Streit um Biologicals
Scheitert TPP an der Arzneimittelregulierung?
Wie die Debatte um biologische Arzneimittel dazu beitrug, die Verhandlungen zum Trans-Pazifischen Freihandelsabkommen zum Stillstand zu bringen.
Seit nunmehr fünf Jahren sind zwölf Anrainerstaaten des Pazifik - Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, USA und Vietnam - damit beschäftigt, den endgültigen Vertragstext für eine Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) auszuhandeln. Die Verhandlungsrunde Ende Juli in Hawaii sollte eigentlich die letzte sein und die Verhandlungen abschließen, aber dieses Ziel konnte nicht erreicht werden. Ein Hemmschuh für den Abschluss des TPP sind die unterschiedlichen Vorstellungen über intellektuelle Eigentumsrechte für Medikamente: Die USA drängen darauf, dass breitere und längere Monopol-Rechte für Medikamente festgelegt werden. Mit Ausnahme von Japan widersprechen die anderen Verhandlungsstaaten diesen US-Vorschlägen regelmäßig - das zeigt ein geleakter Entwurf des Kapitels zu intellektuellen Eigentumsrechten vom Mai 2014. Auch Australien will den Forderungen nicht nachgeben.
Der Widerstand verwundert nicht, sind die mit den US-Vorschlägen verbundenen Risiken für die Gesundheitssysteme der Verhandlungspartner doch sehr groß. Und sie werden noch größer sein, wenn die Staaten nicht zusammenhalten und die US-Forderungen gemeinsam ablehnen. Ein neuerer Entwurf von Mai 2015, der kürzlich von Knowledge Ecology International veröffentlicht wurde, zeigt, dass die gemeinsame Ablehnung auseinanderzufallen droht.1 Statt die Forderungen vereint zurückzudrängen, scheint jeder Staat für sich zu versuchen, mit Hilfe von kreativer Sprache und ausgefeilten Fußnoten den Eindruck von Zugeständnissen an die USA zu erwecken, dabei jedoch möglichst viele bestehende Standards aufrechtzuerhalten.
Monopolisierung
Ein zentraler Streitpunkt im Zusammenhang mit Medikamenten ist der Zeitraum der Datenexklusivität für Biopharmazeutika, auch als Biologicals bezeichnet. Biologicals sind Arzneimittel, die aus lebenden Organismen hergestellt werden. Zu dieser Gruppe von Medikamenten gehören viele neue und sehr teure Krebsmedikamente, wie beispielsweise das Hautkrebs-Medikament Keytruda, das kürzlich in das australische Arzneimittel-Leistungspaket Pharmaceutical Benefits Scheme (PBS) aufgenommen wurde.2 Ohne den Zuschuss aus dem PBS würde die Behandlung eines Patienten mit Keytruda über 150.000 Australische Dollar pro Jahr kosten.3
Bei der Datenexklusivität für solche Biologicals geht es um den Schutz der Daten, die in klinischen Studien gewonnen wurden. Während ein Medikament unter Datenexklusivität steht, können Hersteller günstigerer Nachahmerpräparate nicht auf die Daten aus den klinischen Studien des ursprünglichen Herstellers zurückgreifen, um eine Marktzulassung ihres eigenen Produkts zu erhalten. Somit handelt es sich bei der Datenexklusivität - neben Patenten - um eine weitere Form von Monopolrechten. Datenexklusivität sorgt für ein absolutes Monopol, das - im Gegensatz zu Patenten - weder aufgehoben noch gerichtlich angefochten werden kann.
Das australische Gesetz für therapeutische Produkte legt in Abschnitt 25a eine fünfjährige Datenexklusivität für alle Medikamente fest - das heißt, nach fünf Jahren können die für die Zulassung eingereichten Daten von Konkurrenten verwendet werden - und es unterscheidet nicht zwischen Biologicals und anderen Medikamenten. Die mächtige Lobby der US-amerikanischen biopharmazeutischen Industrie dagegen versucht schon seit längerem, eine zwölfjährige Datenexklusivität für Biologicals durchzusetzen.4 Aufgrund des starken Widerstands aller anderen Verhandlungsstaaten forderte der US-amerikanische Handelsbeauftragte während der letzten Verhandlungsrunde nur noch acht Jahre. Während das in den USA als ein Entgegenkommen gepriesen wurde, stellt es in Wahrheit noch immer eine bedeutende Ausweitung intellektueller Eigentumsrechte in den meisten TPP-Staaten dar.5
Gute Gründe, nicht nachzugeben
Die australische Regierung hat in der Vergangenheit häufig wiederholt, dass sie alle Vertragsinhalte ablehnen werde, die das PBS unterlaufen oder die Kosten für Medikamente erhöhen könnten, und dass sie keine Verpflichtungen eingehen wird, die über das bestehende nationale Recht hinausgehen. Diesem Versprechen ist sie bisher offenbar treu geblieben. Einige Tage vor dem vorläufigen Abbruch der Verhandlungen in Hawaii sagte der Handelsminister in einem Radiointerview, dass er keinen Grund dafür sehe, längere Monopolrechte für Biologicals zu akzeptieren.
