Rezension: Prokreative Verantwortung – Moral ohne Kompass?
Procreative Responsibility and Assisted Reproductive Technologies von Davide Battisti

© Routledge
In seiner Monographie „Procreative Responsibility…“ widmet sich der italienische Philosoph und Medizinethiker Davide Battisti der Abwägung von reproduktiver Verantwortung und Freiheit. Im Kontext der Weiterentwicklung und zunehmenden Verbreitung neuer Reproduktionstechnologien sehen sich (werdende) Eltern dieser Abwägung immer deutlicher gegenüber. Battisti liefert zunächst einen kurzen und durchaus aktuellen Überblick der zur Verfügung stehenden Reproduktionstechnologien – vom Eizelltransfer über Pränataldiagnostik bis hin zu Gentherapien beim Fötus. Mit einem Fokus auf reproduktivem Genome Editing stellt er unterschiedliche moralphilosophische Ansätze vor, mit denen sich der Frage nach der reproduktiven Freiheit einzelner, der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem eigenen Nachwuchs genähert werden kann und spielt diese im Detail durch. Mitunter verwirft Battisti aber Argumente gegen den Einsatz dieser Technologien vorschnell bzw. unterschlägt wichtige Argumentationsstränge. Die moralphilosophischen Betrachtungen bewegen sich theoretisch auf hohem Niveau, stellenweise fehlt ihnen aber die Rückkopplung an die gesellschaftliche Realität mitsamt ihren limitierenden Faktoren und strukturellen Ungleichheiten. Dabei wird vergessen, dass Menschen reproduktive Entscheidungen weder im luftleeren Raum, noch unter gleichen Bedingungen treffen. Wer sich aber für eine philosophische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Moralkonzepten in Bezug auf Reproduktionstechnologien begeistern kann und trockene Theorietexte nicht scheut, wird hier eine anregende Diskussionsgrundlage finden.
Battisti, D. (2024): Procreative Responsibility and Assisted Reproductive Technologies. Routledge, 242 Seiten, Print: 128,- Euro, E-Book: 38,- Euro, ISBN: 978-1-03265-208-5
Jonte Lindemann ist Mitarbeiter*in des GeN und Redakteur*in des GiD.