Freisetzung transgener Mücken in Florida geplant

Umstrittenes Experiment mit gentechnisch veränderten Tigermücken wird gegen den Widerstand von Umweltgruppen von US-Behörden genehmigt

In Florida sollen 750 Millionen gentechnisch veränderte (gv) Tigermücken der Firma Oxitec im Freiland ausgesetzt werden. US-Behörden haben das umstrittene Experiment, bei dem tödliche Gene in die Mücken-Population eingeschleust werden, ab 2021 endgültig genehmigt – gegen den Widerstand von Bürger*innen und Umweltverbänden.

Mücke sticht in Haut

Obwohl immer wieder auf die Gefahren bei der unkontrollierten Freisetzung von gv-Mücken in die Umwelt hingewiesen wird, erhalten Biotech-Unternehmen weiterhin Genehmigungen. (Bild: Pixabay/FotoshopTofs)

Die Bekämpfung von krankheitsübertragenden Mücken durch gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ist schon seit einigen Jahren ein Thema, bei dem Umweltschützer*innen vor den unabsehbaren Risiken warnen. So auch im aktuellen Fall in den USA, wo die britische Biotechnologie-Firma Oxitec (Oxford Insects Technologies) die Genehmigung für einen Freilandversuch mit 750 Millionen gv-Mücken in Florida und Texas erhalten hat. Die US-Behörden wandten sich an das Unternehmen, weil es dort immer wieder zu Krankheitsübertragungen durch die aus den Tropen eingewanderte Ägyptische Tigermücke (Aedes aegypti) kommt. Diese überträgt verschiedene Krankheitserreger wie Gelbfieber-, Dengue- oder Zika-Viren. Seit Jahrzehnten erfolgt deren Bekämpfung durch massiven Insektizideinsatz, was einerseits ein ökologisches Problem darstellt und andererseits bei zahlreichen Arten inzwischen zu Resistenzbildung geführt hat. Durch die Freisetzung der gv-Mücken soll nun die Population der invasiven Tigermückenart ausgelöscht werden.

Gentechnik soll Nachwuchs selektieren und zu Geburtenkontrolle führen

Mückenstiche, und damit die Übertragung von Krankheitserregern, werden bekanntermaßen nur von weiblichen Mücken verursacht, die männlichen Artgenossen ernähren sich ausschließlich von Pflanzensaft. Aus diesem Grund handelt es sich bei der Freisetzung von Oxitec’s „FriendlyTM Mosquito“ OX5034 nur um männliche gv-Mücken, in deren Erbgut zwei zusätzliche Gene eingepflanzt wurden. Ein Gen stellt ein fluoreszierendes Protein her, durch das die gv-Mücken und -Larven im Fluoreszenzlicht rot leuchten und sich so von wildlebenden Individuen unterscheiden lassen sollen. Das andere (tödliche) Gen Tetrazyklin-Transaktivator (tTAV) wird in den Zellen sehr häufig abgelesen und führt zu einer starken Akkumulation von tTAV-Proteinen infolgedessen die Zellmaschinerie zusammenbricht und die Tiere schon im Larvenstadium sterben. Dieses tödliche Schicksal ereilt jedoch nur die weiblichen Tiere, tTAV ist durch geschlechtsspezifische Genverarbeitung bei männlichen Tieren inaktiv. Demzufolge soll bei der Paarung von gv-Mücken mit wildlebenden Weibchen nur der männliche Nachwuchs überleben und sich dadurch mit jedem Paarungszyklus die Zahl der weiblichen Tiere verringern. Aufgrund der nun fehlenden Paarungspartnerinnen soll die Mücken-Population insgesamt deutlich dezimiert werden, verspricht Oxitec in einem offiziellen Antragsdokument. Sollten die Versuche erfolgreich sein, könnten in den nächsten Jahren Milliarden der gv-Mücken freigesetzt werden, um die Ägyptische Tigermücke in der Region zurückzudrängen oder sogar ganz zu eliminieren.

Projekt geht mit erheblichen Risiken einher

Wenn sich gv-Mücken im Freiland vermehren sollen, ist besondere Vorsicht geboten, da sich die Eigenschaften der Nachkommen von GVO teilweise deutlich von den ursprünglich beabsichtigten unterscheiden können. Verantwortlich dafür sind genetische Effekte, die bei der Kreuzung mit Wildtierpopulationen entstehen können. Die Mücken und ihre Larven sind im Laufe ihres Lebenszyklus außerdem einer Vielzahl von Umwelteinflüssen ausgesetzt, die sich ebenfalls grundlegend von Laborbedingungen unterscheiden. In diesem Zusammenhang weist die Organisation Center for Food Safety (CFS) auf den Fall hin, dass möglicherweise nicht alle weiblichen Larven tatsächlich absterben und die daraus entstandenen Hybrid-Mücken am Ende gefährlicher als die Ausgangsart sein können. Die Risiken, die mit einem Stich dieser gv-Mücken einhergehen, wurden bisher nicht genauer untersucht. Unklar ist auch, was mit Vögeln oder Säugetieren passiert, welche die gv-Mücken fressen. Bis dato fehlen weiterhin viele Daten für eine verlässliche Risikobewertung, sagt Christoph Then von Testbiotech, der ebenfalls dringend von den geplanten Freisetzungsversuchen abrät und auf einen wichtigen, in der Debatte oft vernachlässigten Aspekt hinweist. Die Ägyptische Tigermücke steht in Konkurrenz zur nicht weniger gefährlichen Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus), die sich in Folge der Eliminierung sehr schnell in ihrer ökologischen Nische weiter ausbreiten könnte.
In Brasilien haben zwischen 2013 und 2015 bereits ähnliche Freisetzungsversuche mit gv-Mücken von Oxitec stattgefunden. Diese waren jedoch relativ erfolglos, da sich die zu dezimierende Zielpopulation nach einiger Zeit wieder erholt hat. Bemerkenswert war jedoch, dass in der Folge Teile des gv-Mücken-Genoms in den natürlichen Wildpopulationen nachgewiesen werden konnten. Die Interpretation dieser im September 2019 veröffentlichten Ergebnisse wird zwar kontrovers diskutiert, widerlegt wurden die Befunde aber nicht. Oxitec wusste jedenfalls, dass das eingefügte Gen nicht zwangsläufig tödlich war, da die weiblichen Nachkommen bei Labortests eine Überlebensrate von 3 Prozent erreichten, berichtete das Fachmagazin Science. Außerdem wurde bei Versuchen mit Taufliegen (Drosophila melanogaster) erst vor kurzem darauf hingewiesen, dass Resistenzen gegen das tTAV-System vorhanden sein oder aber durch Mutation spontan entstehen können.

