Biodiversitäts-Konvention am Scheideweg?

Konfliktfelder: Gene Drives und DSI

Wesentliche Konfliktpunkte der „Weltnaturkonferenz“ sind zwei biotechnologischen Anwendungen: Gene Drives und Digitaler Sequenz-Information (DSI). Der FDCL und das GeN veröffentlichen ein Briefing-Papier mit Empfehlungen für Regeln zur Sicherstellung der Integrität der Natur und zum fairen Umgang mit den Erzeugnissen und dem Wissen der bäuerlichen und indigenen Gemeinschaften der Länder des globalen Südens.

Sonne scheint durch das Blätterdach im Regenwald

Foto: Simon Matzinger auf pxhere.com

(Berlin, 27.04.22) Anlässlich der bevorstehenden „Weltnaturkonferenz“, der 15. Vertragsstaaten-Konferenz der Konvention über biologische Vielfalt (CBD-COP 15), haben heute das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL) und das Gen-ethische Netzwerk e.V. (GeN) ein Briefing „Biodiversitäts-Konvention am Scheideweg?“ veröffentlicht.

Darin stellen sie die Problematik von zwei biotechnologischen Anwendungen: Gene Drives und Digitaler Sequenz-Information (DSI) dar, die beide wesentliche Konfliktpunkte der Konferenz sind. Das Briefing-Papier enthält außerdem Empfehlungen für Regeln zur Sicherstellung der Integrität der Natur und zum fairen Umgang mit den Erzeugnissen und dem Wissen der bäuerlichen und indigenen Gemeinschaften der Länder des globalen Südens.

In der CBD umstritten ist derzeit zum einen der Umgang mit der neuen gentechnischen Methode „Gene Drives“. Gene Drives machen es möglich, dass sich bestimmte implantierte Eigenschaften in der ganzen Population ausbreiten. Dazu können auch Gene für Unfruchtbarkeit gehören, was zum Aussterben einer Art führen kann. Dazu äußert sich Judith Düesberg vom GeN: „Die Freisetzung von Gene Drive-Organismen ist ein gravierender Eingriff in das ökologische Gefüge mit unvorhersehbaren Folgen für Mensch und Natur! Wir haben noch immer ein sehr begrenztes Verständnis von Ökosystemen und können schlicht nicht beurteilen was das Aussterben einer ganzen Art für Folgen haben kann. Arten und Populationen kennen keine Staatsgrenzen - daher braucht es hier dringend eine strenge internationale Regulierung, die eine ausführliche Risikoprüfung sowie demokratische Beteiligungsprozesse für die Bevölkerung vor Ort umfasst!“

Der zweite Konfliktpunkt ist die Behandlung von Digitaler Sequenz-Information (DSI) von genetischen Ressourcen. Eigentlich wird die Aufteilung der ökonomischen Vorteile, die sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergeben, seit 2014 nach dem sog. „Nagoya-Protokoll“ geregelt. Dazu Andreas Riekeberg vom FDCL: „Wenn die digitalen Sequenz-Informationen in Datenbanken gespeichert und weltweit zur Verfügung gestellt werden, entfällt der materielle Transfer genetischer Ressourcen über Ländergrenzen hinweg. Bislang können die Regeln des Nagoya-Protokolls – so unvollkommen sie auch sein mögen – nach der Sequenzierung der Erbinformation der genetischen Ressourcen mittels digitalen Datentransfers umgangen werden. Das muss sich ändern.Riekeberg warnt: „Wenn Chemie- und Pharmakonzerne im Rahmen der synthetischen Biologie DSI nutzen, kann das im Endeffekt nachhaltige Formen der Landwirtschaft im globalen Süden verdrängen. Die deutsche Forschungsszene sollte mit den Interessen hinter der Nutzung von DSI transparent umgehen und sich für ein umfassendes, auch monetäres Benefit-Sharing einsetzen. Wenn Patente oder Sortenschutzrechte angemeldet werden für Produkte, die auf der Nutzung von DSI beruhen, muss es künftig verpflichtend sein, die Herkunft der jeweiligen genetischen Ressourcen offenzulegen.“

Die Organisationen empfehlen in ihrem Briefing der deutschen Verhandlungsdelegationen, sich bezüglich DSI einzusetzen für Transparenz, für Rechtssicherheit und vor allem für ein umfassendes Benefit-Sharing auch bei DSI, also für die Verpflichtung aller Nutzergruppen auf eine faire Vorteils-Aufteilung. In der Biodiversitätskonvention selber sollte vor allem an den Themen weitergearbeitet werden, die für die  sogenannten Entwicklungsländer des Globalen Südens wichtig sind. Universitäre Forscher:innen und öffentliche Forschungseinrichtungen dürfen sich nicht als Deckmantel für die Interessen der biotechnologischen Industrie hergeben, vielmehr müssen sie daran mitarbeiten diese offenzulegen.

Direkter Download des Briefings „Biodiversitäts-Konvention am Scheideweg?“

Ansprechpartner:innen:
Andreas Riekeberg, Mobil: 0170 11 25 76 4, E-Mail: a.riekeberg@jpberlin.de
Judith Düesberg, 0176 55 23 90 12, E-Mail: Judith.dueesberg@gen-ethisches-netzwerk.de

 

3. Mai 2022

Gen-ethisches Netzwerk e.V.

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Kontakt im GeN:

Judith Düesberg

0176 55 23 90 12

E-Mail: Judith.dueesberg@gen-ethisches-netzwerk.de

Hintergrundinformationen zum Thema DSI und ABS:

  • Riekeberg, Andreas (2019): Biopiraterie 2.0 ? Digitale Sequenz-Information (DSI) und ihr Potential für neue Formen der Biopiraterie.
  • Riekeberg, Andreas (2020): Kaperbriefe für Biopiraterie 2.0 – Worauf zielen die Studien über Digitale Sequenz-Information (DSI) im Vorfeld der 15. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention?
  • Düesberg, Judith (2020): Biopiraterie 2.0? Die Bereitstellung von genetischen Informationen im Internet stellt die internationale Gemeinschaft vor altbekannte und doch neue Fragen. Wer darf wie genetische Information nutzen? Das aktuelle Beispiel einer gentechnisch veränderten Kartoffel zeigt, wie Tatsachen vor Einigungen geschaffen werden.
  • Stellungnahme FDCL und GeN (2020): Datenzugriff schrankenlos– limitierte Nutznießer / „Open Access“ zu Digitaler Sequenzinformation (DSI)
  • Video-Aufzeichnung der Online-Konferenz (Oktober 2020): „ Wer profitiert künftig von der biologischen Vielfalt? Digitale Sequenz-Informationen (DSI) und ihr Potential für neue Formen der Biopiraterie “