Kleine Veränderungen mit großer Wirkung

Wissenslücken um ökologische Folgen von CRISPR-Cas

Neue Gentechniken wie CRISPR-Cas werden häufig als unbedenklich eingeordnet. Allerdings fehlt es an Forschung zu den ökologischen Wechselwirkungen von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen und ihrer Umwelt. Das dies wichtig wäre, zeigt das folgende Beispiel.

Camelina sativa

Blütenstand von Saat-Leindotter (Camelina sativa). Foto: Bliesgauoele (Wikimedia Commons, CC Lizenz)

Saat-Leindotter (Camelina sativa) wird aufgrund der Ölzusammensetzung seiner Samen in den letzten Jahren als Biosprit, als Industriekomponente und auch als Nahrungsmittel immer beliebter. Sein Öl könnte jedoch für die Industrie noch wertvoller sein, wäre es hitze- und oxidationsbeständiger. Wissenschaftler*innen haben daher durch den Einsatz von CRISPR-Cas die Fettsäure-Zusammensetzung der Pflanze verändert. Das Ziel ist die Steigerung des Ölsäureanteils, da Ölsäure eine höhere Oxidationsstabilität besitzt, während der Anteil an Linol- und Linolensäure reduziert wird. Die Erhöhung der Oxidationsstabilität der gv-Pflanzen wird also erreicht, indem der Anteil langkettiger und mehrfach ungesättigter Fettsäuren zu stabilen einfach ungesättigten Fettsäuren verschoben wird. Im Ergebnis soll der Ölsäuregehalt in der Pflanze um 17 bis 27 Prozent erhöht sein.

Die Wirkung von Punktmutationen

Bei der Manipulation der DNA handelt es sich um eine Punktmutation, die sich jedoch im Genom der Pflanze selbst stark auswirkt. Wie bei Soja schon erforscht und publiziert, soll die Punktmutation bewirken, dass ein Gen ausgeschaltet wird (sogenannte SDN-1 Anwendungen), welches in der Zelle für die Umwandlung von Ölsäure in Linolsäure zuständig ist. Die Möglichkeiten, mit CRISPR-Cas in das Genom einzugreifen, sind mannigfaltig und übersteigen die der klassischen Züchtung. So verändere CRISPR-Cas alle Gene, in denen die Zielsequenz enthalten ist, mit nur einer einzigen Anwendung. Außerdem können durch den einmaligen Einsatz von CRISPR-Cas auch mehrere Zielsequenzen gleichzeitig verändert werden (Mulitplexing). Neue Möglichkeiten bergen auch immer die Gefahr von neuen Risiken. Beispielsweise können CRISPR-Cas-Anwendungen auch Veränderungen auf der DNA verursachen, die nicht beabsichtigt sind.

Nebeneffekte von gentechnischen Änderungen

Die Erwähnung unbeabsichtigter Effekte führt uns zurück zum Leindotter: Die beabsichtigte Veränderung der Fettsäureherstellung kann die Herstellung und den Inhalt anderer Fettsäuren unabsichtlich beeinflussen. Dies kann zur Veränderung von biochemischen Komponenten führen, die in die Stressantwort der Pflanzen involviert sind. So regulieren mehrfach ungesättigte Fettsäuren beispielsweise die Fluidität der Zellmembranen, was vor allem eine Rolle bei Anpassungen an eine sich verändernde Umwelt eine Rolle spielt. Versuche haben gezeigt, dass beispielsweise eine Mutante der Modellpflanze Arabidopsis thaliana, die mit dem Leindotter verwandt ist, nicht mehr kältetolerant und anfälliger bei Salzstress war, nachdem das Gen für die Herstellung von Linolsäure aus Ölsäure ausgeschaltet wurde. Auch die Wachsschicht der Blattoberfläche ist auf langkettige Fettsäuren angewiesen, die vor Hitze aber auch vor Mikroorganismen schützt.