Umweltgruppen kritisieren Freisetzungspläne

Entsprechend groß ist der öffentliche Widerstand, seit die Pläne im Oktober 2019 bekannt wurden. Bei einer öffentlichen Anhörung der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) wandten sich 31.000 Bürger*innen gegen das Vorhaben, nur 56 stimmten dafür. „Was könnte da schiefgehen? Wir wissen es nicht, denn die EPA hat sich unrechtmäßig geweigert, Umweltrisiken ernsthaft zu analysieren, und jetzt kann das Experiment ohne weitere Prüfung der Risiken fortgesetzt werden“ sagt Jaydee Hanson von CFS. Auch beim Florida Keys Mosquito Control Board (FKMCB), das die letzte erforderliche Genehmigung erteilte, gingen mehr als 2.000 Kommentare von betroffenen Einwohner*innen Floridas ein, die sich gegen den Freisetzungsversuch äußerten. „Ihre ausweichenden Antworten und mangelnden Managementfähigkeiten sind ein klares Zeichen für ihre Unprofessionalität und Arroganz, die lautstark für einen unvorbereiteten Regulierungsprozess spricht“, kommentiert Ed Russo von der Florida Keys Environmental Coalition die Vorgänge beim FKMCB. Die zugehörige Petition auf Change.org haben inzwischen mehr als 235.000 Menschen unterschrieben. Den Vorschlag einer Volksabstimmung über die Zulassung des Experiments in Florida Keys lehnten die Vorstandsmitglieder der EPA jedoch ab. Neu sind solche Vorhaben von Oxitec in Florida nämlich nicht, bereits 2016 wurde ein ähnliches Projekt mit einer Vorgängerversion der gv-Mücken aufgrund des Widerstands aus der Bevölkerung wieder abgesagt.  

Experiment steht in einer Reihe mit Gene Drive-Versuchen

Nach eigenen Angaben hat Oxitec seit 2009 auf den Cayman-Inseln, in Panama und Brasilien über eine Milliarde gv-Mücken freigesetzt. In Texas wurde die staatliche und lokale Genehmigung für die Freilassung im aktuellen Fall jedoch nicht erteilt. „Unser Schwerpunkt liegt auf unseren Bemühungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie“, sagt Sam Bissett von der lokalen Gesundheitsbehörde.
Als die EPA im Mai dieses Jahres der Freisetzung zustimmte, sprach sie von „einem wirksamen Instrument zur Bekämpfung der Ausbreitung bestimmter von Mücken übertragener Krankheiten“. Dies soll auch für andere Krankheitserreger wie z. B. Malaria gelten, die Oxitec ebenfalls mit Hilfe von gv-Mücken bekämpfen will. Da Malaria von mehreren Mückenarten übertragen wird, will Oxitec sogenannte Gene Drive-Mücken einsetzen, die nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren sollen. Mit Gene Drive wird ein genetisches Element bezeichnet, das konkurrierende Genvarianten aus dem Erbgut verdrängt. Dadurch werden die Regeln der Mendelschen Vererbung außer Kraft gesetzt, da die Gene nicht nur an einen Teil der Nachkommen weitergegeben werden, sondern (theoretisch) an alle. Dieses Vorhaben ist Teil des gemeinnützigen Forschungsprojekts „Target Malaria“, bei dem im Juli 2019 erstmals gv-Mücken (Anopheles gambiae) in Burkina Faso freigesetzt wurden. Beide Projekte werden u.a. von der Bill & Melinda Gates Stiftung finanziert die ebenso die alternativen, gentechnikfreien Ansätze des Weltmoskitoprogramms unterstützt. Dass die Gentech-Vorhaben eine deutliche Zunahme der Risiken für Mensch, Natur und Umwelt sowie eine weitgehende Unkontrollierbarkeit bedeuten können, zeigt die Pilotstudie „Selbstvermehrende künstliche genetische Elemente“. Die EPA erkennt aber in ihrer Stellungnahme in dem Florida-Experiment „keine unangemessenen nachteiligen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt“. Wissenschaftler*innen der University of Illinois bemängelten jedoch eine unzureichende Risikobewertung sowie fehlende Transparenz. Sie stellten aufgrund wissenschaftlicher und ethischer Bedenken als auch der Notwendigkeit einer offenen und partizipativen Entscheidungsfindung die Durchführung dieses Experiments ebenfalls in Frage.

26. Oktober 2020

Matthias Juhas ist Redakteur des GID und Mitarbeiter im GeN.

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