung ihrer Kund*innen, deren Gendaten für Forschungszwecke nutzen zu dürfen, mit dem Ziel medizinischen Fortschritt zu bewirken. Tatsächlich werden die Daten der Teilnehmenden immer öfter auch für Studien der Genetischen Sozialwissenschaften mit fragwürdigem gesellschaftlichem Nutzen herangezogen. Da die Teilnehmenden des SOEP bereit gewöhnt sind, sensible Daten von sich herauszugeben, machen sie sich möglicherweise zu wenig Gedanken über die Besonderheit genetischer Daten. Ein neu entwickeltes Langzeit-Projekt in der Schweiz, bei dem die Entwicklung der psychischen Gesundheit von Kindern ab der Geburt beobachtet werden sollte, wurde 2008 eingestellt. Nach zivilgesellschaftlichem Protest hatten sich zu wenig Eltern gefunden, die die Daten ihrer Kinder herausgeben wollten. Vorher hatte die verantwortliche Ethikkommission in Reaktion auf die öffentliche Kritik bereits die DNA-Entnahme bei Kindern für das Projekt verboten.

Die Ziele der Genetischen Sozialwissenschaften und der Gene-SOEP sind sowohl aus natur- als auch aus sozialwissenschaftlicher Perspektive kritikwürdig.

Sämtliche Ergebnisse der Genetischen Sozialwissenschaften beruhen auf statistischen Korrelationen, die aus großen Datenmengen gewonnen werden und ignorieren andere Einflussfaktoren. Auch aus naturwissenschaftlicher Sicht ist die grundsätzliche Methodik der polygenen Risikoscores und ihrer Anwendungsmöglichkeiten umstritten. Denn sie bieten keine kausalen Erklärungen und beschreiben auch keine „Gen-Umwelt-Interaktionen“, sondern errechnen rein statistisch die Einflussstärke von vielen kleinen genetischen Abweichungen auf Eigenschaften und Verhaltensweisen – von Asthma über Alkoholkonsum bis zu Bildungserfolg. In den Publikationen der am Gene-SOEP Beteiligten wird rhetorisch immer wieder der Eindruck erweckt, die quantitativ-statistischen Korrelationen beruhten auf qualitativ-kausalen Wirkungszusammenhängen. Diese können jedoch mit der Methodik des Projektes gar nicht beobachtet und erfasst werden. Zwar grenzt sich diese Art von Big-Data-Forschung von den falschen Annahmen des „ein Gen = eine Eigenschaft“-Paradigmas ab. Faktisch tritt an seine Stelle – spätestens in der medialen und öffentlichen Rezeption – jedoch das „ein polygener Risikoscore = eine Eigenschaft“-Modell.

Als interdisziplinär arbeitende Wissenschaftler*innen kritisieren wir zudem den allgemeinen Wahrheits- und Hegemonieanspruch, den die Genetischen Soziolog*innen formulieren. Sie schreiben „wer Genetik (und damit Erblichkeit) nicht mit einbeziehe, komme unweigerlich zu einseitigen, verzerrten Urteilen sowie falschen und kontraproduktiven Schlussfolgerungen“. Dies führt zu einer Entwertung und Delegitimation sozialwissenschaftlicher Forschungen, die keine genetischen/genomischen Daten einbezieht. Diese angestrebte Genetisierung der Sozialwissenschaften wird auch dadurch nicht entschärft, dass die Autor*innen sich von genetischem Determinismus distanzieren und soziale Einflüsse auf Verhalten und Leistungen anerkennen.

Forschungsprojekte dieser Größe und Relevanz müssen in eine größere gesellschaftliche und wissenschaftliche Debatte eingebunden sein.

Es ist äußerst problematisch, dass das Gene-SOEP offensichtlich ohne nennenswerte wissenschaftliche, politische und öffentliche Diskussion in ein großes, international genutztes, letztlich staatlich finanziertes Forschungsprogramm bzw. dessen Forschungsinfrastruktur einbezogen worden ist. In ihrem Artikel schreiben Koellinger et al., es gäbe die Möglichkeit die Sammlung von DNA-Daten auf die gesamte Kohorte des SOEP zu erweitern. Dies darf nicht ohne eine größere interdisziplinäre und gesellschaftliche Debatte passieren. Statt das Projekt zu expandieren, gilt es die von uns ausgeführten problematischen medizinisch-wissenschaftlichen, rechtlichen, sozialen, ethischen Aspekte des Projektes zu untersuchen und entsprechend gegenzusteuern.

 

No public funding for the biologization of social inequality!

