PID: Ein Verbot ist möglich

Präimplantationsdiagnostik: Wie wird der Bundestag entscheiden?

Die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag spricht sich derzeit für eine beschränkte Zulassung der PID aus. Eine Mehrheit für ein Verbot kann aber noch zustandekommen.
Nachdem sich im Bundestag drei fraktionsübergreifende Gruppen mit je eigenen Vorschlägen zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik formiert haben, ist das parlamentarische Prozedere voll im Gange. Ein großer Teil der Abgeordneten hat sich bereits einem der drei Gesetzesentwürfe angeschlossen und spricht sich mehrheitlich für eine begrenzte Zulassung der PID aus. Den weitgehendsten Gesetzentwurf, mit dem die PID eingeschränkt erlaubt werden soll, haben mit 215 bislang die meisten Abgeordneten aus allen Fraktionen unterzeichnet. Zu den Initiatoren zählen Ulrike Flach (FDP) und Peter Hintze (CDU). 192 Abgeordnete um Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) und Johannes Singhammer (CSU) sprechen sich in ihrem Gesetzentwurf für ein striktes Verbot der PID aus (Verbots-Gruppe). Eine weitere Abgeordnetengruppe um René Röspel (SPD) und Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) will das Verfahren „grundsätzlich“ verbieten, in Ausnahmefällen aber „für nicht rechtswidrig“ erklären, und zwar nur in Fällen, in denen mit einer Fehl- oder Totgeburt zu rechnen ist (Ausnahme-Gruppe). Ihren Gesetzentwurf unterzeichneten 36 Abgeordnete. Das Votum der bereits entschiedenen Abgeordneten entspricht ungefähr dem Meinungsbild im Deutschen Ethikrat (DER), wenn man die Verbots- und Ausnahme-Gruppe zusammenrechnet. Die Hälfte der Mitglieder des DER spricht sich in der im April vom DER veröffentlichten Stellungnahme zur PID für ein Verbot der PID aus.

Bundestagsdebatte

Die Bundestagsdebatte zu den drei konkurrierenden Gesetzesentwürfen fand am 14. April unter großer Beteiligung statt. 30 Abgeordnete meldeten sich in der ungewöhnlich langen Aussprache zu Wort. Weitere zwölf Abgeordnete konnten ihre Reden aus Zeitgründen nur zu Protokoll geben. Neben dem viel zitierten Riss durch die Fraktionen gab es auch Bemerkenswertes festzustellen. Meinungsunterschiede innerhalb der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatten zur Spaltung in eine Verbots- und eine Ausnahme-Gruppe geführt. Biggi Bender, Katrin Göring-Eckardt, Markus Kurth und Volker Beck plädieren für ein Verbot, Priska Hinz und Jerzy Montag für die Ausnahmefall-Regelung. In der Bundestagsdebatte zeigten sich die Abgeordneten aber in der Grundhaltung und der Ablehnung jeder Selektion einig. Nur Krista Sager fiel mit ihrem Votum für die PID aus dem Rahmen - und auch mit ihrer Argumentation. So fürchtet sie einen „deutschen Sonderweg“. Erstaunliches auch bei der Linken: Erwartungsgemäß sprach sich die forschungspolitische Sprecherin Petra Sitte für die Zulassung aus. Die anderen RednerInnen folgten ihr in diesem Votum nicht. Ilja Seifert, Kathrin Vogler, Wolfgang Neškovi und Johanna Voß äußerten sich entschieden gegen eine Zulassung. 178 Abgeordnete waren in den letzten Wochen noch nicht entschieden. Vielleicht war dies der Grund, dass der Gesundheitsausschuss noch einmal Sachverständige zu einer öffentlichen Anhörung geladen hatte, die am 25. Mai stattgefunden hat. Einmal mehr wird deutlich, dass die Bundestagsabgeordneten die Stellungnahmen des DER nicht ernst nehmen und der DER fürchten muss, zum Papiertiger zu mutieren. Allerdings brachte die Anhörung einen neuen Gesichtspunkt in die Debatte. Die Rechtswissenschaftler, die angehört wurden, waren ebenso geteilter Meinung wie die Theologen. Demnach rückt die Frage, ob ein Verbot der PID beziehungsweise eine Zulassung der PID verfassungswidrig ist, in die Sphäre der Glaubensfragen. Wie Stefan Sahm in der FAZ argumentiert, bestimmt in der Medizin nicht der Bedarf die Nachfrage, sondern das Angebot. „Ist erst einmal die genetische Grundlage einer Krankheit aufgeklärt und ein Testverfahren etabliert, plädieren die beteiligten Mediziner dafür, potentiellen Eltern den Test im Rahmen einer PID anzubieten, wie etwa erst kürzlich geschehen im Fall der unter dem Kürzel FAP bekannten familiären Darmpolypenkrankheit.“1 Mit der Krankheit kann man leben, sie macht jedoch eine Entfernung des Dickdarms im Erwachsenenalter notwendig. Inzwischen fordern niederländische Ärzte, Eltern die Option einer PID in diesen Fällen nahezulegen. Sie fordern, was befürchtet wird: dass Krankheitsgene zum Selektionskriterium für die Auswahl des im Reagenzglas gezeugten und auf den Lebenswert getesteten Nachwuchses werden.

Die Entscheidung

Der Gesundheitsausschuss wird das Thema voraussichtlich im Juni abschließend beraten. Der Bundestag könnte dann noch vor der Sommerpause zu einer Entscheidung kommen. Einiges hängt von den noch unentschiedenen Abgeordneten, mehr aber noch vom Verhalten der Ausnahme- und Verbots-Gruppe ab. Wenn sich die beiden Gruppen zusammentun und sich auf einen Antrag einigen würden, könnten sie verhindern, was sowohl die Verbots- als auch die Ausnahme-Gruppe verhindern wollen: die Zulassung der PID.
  • 1Stefan Sahm, FAZ vom 24.05.11, S. 29.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
206
vom Juli 2011
Seite 33

Alexander v. Schwerin lehrt an der TU Braunschweig Wissenschafts-, Technik- und Pharmaziegeschichte und ist Mitarbeiter im Forschungsprogramm zur „Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft“ am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin.

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