KWS-Patente als Vorboten

Droht mit der neuen Gentechnik eine Patentflut auf Saatgut?

Am 13. Dezember präsentierte der deutschen Saatgutherstellers KWS auf seiner Hauptversammlung 2023 eine Umsatzsteigerung um 18 Prozent. Ein gutes Zeichen für dessen Aktionär*innen. Weniger wurde über die im letzten Jahr von dem Unternehmen angemeldeten kontroversen Patente auf Silomais berichtet.

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Bereits im September 2022 hat KWS Patente auf einen kälteresistenten Mais (EP 3380618) und einen besser verdaulichen Mais (EP3560330) beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldet. Wie auch schon in anderen Patentanmeldungen, zeigt sich an diesen beiden Fällen, wie das EPA die Verbote auf die Patentierung von Pflanzensorten und nicht-technischen Verfahren zur Züchtung nach Artikel 53 b) der EU-Biopatentrichtlinie 98/44 missachtet: Die KWS entdeckt Maissorten, die unter kälteren Bedingungen vergleichsweise gute Erträge abgeben oder bessere Verdaulichkeit zeigen und identifiziert durch Kreuzungsexperimente die dafür verantwortlichen Gene. KWS wendet in einem nächsten Schritt Verfahren der zufällige Mutagenese an. Diese nehmen keinen wesentlichen Einfluss auf die Merkmalsentwicklung und gelten auch nicht als technische Verfahren. Trotzdem wurden die Maissorten vom EPA als technische Erfindung eingeschätzt und die angeforderten Patente vergeben.

Diese Strategie von großen Saatgutherstellern zur Anmeldung von Patenten ist nicht neu. Dabei wird der Anschein erweckt, dass technische Verfahren maßgeblich zur Herstellung des Produkts beitragen, um so den Innovationsgehalt und die Patentierung zu rechtfertigen. In einigen Fällen, wie zum Beispiel auch bei dem Patent des kältetoleranten Mais, werden zusätzlich Verfahren der neuen Gentechnik (NGT) wie CRISPR-Cas9 erwähnt, ohne das diese zu dem Produkt beitragen.

Nur durch eine ungenaue Auslegung des Patenrechts von Seiten des EPA ist diese Praxis möglich. Demnach wird eine Anpassung des Patentrechts die Anmeldung von widerrechtlichen Patenten nicht aufhalten. Es bedarf etlicher Präzedenzfälle, die die Rechtswidrigkeit der Patentanmeldungen bezeugen und auf die sich Organisationen zukünftig stützen können. Anfang des Jahres hat die internationale Koalition von Keine Patente auf Saatgut! auf die erwähnten Patente auf Mais Einspruch eingelegt. Noch haben die Verhandlungen dazu nicht begonnen.

Wenn der Gesetzestext zur Deregulierung von neuen Gentechniken, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, angenommen wird, ist eine Verschlimmerung der Situation zu erwarten. Unternehmen werden versuchen für jegliche Pflanzenmerkmale Patente anzumelden, mit der Begründung, sie seien mit Verfahren der neuen Gentechnik hergestellt worden. Dadurch, dass keine Zulassungskriterien für einen Großteil der Pflanzen im Gesetzesvorschlag vorgesehen sind und auch nicht mit der Unterstützung des EPA zu rechnen ist, kann es zu einer Patentflut kommen, die in erster Linie Züchter*innen benachteiligen wird.

Die Sorge, dass die Deregulierung der neuen Gentechnik zur weiteren Zuspitzung der Monopolisierung von Saatgut führt, teilt auch Cem Özdemir: „Patente durch die Hintertür darf es nicht geben, [sie] blockieren Innovationen und sorgen für Abhängigkeiten”, meldete der deutsche Landwirtschaftsminister in einer Pressemitteilung, nachdem am 11.12.23 im europäischen Agrarrat der Vorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft, den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen, abgelehnt wurde. KWS befürwortete auf deren Hauptversammlung den Kommissionsentwurf. Saatgut zukünftig einfacher zu patentieren ist für europäische Saatguthersteller eine profitable Aussicht – die Konsequenzen für Umwelt und Gesellschaft bleiben dabei unbeachtet.


 

21. Dezember 2023

Gen-ethisches Netzwerk e.V.

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Pascal Segura Kliesow
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