Rezension: "Bad Blood"
Nur ein Tropfen Blut
Im Jahr 2015 wurde Elisabeth Holmes, Gründerin des Biotech-Start-ups Theranos, als Technologie-Genie gefeiert und mit Apple-Begründer Steve Jobs verglichen. Zwölf Jahre zuvor hatte sich die damals nur 19 Jahre alte Chemiestudentin das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Medizin zu revolutionieren. Die von Theranos entwickelte Technologie sollte es möglich machen, mit nur einem Blutstropfen hunderte medizinische Tests gleichzeitig durchzuführen und Patient*innen präzise und minutenschnell zu diagnostizieren. Ihr Unternehmen, das in seiner Hochphase 800 Mitarbeiter*innen umfasste, und das Größen wie Henry Kissinger im Aufsichtsrat vorweisen konnte, wurde zwischenzeitlich auf neun Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Journalist John Carreyrou beschreibt in seinem Buch detailliert und äußerst mitreißend die Geschichte der Firma bis zu Theranos spektakulärem Niedergang 2017, den der Journalist durch seine Recherchen und Berichterstattung für die Washington Post mit auslöste.
„Bad Blood“ dokumentiert ein besonders herausragendes Beispiel für die Start-up-Blase im Silicon Valley, in der eine charismatische Führungspersönlichkeit und große Versprechen an Investor*innen oft mehr Wert sind als Fakten. Der Fall Theranos ist ein Extrembeispiel und sicher nicht repräsentativ für seriöse Forschung im Bereich Präzisionsmedizin. Doch er illustriert, wie der starke Glaube an die Möglichkeiten der medizinischen Forschung selbst wissenschaftlich versierte Menschen offensichtlich unhaltbare Versprechen glauben lassen kann. Auch Firmen wie 23andme, die wissenschaftlich umstrittene Gentests für Gesundheitsvorhersagen verkaufen, machen sich diesen Glauben zu nutze.
Bis 2015 hinterfragte kaum jemand Theranos Lüge, die durch ein autoritäres Regime und Überwachung der Mitarbeiter*innen aufrecht gehaltenen wurde. Durch das moderne, an Apple angelehnte Design und eine PR-Firma gelang es Holmes unfunktionale Geräte jahrelang als bahnbrechende Technologie zu präsentieren. Erst als Theranos diagnostische Tests an Patient*innen verkaufte, bekamen einige Mitarbeiter*innen Skrupel, und der Schwindel flog schließlich auf.
Interessant ist Theranos Verwendung von Phrasen und Versprechen aus der medizinischen Forschung, die nur zu gerne von Investor*innen, Medien und Öffentlichkeit geglaubt wurden. Auch von Seiten der Wissenschaft wurde erst Kritik geäußert als schon klar war, dass etwas nicht stimmte. Als Ergebnis bezahlten unzählige Patient*innen für falsche Testergebnisse, die teilweise gefährliche Auswirkung auf ihre ärztliche Behandlung hatten. Was die Stammzellkliniken für die Stammzellforschung sind, ist Theranos für die Präzisionsmedizin. Ein Beispiel für das hohe Risiko für Patient*innen durch kommerzielle Interessen im medizinischen Bereich, die durch Intransparenz und das Herunterspielen von Schwachstellen geschützt werden.
➤ John Carreyrou (2018): Bad Blood: Secrets and Lies in a Silicon Valley Startup. Knopf Publishing Group, Englisch, 299 Seiten, 15 Euro, ISBN 978-1-50986-807-0.
Dr. Isabelle Bartram ist Molekularbiologin und Mitarbeiterin des GeN.
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