Der getestete Embryo

Schwerpunkt

Dieses Jahr sind wir in Deutschland mit zwei Neuerungen konfrontiert, die uns einmal mehr mit den selektiven Potenzialen der Humangenetik konfrontieren. Die eine ist technischer Natur: Die Markteinführung eines Testverfahrens ist angekündigt, mit dem es möglich wird, die DNA eines Embryo aus dem Blut der Schwangeren zu filtern und sehr früh in der Schwangerschaft schon auf Down-Syndrom zu testen. Die andere ist rechtlicher Art: Das Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik (PID) soll demnächst via Rechtsverordnung in die Praxis umgesetzt werden.

Impressum

GID 211, April 2012, 28. Jahrgang, ISSN 0935-2481, Redaktion: Theresia Scheierling (ViSdP), Anne Bundschuh, Monika Feuerlein, Christof Potthof, Susanne Schultz, Alexander v. Schwerin, Maja Stralucke, Uwe Wendling

Artikel in dieser Ausgabe

  • Bluttest kurz vor der Einführung

    Eva Sänger

    In einem sind sich alle einig: Der pränatale Bluttest, der dieses Jahr in Deutschland auf den Markt kommen soll, wird die Rahmenbedingungen für den fötalen „Qualitätscheck“ in der Schwangerenvorsorge entscheidend verändern. Für die Markteinführung hat das Unternehmen LifeCodexx allerdings zunächst eine vorsichtige Strategie gewählt. Die mediale Aufmerksamkeit ist ihm dennoch sicher.

  • Warum überhaupt Kritik am neuen Test?

    Mareike Koch

    Der neue Bluttest, der eine risikolose frühe Diagnose der Trisomie 21 ermöglicht, scheint nur ein weiterer, logischer Schritt in der Entwicklung der Pränataldiagnostik zu sein. Tatsächlich muss aber an dieser Stelle die Frage, ob diese Art der Selektion gesellschaftlicher Konsens ist, dringend neu gestellt werden.

  • Which side are you on?

    In der Beratungsstelle Cara reifen die Pläne für eine Kampagne gegen den Einsatz des neuen pränatalen Bluttests als medizinische Routine. Wichtiges Anliegen ist es, überhaupt eine offene Debatte über Selektion und Eugenik zu initiieren - und über das Lebensrecht von Menschen mit Down-Syndrom.

  • Gentest-Espresso

    Alexander von Schwerin

    Der Ethikrat beriet Ende März über die enorme Beschleunigung in der Gendiagnostik durch den Einsatz von Hochdurchsatz-Technologien. Eine Frage war: Kommt das Genomscreening für die Pränataldiagnostik?

  • Beratungs-Engpässe

    Alexander von Schwerin

    Je mehr genetisch getestet wird, desto häufiger muss seit Inkrafttreten des Gendiagnostik-Gesetzes vor dem Test beraten werden. Nur mit welcher Qualifikation? Die große Masse der BeraterInnen will den Aufwand möglichst gering halten, sehr zur Kränkung der Berufsehre der HumangenetikerInnen.

  • USA: Praenatale Marktlogik

    Uwe Wendling

    In den USA ist ein erstes Verfahren der „nicht-invasiven genetischen Pränataldiagnostik“, wie der neue Bluttest im Fachjargon heißt, schon auf dem Markt. Im Vorfeld hat die Nichtregierungsorganisation Council for Responsible Genetics eine Studie veröffentlicht, die auf verschiedene Problemfelder hinweist.

  • Im Ermessen der Eltern

    Ulrike Baureithel

    Während die Bundesregierung noch an den genauen Regeln für die Präimplantationsdiagnostik (PID) herumdoktert, ist in Lübeck bereits das erste „PID-Baby“ geboren. Die ersten Presseinformationen der Lübecker Klinik waren eher vage, umso klarer die Werbebotschaft. Ein genauerer Blick auf diesen Fall gibt Hinweise, in welche Richtung sich die PID in Deutschland entwickeln könnte.

  • Vor der Rechtsverordnung: Offene Fragen

    Uta Wagenmann

    Das Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (kurz PräimpG) in Deutschland ist zwar am 8. Dezember 2011 in Kraft getreten, konkrete Regelungen für das Entscheidungsverfahren fehlen aber bislang. Das Gesetz gibt dem Bundesgesundheitsministerium, das derzeit die vorgesehene Rechtsverordnung ausarbeitet, enorme Entscheidungsspielräume, und es weist erhebliche Lücken auf. Auf einem Workshop des Arbeitskreises Frauengesundheit Anfang November 2011 in Berlin wurden einige der offenen Fragen diskutiert, das GeN hat sie hier systematisch zusammengestellt.

  • „Völlig intransparente Situation"

    Die Debatte zur Präimplantationsdiagnostik in Deutschland befindet sich in einer Art Warteschleife; schließlich muss die Bundesregierung die Rechtsverordnung zum Präimplantationsdiagnostikgesetz noch erlassen. Für die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag gab die Interims-Rechtslage aber Anlass für ein öffentliches Statement.

  • Gegen binäre Kategorien

    Sie standen vor dem Bundestag, verteilten Flyer auf einer Anti-Papst-Demo und organisierten Podiumsdiskussionen und Workshops. Eine feministische Gruppe aus Berlin erklärt, warum sie zum Thema Präimplantationsdiagnostik letztes Jahr auf die Straße gegangen ist.

  • Bioökonomisches Wachstum

    Christof Potthof

    In ihren neuen Vorschlägen in Sachen Bioökonomie lässt die Kommission der Europäischen Union die Bereitschaft und so auch Ideen für dringend notwendige Partizipationsprozesse vermissen.

  • Geschlechtergrenzen geöffnet?

    Ulrike Klöppel

    Im Februar hat der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme zu Intersexualität veröffentlicht. Für die Organisationen intergeschlechtlicher Menschen war die mediale Aufmerksamkeit politisch wichtig, der Inhalt aber nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Hauptproblem: Die Autorität der Medizin.

  • Organpolitik anders befragt

    Erika Feyerabend

    Die aktuelle Devise zur Transplantationsmedizin ist eindeutig. Mehr SpenderInnen sollen via Gesetzesreform geworben werden. Eine Tagung in Essen diskutierte die blinden Flecken dieser Botschaft: Neue Erkenntnisse zum Hirntod, traumatische Erlebnisse von Angehörigen, unklare Kriterien bei der Organverteilung.

  • Transparenz vs. Kontrolle

    Christof Potthof

    Wenn WissenschaftlerInnen an gefährlichen Themen forschen - sollen ihre Ergebnisse in vollem Umfang publiziert werden? Aktuell läuft eine Art Ultimatum, das GrippeforscherInnen dem Rest der Welt gestellt haben. Testbiotech und das Gen-ethische Netzwerk haben mit einem Offenen Brief Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, in dieser Sache Stellung zu beziehen.