Legaler Zugriff auf Eizellen als fauler Kompromiss?

Kommission der Ampelregierung tagt

Sollen Kinderwünsche durch den Zugriff auf den Körper dritter, unbeteiligter Personen ermöglicht werden oder nicht? Mit dieser komplexen Frage befasst sich nun eine Kommission der Ampelregierung. Einfache Antworten findet bislang nur die FDP.

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Bild von Luan, 15 Jahre.

Eizelltransfers und die sogenannte Leihmutterschaft sind in Deutschland verboten. Das könnte sich bald ändern. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einzusetzen. Allein der schwammige Titel lässt erahnen, welche Kompromisse hier schon in den Koalitionsverhandlungen gemacht wurden. Denn hier werden zwei Themen verhandelt, deren Legalisierung sehr unterschiedliche Auswirkungen haben wird. Einerseits soll die Kommission prüfen, ob Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden können – eine Forderung, die über die feministische Bewegung hinaus Anklang findet und sich gegen antifeministische und rechte Angriffe wappnen muss.

Komplizierter wird es jedoch bei der Frage, ob die Reproduktionstechnologien „Eizellspende“ und „altruistische Leihmutterschaft“ in Deutschland legalisiert werden können. Hierzu gibt es weder einen feministischen Konsens, noch eine nennenswerte gesellschaftliche Debatte. Denn die Gleichung Legalisierung gleich Fortschritt geht hier nicht ganz auf. Zu heikel sind die ethischen Fragen, zu komplex die Rechtsgüter, die es abzuwägen gilt. Auch die Fraktionen der Grünen und SPD tun sich schwer, hier eine Position zu finden. Diese Unsicherheit weiß die FDP zu nutzen und inszeniert sich als queere Fortschrittspartei, die das verstaubte Embryonenschutzgesetz reformieren und Kinderwünsche erfüllen will.

Die Kommission soll’s richten

In dieser Gemengelage hat die Kommission am 31. März 2023 nun etwas verspätet ihre Arbeit aufgenommen. Einberufen durch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollen die 18 Professor*innen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften gemeinsam Grundsätze erarbeiten und nach zwölf Monaten einen Abschlussbericht vorlegen. Untergruppe 1 beschäftigt sich mit der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches. Die zweite Untergruppe soll Möglichkeiten der Legalisierung von Eizelltransfers und sogenannter altruistischer Leihmutterschaft prüfen. Wer genau über die Besetzung entschieden und den Arbeitsauftrag ausgearbeitet hat, ist unklar. Der Prozess war von Intransparenz und Verzögerungen geprägt.

Bei der Einberufung der Kommission strahlten die Koalitionspartner*innen Einigkeit aus. Abwarten, zu welchen Ergebnissen die Sachverständigen kommen, und erst dann eigene Positionen formulieren und Gesetzänderungen angehen – das scheint das gemeinsame Narrativ zu sein. Dabei spricht die Zusammensetzung der Untergruppe 2 eine deutlichere Sprache. Während die Untergruppe zum Schwangerschaftsabbruch mit einer leichten pro choice Tendenz besetzt wurde, trägt die Untergruppe zu Eizelltransfer und Tragemutterschaft eine klare FDP-Handschrift. Von den neun Professor*innen haben einzig Verfassungsrechtlerin Ute Sacksofsky und Bioethikerin Sigrid Graumann eine dezidiert kritische Haltung gegenüber der Legalisierung dieser Reproduktionstechnologien. Offenbar konnte sich die FDP mit ihrer klaren pro Legalisierungshaltung hier durchsetzen und somit fortsetzen, was sie bereits in der vergangenen Legislatur mit ihrem Gesetzesentwurf zur „Änderung des Embryonenschutzgesetzes – Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren“ vorbereitet hat. Damals scheiterte die FDP klar an den Gegenstimmen aller anderen Fraktionen.

Wo stehen Grüne und SPD?

Die Kommission beginnt im Juli ihr zweites Quartal und die Hoffnungen schwinden, dass die dortigen Fragen irgendwie ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Eine Bereicherung der überfälligen gesellschaftlichen Debatte zur Frage, wie wir als Gesellschaft mit Reproduktionstechnologien umgehen wollen, bleibt also zunächst aus. Ebenso werden fraktionsinterne Kontroversen bei Grünen und SPD voraussichtlich erst nach Beendigung der Kommissionsarbeit an die Öffentlichkeit gelangen.

Ein Blick in die bisherigen Äußerungen der Regierungsparteien bringt zwar wenig Klarheit, lohnt aber dennoch, um die Linien abzustecken. In ihrem Wahlprogramm von 2021 positioniert sich die FDP klar für die Legalisierung der „Eizellspende“ und fordert darüber hinaus einen „klaren Rechtsrahmen“, um die „nichtkommerzielle Leihmutterschaft“ zu ermöglichen.1 Mit dieser Forderung bleibt die FDP konsequent. Bereits im Wahlprogramm 2017 forderte sie die umstrittenen Reproduktionstechnologien „unter Auflagen“ zu erlauben. Sie begründeten ihre Haltung damit, dass der Staat sich aus „intimen Angelegenheit heraushalten und freie Entscheidungen ermöglichen [solle], die ethisch vertretbar sind“.2 Wo ihre ethischen Grenzen liegen, formulieren die Liberalen in ihrem Grundsatzprogramm. Das Entscheidungsrecht der werdenden Eltern gelte, „soweit die Menschenwürde nicht beeinträchtigt wird“. Jedoch machen sie hier auch ganz deutlich: „Die Selbstbestimmung geht vor Fürsorge-Überlegungen Dritter.“3 Der Menschenwürde-Anspruch der Eizellgeber*innen und Tragemütter wird hier also dem Kinderwunsch der Bestelleltern untergeordnet.