Statement on the objectives and use of genetic data in the Socio-Economic Panel (SOEP) of DIW Berlin (German Institute for Economic Research)

Time and again there are attempts to look to genetics to find the causes of social inequality between individuals or population groups. This erroneous focus on biology, however, paves the way for stigmatization, discrimination and violence. It is for this reason we draw attention to a new, publicly funded research project of this kind in Germany, which we believe to be in urgent need of critical monitoring by the media and the scientific community.

The Gene-SOEP project collects and analyses the genetic data of participants in a sub-group of the so-called Socio-Economic Panel (SOEP). The SOEP, or "Living in Germany", is the largest long-term study on social developments in Germany and is also one of the most comprehensive studies of this kind worldwide.

In the Gene-SOEP, genetic data of the approximately 2.600 participants are combined with demographic and social data. As a first publication of the project shows, these datasets are then used to explore the heritability of characteristics such as educational level, religiosity and personality.

The non-profit NGO Gen-ethisches Netzwerk (Gen-ethical Network), which has been addressing the societal impacts of genetic engineering for more than 35 years, views both the goals and potential unintended effects of the project as extremely questionable.

We fear that

  • the project overstates the influence of genetics on human characteristics that are primarily shaped by society.
  • this overestimation, in turn, confirms and solidifies the already widespread belief in alleged biological causes of social inequality.
  • the research results will be used in the future to discrimination against people on the basis of gene variants.

In addition, we criticize

  • the research on minors who, with the consent of their parents, are deprived of control over the use of their DNA data.
  • that despite the socially explosive nature of the project, research into the legal, social and ethical consequences of the project is lacking / was not taken into account in the conception.
  • the use of public funds for a project whose benefits for society are questionable.

What is Gene-SOEP?

Since 1984 around 30.000 people living in almost 15.000 households in Germany have been surveyed annually by the Institute for Applied Social Science GmbH (infas) for the SOEP study. The resulting data is used by the DIW and is also made available for research projects from various institutions. Now for the first time, DNA samples were taken from a representative subgroup of around 2.600 participants and used to analyze about 100.000 gene variants.

The aim of this genetic population study is to create a "valuable resource" for the study of "individual differences, inequalities, life-course development, health, and interactions between genetic predispositions and environment". The head of the project, Dr. Philipp Koellinger, is Professor of Genoeconomics at the University of Amsterdam. "Genetic Economics" or "Genetic Sociology" is an emerging research discipline that seeks to find genetic explanations for the social positioning of individuals or social groups. For this purpose, large amounts of personal data are examined for correlations between the presence of certain DNA sequences and personality traits or attitudes such as religiosity, lifestyle or social stratification characteristics such as educational attainment. However, no single genetic variant is evaluated for its effect on a social characteristics, but so called “polygenic risk scores” or indices are calculated as a weighted sum of many small genetic variants that are thought to each only have a very small effect on the examined characteristic.

The Gene SOEP project is mainly funded by public funds, e.g. by the German Research Foundation and the European Research Council.

The research objectives are based on dangerous genetic determinism.

We are very concerned about how the results of the Gene-SOEP are communicated to the public and how they are the received and used. An article in the German newspaper Zeit describes that even the SOEP leadership discussed for a long time "whether the project was too delicate". And for good reason.

The project managers themselves warn against biological determinism, i.e. the belief that the expression of the traits they investigate can be completely explained and predicted by genetics. They write that the "fact that genetics and behavior are related" would not "limit the relevance of environmental conditions and the possibility for intervention."  However, this contrasts with their estimation of the "heritabilities of behavioral, psychological, and economic phenotypes (e.g. educational attainment, personality, risk attitudes)", which they claim to be 49 percent on average. "Thus, a substantial amount of variation in outcomes that epidemiologists and behavioral scientists study can be statistically linked to genetic differences among people" according to the authors. Despite the scientists’ at times cautious phrasing, these statements give the problematic impression that characteristics such as educational attainment are biologically predetermined in our society.

This becomes even more obvious in an article by the project managers on the DWI website. There they appeal to the reader not to deny the "evidence of relevant genetic differences". They distance themselves from an inhuman social Darwinism and write that this "evidence" does not mean "in any way that 'Survival of the Fittest' must follow from it as a normative guideline for human coexistence". Instead, the "disadvantages caused to a person by their 'genetic make-up' should be at least partially, if not fully, compensated by society". This wording puts the emphasis on genetic differences and makes them responsible for educational success. In societies like Germany’s, where the parent’s social class is a strong determinant for  children’s educational attainment, this narrative reinforces the belief in biological differences as the cause and not – as often proven by studies – socio-economic factors such as poverty and lack of social support.