Die Pflanze als Teil des Ökosystems

Es gibt demnach eine Verbindung zwischen dem Ölsäuregehalt oder allgemeiner der Fettsäure-Zusammensetzung und der Fähigkeit einer Pflanze in ihrer Umwelt zu überleben sowie auf Veränderungen zu reagieren. Eine veränderte Zusammensetzung der Fettsäuren kann auch die Abwehrfähigkeiten von Pflanzen herabsetzen. So ist bekannt, dass bei Sojapflanzen der Befall von Blattläusen für eine veränderte Fettsäurekomposition sorgt, was wiederum zu mehr Fraßschäden durch Insekten insgesamt führt. Auch die Fähigkeit, Feinde von Blattläusen wie zum Beispiel Marienkäfer anzuziehen – dies geschieht meist über flüchtige Botenstoffe, die indirekt aus Linolensäure gebildet werden –, könnte durch eine Veränderung der Fettsäure-Zusammensetzung verringert werden. Damit wäre der gv-Leindotter potenziell höheren Fraßschäden ausgesetzt.

Auswirkungen von Gentechnik auf die Umwelt

Es gibt zwar keine Studien, die die Interaktion zwischen dem gv-Leindotter oder anderen mit CRISPR-Cas veränderten Pflanzen und Tieren in der Umwelt untersuchen, aber Ergebnisse aus den alten Gentechniken deuten darauf hin, dass es auch bei den neuen Gentechnikverfahren zu ungewollten Umweltauswirkungen kommen kann. Zum Beispiel hat ein Insektizid, das eine gv-Baumwolle mithilfe eines Transgens produziert, dazu geführt, dass sich auch die Mikroorganismenkultur auf dem Schadinsekt (Baumwoll-Kapseleule) verändert hat. Das nun symbiotische Virus hilft der Baumwoll-Kapseleule mit dem Toxin besser zurecht zu kommen, indem es ihre Fitness erhöht. Das eigentlich gegen das Insekt gerichtete Toxin führte also indirekt zu einer Toleranz des Tieres gegenüber dem Insektizid. Ähnlich verhält es sich bei in Wildbaumwolle eingebrachten Transgenen, die für einen veränderten Verteidigungsmechanismus sorgen. Je nach gentechnischer Behandlung, produzieren die Pflanzen bei Stress unterschiedlich viel Nektar, welcher schadinsekten-feindliche Ameisen anlockt. Die gentechnisch veränderten Pflanzen, die eine Glyphosatresistenz haben, weisen vermutlich deshalb höhere Fraßschäden auf, weil sie weniger Nektar produzieren als der gentechnikfreie Wildtyp.

Verringerte Nahrungsmittelqualität?

Die Veränderung der Fettsäurekomposition beim Leindotter könnte auch zu Nachteilen der Nahrungsmittelqualität der Pflanze gehen. Denn als Nahrungsergänzungsmittel ist Leindotter gerade wegen seiner mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie Linolsäure sehr wertvoll. Genauso wie Tiere können auch Menschen ungesättigte Fettsäuren nicht selbst produzieren und sind auf diese Eigenschaft von Pflanzen angewiesen.

Der Forschungsbedarf ist groß

Explizite Studien, die sich direkt mit den Auswirkungen von neuen Gentechniken auf die Umwelt beschäftigen, um umfangreiche Folgen einschätzen zu können, fehlen jedoch. Während die technischen Fehler und Ungenauigkeiten auf Interesse stoßen, sind die Ab- und Einschätzung der Umweltrisiken von gezielt veränderten Eigenschaften nicht vorhanden. So sind selbst 30 Jahre nach der ersten Freisetzung von Organismen der alten Gentechniken die Folgen immer noch nicht ausreichend erforscht. Es muss bedacht werden, dass gv-Pflanzen die technischen Eingriffe durch die Vermehrung mit wilden Populationen verbreiten und ihre Auswirkungen auf die Ökosysteme möglicherweise erst nach Generationen messbar sind. Eine Rückholung ist dann nicht mehr möglich.

Anmerkungen und Referenzen:

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25. November 2022

Cordula Gutekunst ist Biologin und Mitarbeiterin des GeN.

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