Selektion im Einzelfall?

Die PID-Rechtsverordnung ist verabschiedet

Trotz massiver Kritik hat der Bundesrat die Rechtsverordnung, mit der die Umsetzung des Gesetzes zur Präimplantationsdiagnostik (PID) geregelt wird, dann doch - mit nur minimalen Änderungen - verabschiedet. Gute Aussichten für den reproduktionsmedizinischen Markt.

„Die Änderungsanträge sind so umfangreich, dass sie die Verordnung kippen könnten.“1 Was die Süddeutsche Zeitung kurz vor der Abstimmung der PID-Rechtsverordnung im Bundesrat vermeldete, war Tenor der Berichterstattung in den vergangenen Wochen. Überall wurde von Einwänden verschiedener Bundesländer und Änderungsanträgen mehrerer Bundesratsausschüsse berichtet, und die massive Kritik aus Bundesärztekammer, Deutschem Ethikrat und einer Gruppe von Abgeordneten an der Rechtsverordnung dominierte die mediale Darstellung im Vorfeld der Bundesratsabstimmung. Es schien eng zu werden für die von Gesundheitsminister Daniel Bahr vorgelegten und vom Kabinett beschlossenen Ausführungsbestimmungen zum PID-Gesetz. Aber der Schein hat getrogen. Am Tag vor der Abstimmung einigten sich Ländervertreter und Gesundheitsministerium auf zwei Änderungen am Entwurf der Rechtsverordnung, die kaum dazu geeignet sind, eine Beschränkung der PID auf Ausnahmen zu gewährleisten. Der Intention des Gesundheitsministeriums - ihre Anwendung dem Markt zu überlassen - ist jedenfalls wenig entgegengesetzt worden.

Der Bedarf bestimmt

Ohnehin hatte sich die Auseinandersetzung zwischen BMG und Ländern zuletzt nur noch auf zwei Punkte beschränkt: Die Begrenzung der Anzahl der PID-Zentren und die Frage der Ethikkommissionen. Der Entwurf der Rechtsverordnung hatte die Zulassung von Zentren, die eine PID durchführen dürfen, lediglich davon abhängig gemacht, dass sie bestimmte Anforderungen an die Qualität der PID-Behandlung erfüllen, ihre Anzahl also nicht begrenzt. Das aber, so die Befürchtung, würde schnell zu einer Konkurrenz um AntragstellerInnen führen und damit zu neuen „Angeboten“, die faktisch eine Ausweitung der PID zur Folge haben würden (der GID berichtete).2 Diese Kritik ist nun insofern in der Rechtsverordnung umgesetzt worden, als reproduktionsmedizinische Zentren ausdrücklich keinen Anspruch auf Zulassung als PID-Zentrum haben. Stattdessen erhalten sie nur dann die Erlaubnis, die Selektionstechnik anzubieten, wenn die Genehmigungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes einen Bedarf dafür sieht.3 Damit können die Länder über ihre Zulassungspraxis zwar mitbestimmen, welchen Raum sie der Konkurrenz zwischen einzelnen Zentren und den daraus resultierenden „Angeboten“ geben. Ob damit auf Dauer eine Ausweitung der PID verhindert wird, muss aber bezweifelt werden: Gerade der Bereich der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendungen zeigt immer wieder, welche Blüten die Standortlogik im politischen Tagesgeschäft treibt.

Von Beschränkung keine Spur

Dennoch feiern einige KritikerInnen der PID-Rechtsverordnung die Änderung als Erfolg: Die „ursprünglich mögliche, expansive Anwendung der PID“, so etwa der CSU-Abgeordnete Johannes Singhammer von der CSU, werde nun eingeschränkt. Eine angesichts der wichtigen Änderungsforderungen, die keinerlei Berücksichtigung gefunden haben, wohl vor allem vom frommen Wunsch bestimmte Einschätzung. So wird es keine zentrale Ethikkommission geben, sondern eine pro PID-Zentrum. Damit ist das von vielen KritikerInnen befürchtete „Kommissions-Hopping“ nach wie vor möglich - wird ein Antrag auf PID abgelehnt, kann er anderswo erneut gestellt werden. Auch eine Dokumentation der einzelnen Entscheidungen der Ethikkommissionen für eine PID wird nicht im notwendigen Ausmaß stattfinden.4 Insbesondere für die Öffnungsklausel, die ja schon das Gesetz bereithält, wäre das aber unbedingt erforderlich. Sie erlaubt die PID zu dem Zweck, die befruchtete Eizelle auf eine „schwerwiegende Schädigung“ zu untersuchen, „die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird“.5 Der Ethikrat hatte darauf hingewiesen, dass Informationen über die angenommenen Gründe für diese Wahrscheinlichkeit und über deren Höhe erforderlich sind, soll einer Ausweitung der PID rechtzeitig entgegengewirkt werden.6 Solange aber jede Ethikkommission hier nach Gutdünken Maßstäbe aufstellen kann, bleibt eine „expansive Anwendung der PID“ nicht nur möglich - einem steigenden „Bedarf“ für die Selektionstechnik steht so wenig im Wege. Grund genug, die künftige Praxis der PID nicht aus den Augen zu lassen.

  • 1Vgl. etwa SZ, 30.01.13.
  • 2Bundestagsabgeordnete aller Parteien hatten deshalb wiederholt gefordert, es bundesweit maximal zwei bis drei Zentren zu erlauben, PID anzubieten. Vgl. GID 215, Dezember 2012, S. 41-43.
  • 3Bundesrat, Pressemitteilung 26/2013, 01.02.13.
  • 4Die Rechtsverordnung verlangt lediglich, zu dokumentieren, wie oft eine PID mit der Begründung einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt durchgeführt wurde und wie oft wegen des Vorliegens einer schwerwiegenden Erbkrankheit, und zwar „untergliedert nach Chromosomenstörungen und autosomal-dominant, autosomal-rezessiv und geschlechtsgebunden erblichen Krankheiten“. Vgl. Bundesrats-Drucksache 480/11, 02.09.11, im Netz unter www.kurzlink.de/GID215_f.
  • 5Vgl. ebda.
  • 6Deutscher Ethikrat, PM 13/2012, 23.11.12, im Netz unter www.ethikrat.org/presse/pressemitteilungen/2012/p….
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
216
vom Februar 2013
Seite 47

Uta Wagenmann war Mitarbeiterin des GeN und GeN-Vorstandsmitglied.

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