The authors also advocate social support, but for the "genetically disadvantaged”. Their justification for this political recommendation seems highly questionable to us in its consequences: according to them, the value of the "genetically disadvantaged" lies in supplementing the gene pool. They write: "Genetic diversity increases the adaptability of a species and genes that are associated with disadvantages today may prove vital for humanity in the future." The value of people is thus reduced to their (supposed) benefit for a collective gene pool, diversity is not primarily understood as a human right and people outside social norms are regarded as a sort of living biobank.

It seems naïve to us that the authors of this and other articles from the field of Genetic Sociology repeatedly emphasize that these findings could be used to  assist the "genetically disadvantaged". Apart from introducing a social division between those with "good" and those with "bad" polygenic risk scores, under the prevailing neoliberal competitive conditions, we think it would be much more likely that any support would go to the supposedly "genetic privileged". Well-meaning scientists could not prevent their research results from being used to first identify and then devalue the "genetically disadvantaged" population groups.  The danger of this theoretical discourse was illustrated by the terrible example of the Buffalo shooter. In May of this year the 18-year-old perpetrator shot and killed 10 and injured three people in a supermarket in Buffalo, N.Y., in a neighborhood predominantly inhabited by Black people. In his 180-page manifesto, he references a study by the Social Science Genetic Association Consortium, which was co-founded by Dr. Philipp Koellinger, to prove the supposed genetic superiority of white people.

Even in a best-case scenario, the social benefits of the research are questionable.

According to an initial evaluation of the data of the Gene-SEOP cohort, around nine percent of the variance of the measured educational attainment of the participants can be explained by polygenic risk scores. As quoted above, the authors claim in the introduction of the article a heritability of behavior, psychological and economic phenotypes of 49 percent on average. However, the proportion of the variations of traits like these that can be genetically explained in other studies in the field of Genetic Sociology is similarly low as in the Gene-SOEP study. Scientists at the University of Bristol therefore pointed out that there are already existing and significantly cheaper data sets that can be used to predict the educational success of a child much more effectively: data such as socioeconomic status of the parents and past grades of the children examined.

Is it thus socially beneficial to invest taxpayers' money in complex DNA analyses in order to gain knowledge that has already long been known? Namely, that educational success is largely determined by social factors – in particular social inequalities and disadvantages? What would the consequences be if  optimized analyses would be able to make better predictions for traits like educational attainment from genetic data? Koellinger et al. rightly point out in their article that it is currently not possible to draw conclusions about individuals by means of polygenic risk scores. But what is the application scenario for a successful further development of the technology that those responsible have in mind? What should the proposed assistance of the "genetically disadvantaged" look like? In the future, will a genetic test before starting school decide on the future school trajectory of pupils? Or even before kindergarten age?

The Gene-SOEP is problematic from a data protection perspective.

Since the SOEP examines all members of private households, children and adolescents were also invited to submit genetic data. With the consent of their parents, 215 of the approximately 2.600 participants of the Gene-SOEP are minors. As the project managers write, the parents were "somewhat hesitant" to have their offspring included in the study. While around 60 percent of adults agreed to participate, only 26 percent of children participated. It is not surprising that many parents are concerned about the privacy of their children. Genetic data is specifically protected under German and European data protection law, because its quality is fateful, unchangeable and – as the research of the project managers shows – it contains potentially highly sensitive information. We would rate the use of genetic data of non-consenting minors differently from an ethical perspective if their data was used for the diagnosis and research of serious diseases. However, within the Gene-SOEP project it is unclear what the data will be used for in the future and the project goals are vague. It is intended to be a resource to open up "new research opportunities for the medical and social science research community". It does not seem justifiable to us to violate the right to informational self-determination of minors and to have their samples analyzed and stored across national borders (at the University of Rotterdam, NL) for this indeterminate purpose.

Overall, we consider it problematic that the Gene-SOEP was developed as an addition to an existing project. It is representative of a number of large DNA-databases that have been developed for one purpose and are now (also) being used for completely different purposes in view of the new technological possibilities. The British UK Biobank, for example, is used by scientists worldwide. The biobank promised participants to contribute to the development of new medical therapies. Direct-to-consumer genetic testing companies such as 23andme are also asking consumers for the consent to use their genetic data for research with the aim of advancing medical progress. In reality, the data of the participants are increasingly being used for Genetic Sociology studies with questionable social benefits. Since SOEP participants are already used to handing over sensitive data, they may not give enough thought to the specificity of genetic data. A newly developed long-term project in Switzerland to monitor the development of children's mental health from birth was discontinued in 2008. After civil society protests, too few parents had been willing to hand over their children's data. Previously, in response to public criticism, the responsible ethics committee had already banned DNA collection from children for the project.