Diese Entschlossenheit hat mehrere Gründe. Der erste sind die Kosten, die die Ausweitung der Monopole verursachen würde. Die Mehrausgaben würden bereits auf kurze Sicht vermutlich hunderte Millionen Dollar pro Jahr betragen.6 Wenn nach und nach der Patentschutz derjenigen Medikamente ausläuft, die im PBS aufgelistet sind, könnten sie langfristig sogar exponentiell ansteigen.
Ein zweiter Grund ist das Ausmaß an politischem Widerstand, der in Australien gegen längere Medikamenten-Monopole existiert. Eine Ausweitung der Datenexklusivität wäre nur machbar, wenn das Gesetz für therapeutische Produkte verändert würde. Die Australian Labor Party sowie die Grünen und viele unabhängige Parlamentarier würden dagegen starken Widerstand leisten. Und das Unvermögen, die notwendige Gesetzgebung im Senat durchzusetzen, könnte das ganze Abkommen gefährden.
Der dritte Grund sind die ausbleibenden Fortschritte in den Verhandlungen um den Zugang zum US-Markt. Berichten zufolge bezieht sich das Angebot der USA für besseren Marktzugang lediglich auf Zucker, ein früheres Angebot für Milchprodukte wurde zurückgezogen.
Außer Japan und Kanada, in denen bereits acht Jahre Datenexklusivität gelten, wird das neue Acht-Jahres-Angebot der USA keine attraktive Option für die anderen TPP-Verhandlungsstaaten sein. Eine aktuelle Äußerung des neuseeländischen Handelsministers, dass die Kosten für Medikamente nach Abschluss des Abkommens ansteigen könnten, löste eine Welle der Empörung aus.7 Die australische Opposition - einschließlich der Labor Party - hat zugesichert, dass sie kein Abkommen unterstützen werde, das die Preise für Medikamente in die Höhe treibt.
Die US-Position ist an sich schon widersprüchlich genug. Denn die Obama-Regierung hat versucht, den Exklusivitätszeitraum für Biologicals auf sieben Jahre zu senken, um die Verfügbarkeit günstigerer Alternativen auf dem Markt zu beschleunigen.8 Dies hätte zu Einsparungen von geschätzten 16 Milliarden US-Dollar innerhalb des nächsten Jahrzehnts geführt.
Mit Ausnahme der US-Unterhändler - und der Lobbyisten der biopharmazeutischen Industrie - ist allen klar, dass die Forderung nach einer Ausweitung der Datenexklusivität für Biologicals fallen gelassen werden muss, soll das TPP abgeschlossen werden.
Übersetzung: Anne Bundschuh
Der Text ist eine geringfügig veränderte Übersetzung eines Artikels, der Anfang August 2015 in The Conversation erschienen ist. Siehe www.theconversation.com beziehungsweise www.kurzlink.de/TTIPmed_b.
Kurz vor Redaktionsschluss haben sich die TPP-Vertragsstaaten auf einen endgültigen Text geeinigt, siehe Rubrik Politik und Wirtschaft, Kurz notiert: "TPP-Verhandlungen abgeschlossen"
- 1Consolidated Text of Intellectual Property Chapter for TPP, 11.05.15, www.kurzlink.de/gid232_x.
- 2Das Pharmaceutical Benefit Scheme ist eine Einrichtung der australischen Regierung, die einen subventionierten Zugang zu Medikamenten ermöglicht, vgl. www.pbs.gov.au.
- 3Das entspricht knapp 94.000 Euro.
- 4Vgl. PhRMA (o.J.): 12 Years of Data Protection In TPP. Note To Media On Elected Officials Support For 12 Years of Data Protection In TPP, www.kurzlink.de/gid232_y.
- 5Kilic, B./Pine, C.: Decision Time On Biologics Exclusivity: Eight Years Is No Compromise. IP Watch, 27.07.15, www.kurzlink.de/gid232_z.
- 6Gleeson, D./Lopert, R./Moir, H.V. J. (2015): Proposals for extending data protection for biologics in the TPPA: Potential consequences for Australia. Submission to the Department of Foreign Affairs and Trade, www.kurzlink.de/gid232_aa.
- 7TPP: Key admits medicine costs will rise. Radio New Zealand, 28.07.15. www.kurzlink.de/gid232_bb.
- 8Gleeson, D./Lopert, R.: TPP could force Australia to American-style health system. The Canberra Times, 25.06.15, www.kurzlink.de/gid232_cc.
Ruth Lopert ist außerordentliche Professorin am Institut für Gesundheitspolitik und Gesundheitsmanagement an der George Washington University in Washington DC. Von 2008 bis 2011 war sie Hauptberaterin für medizinische Fragen bei der australischen Regulierungsbehörde für Arzneimittel und therapeutische Produkte.
Deborah Gleeson ist Dozentin am Institut für Psychologie und Öffentliche Gesundheit der La Trobe University in Melbourne. Sie forscht zu internationalen Handelsabkommen und deren Auswirkungen auf das Gesundheitswesen.