Die Grünen sehen in ihrem Grundsatzprogramm die Grenzen der Reproduktionsmedizin da, wo die Gesundheit Dritter geschädigt wird.4 Das ist angesichts der fehlenden Studien zu Langzeitfolgen für Eizellgeber*innen eine wichtige Einschränkung.5 Gleichzeitig benennen sie die Potenziale der Reproduktionsmedizin für „selbstbestimmte Elternschaft“ und empfehlen, dass abgewogen werden müsse, welche Methoden „medizinisch und ethisch vertretbar“ seien. Daraus ließe sich ableiten: Die Grünen haben keine Position zu Eizelltransfers und „Leihmutterschaft“ und lassen sich eine Hintertür zur Legalisierung offen. Gleichzeitig zeigt diese Ambivalenz aber auch, wie schwierig eine ernsthafte Debatte zu diesem Themenkomplex innerhalb der Fraktion werden wird und wie groß die Sorge zu sein scheint, dass eine Kontroverse den Erfolg der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs gefährden könnte. Interessant ist hierbei, dass Eizelltransfers und Leihschwangerschaften im Grünen Wahlprogramm 2021 keinerlei Erwähnung finden. Aus grüner Perspektive gibt es wichtigere Gesetzesänderungen voran zu treiben um selbstbestimmte Elternschaft zu ermöglichen (Abstammungsrecht, Selbstbestimmungsgesetz, Kostenübernahme bei In-Vitro-Fertilisation (IVF)).

Wo die FDP klare Positionen und die Grünen die Komplexität der Debatte widerspiegeln, hält die SPD sich komplett bedeckt. Weder im Grundsatz- noch im Wahlprogramm findet sich irgendeine Aussage über Reproduktionstechnologien und ihre Anwendung. Auf Nachfrage des DI-Netz e.V., ein Verein, der sich für die Interessen von Eltern durch Samenspende einsetzt, trifft sie die vage Aussage, dass die „rechtlichen Rahmenbedingungen der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland insgesamt zu prüfen“ seien.6

Wer positioniert sich überhaupt öffentlich?

Befürworter*innen der Legalisierung von Eizelltransfers und Leihschwangerschaft betonen in der Debatte gerne die Erfüllung „queerer Kinderwünsche“. Diese Betonung steht jedoch in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen potenziellen Kund*innen solcher assistierter Reproduktionstechnologien, die überwiegend cis-hetero sein werden. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich bislang sehr wenige queere Interessenvertretungen zur Legalisierungsfrage geäußert haben. Einzig der LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) spricht sich in seinem Positionspapier „Regenbogenfamilien im Recht“ für eine Zulassung der „altruistischen Eizellspende“ aus.7 Andere Organisationen, die sich für die Interessen von LGBTIQ+ Personen einsetzen, wie etwa der Bundesverband Trans* oder ILGA Europe, formulieren keine Position und konzentrieren sich etwa auf die Reform des Abstammungsrechts.

Noch ist die Debatte zudem eine, die unter dem Radar läuft. Zu Wort melden sich Interessensvertretungen ungewollt Kinderloser, wie der Verein „FE-Netz – Familien nach Eizellspende“, der „Verein für die Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland“ (VFDLLD e.V.) oder die „Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs“ die sich für die Legalisierung von Leihmutterschaft und/oder Eizelltransfers in Deutschland einsetzen. Zudem werben auch (Reproduktions-)mediziner*innen für die Legalisierung, wie z.B. erst 2022 die Bundesärztekammer in Bezug auf die Eizellspende, allerdings mit Rahmenbedingungen, die eine Kommerzialisierung ausschließen.8 Kritisch positionieren sich Akteur*innen aus dem christlichen Spektrum, wie etwa die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie. Reproduktionsfreiheit dürfe nicht als „Recht auf ein Kind“ missverstanden werden.9 Zudem äußern sich Akteur*innen wie das Feministische Frauengesundheitszentrum (FFGZ), der Verein Bioskop und die Feministische Initiative gegen reproduktive Ausbeutung (fem*ini) kritisch in Bezug auf Ausbeutungsverhältnisse, genetische Selektion und Kommerzialisierung von Reproduktionsfähigkeit.

Die bittere Pille?

Solange keine der regierenden Parteien eine klare Haltung gegen die Legalisierung von Eizelltransfers und „Leihmutterschaft“ entwickelt und die Debatte weiter unter dem Radar bleibt, stehen die Chancen für eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung zur Zukunft der Reproduktion schlecht. Für eine etwaige Gesetzesänderung noch in dieser Legislatur könnte das bedeuten, dass die Legalisierung der „Eizellspende“ zur bitteren Pille der Feminist*innen innerhalb und außerhalb des Bundestages wird, die den §218 (Schwangerschaftsabbruch) um jeden Preis abschaffen wollen. Vielleicht gelingt aber auch eine Debatte, die reproduktive Selbstbestimmungsrechte nicht gegeneinander ausspielt, sondern im Sinne der reproduktiven Gerechtigkeit geführt wird. Das hieße, die sozialen und ökonomischen Realitäten mit einzuziehen und daraus rote Linien abzuleiten.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
266
vom August 2023
Seite 9 - 10

Derya Binışık ist Referentin im Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie arbeitet zu den Schwerpunkten reproduktive Gerechtigkeit und sexuelle Selbstbestimmung.

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