The goals of the Genetic Sociology and the Gene-SOEP are contestable from both a natural and social science perspective.

All results from the field of Genetic Sociology are based on statistical correlations obtained from large amounts of data and ignore other influencing factors. The basic methodology of polygenic risk scores and their possible applications is scientifically controversial. This is because they do not offer any causal explanations and do not describe "gene-environment interactions", but calculate purely statistically the strength of influence of many small genetic deviations on characteristics and behaviors like asthma, alcohol consumption or educational attainment. In the wording of their publications, the scientists involved in Gene-SOEP often imply that the quantitative-statistical correlations are based on qualitative-causal interdependencies. However, those relationships cannot be observed and recorded with the methodology of the project. This type of big data research does go beyond the false assumptions of the "one gene = one trait" paradigm. However, it is replaced – especially in the media and public reception – by an "one polygenic risk score = one trait" model.

As interdisciplinary scientists, we also criticize the general claim to truth and hegemony formulated by the genetic sociologists involved in the study. They write that "ignoring genetics would imply that a substantial source of individual differences would remain unobserved, potentially leading to biased estimations that could prompt wrong and possibly counterproductive conclusions". Thus, they imply a devaluation and delegitimization of social science research that does not include genetic/genomic data. Their desired genetization of the social sciences is not mitigated by the fact that the authors distance themselves from genetic determinism and recognize social influences on behavior and performance.

Research projects of this size and relevance must be integrated into a larger social and scientific debate.

It is extremely problematic that the Gene-SOEP has been included in a large, internationally used, state-funded research program / research infrastructure without any significant scientific, political and public discussion. In their article, Koellinger et al. write that it is possible to extend the collection of DNA data to the entire cohort of the SOEP. This must not happen without a major interdisciplinary and social debate. Instead of expanding the project, it is important to investigate the problematic medical-scientific, legal, social and ethical aspects of the project that we have described and to implement appropriate measures to counteract them.

 

12. September 2022

Gen-ethisches Netzwerk e.V.

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Kontakt

Dr. Isabelle Bartram
Referentin für Medizin
Tel: 0176-55 23 90 12 oder 030 - 685 70 73
E-Mail: isabelle.bartram[at]gen-ethisches-netzwerk.de

Verlinkte Literatur und Webseiten

Arslan, R.C./ Koellinger, P.D. /Wagner, G.G.(2019) Genetische Analysen implizieren keineswegs Unmenschlichkeit – im Gegenteil. Online: https://www.diw.de/de/diw_01.c.612066.de/nachrichten/genetische_analyse….

Bartram, I. (2019): Auf der Suche nach dem Homogen. In: GID 258, S.34-35, Online: www.gen-ethisches-netzwerk.de/node/4023.

Janssens, A.C.J.W. (2019): Validity of polygenic risk scores: are we measuring what we think we are? In: Human Molecular Genetics, 28, R2, S.143-150, www.doi.org/10.1093/hmg/ddz205.

Harden, K.P./Koellinger, P.D. (2020): Using genetics for social science. In: Nature Human Behaviour, 4, S.567–576, www.doi.org/10.1038/s41562-020-0862-5.

Koellinger, P.D. (2021): Cohort Profile: Genetic data in the German Socio-Economic Panel Innovation Sample (Gene-SOEP). In: BioRxiv, www.doi.org/10.1101/2021.11.06.467573.

Molteni, M (23.5.22): Buffalo shooting ignites a debate over the role of genetics researchers in white supremacist ideology. In: STAT. Online: https://www.statnews.com/2022/05/23/buffalo-shooting-ignites-debate-gen….

Morris, T.T./Davies, N.M./Smith, G.D. (2020): Can education be personalised using pupils’ genetic data? In: eLife, www.doi.org/10.7554/eLife.49962.

Spiewak, M./Bahnsen, U. (2022): Die Macht der Herkunft. In: ZEIT am Wochenende Nr. 20/2022, Online: https://www.zeit.de/2022/20/genetik-dna-erbgut-verhalten-umfeld-forschu….

Swiss Info (14.03.08): "Sesam" wird geschlossen. Online: https://www.swissinfo.ch/ger/-sesam--wird-geschlossen/6510362.

www.leben-in-deutschland.de

www.philipp-koellinger.de

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