Nicht ohne Risiko

Über gv-Pflanzen und ihre Bewertung

In der Debatte um den Einsatz von Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion geht es sehr oft um die Risiken, die mit der Technik verbundenen sind. Diese Risiken und ihre Bewertung stehen auch im Zentrum des
aktuellen GID-Schwerpunktes.

Maisfeld

Betreten verboten! (c) Christof Potthof

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes über neue Mutageneseverfahren vom Juli dieses Jahres hat die Frage, welche Risiken mit der Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen zusammenhängen, eine neue Relevanz bekommen. Das Gericht hat – der Einschätzung eines französischen Gerichts folgend – festgehalten, dass „die mit dem Einsatz dieser neuen Verfahren/Methoden der Mutagenese verbundenen Risiken […] als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO durch Transgenese auftretenden Risiken“ gelten können.1 Das wirft die Fragen auf, welcher Art diese Risiken sind und wie sie bewertet werden können.

Inwieweit können gentechnisch veränderte Pflanzen per se als sicher oder unsicher angesehen werden? Dieser Frage gehen wir in einem Interview mit Angelika Hilbeck nach. Die Wissenschaftlerin ist der Ansicht, dass es über diese Frage keinen wissenschaftlichen Konsens gebe. Hilbecks Einschätzung steht der von Gentechniker*innen und Befürworter*innen dieser Methoden entgegen. Diese behaupten oft, nach 20 Jahren Nutzung könne von der Sicherheit der Gentechnik und der mit ihr hergestellten Pflanzen ausgegangen werden.2 Gerade in den letzten Jahrzehnten, so Hilbeck, habe die Forschung so viel Neues über Vererbung und Evolution hervorgebracht. Dieses Wissen müsse in die Bewertung von gentechnisch veränderten Organismen eingehen.

Pflanzen und Produkte, die mit neuen gentechnischen Verfahren modifiziert wurden, sind Thema im Beitrag von Katharina Kawall. Sie beschreibt darin Aspekte, die in deren Risikobewertung berücksichtigt werden sollten. Inwieweit die bisherige Risikobewertung (siehe dazu den Beitrag von Andreas Bauer-Panskus) auch für die Bewertung der neuen Pflanzen und Produkte angemessen ist, muss sich erst noch erweisen. Genome Editing-Verfahren wie zum Beispiel CRISPR-Cas gelten – gerade im Vergleich zu den klassischen Verfahren der gentechnischen Veränderung – als relativ präzise. Kawall zweifelt daran, dass das ein hinreichender Grund ist, sie auch für sicher zu halten.
Auf die Bewertung mit klassischen gentechnischen Verfahren veränderte Pflanzen blickt Andreas Bauer-Panskus in seinem Beitrag. Er vermittelt einen tiefen Einblick insbesondere in die Risikobewertung der Europäischen Union. Bauer-Panskus beschreibt, was von der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit berücksichtigt wird. Dabei stößt er auf eine Reihe von Unzulänglichkeiten, seien sie nun auf der Seite der Behörde entstanden oder eine Folge von „Tricksereien“ der Industrie.

Judith Düesberg hat Stimmen gesammelt, die kurze Kommentare sein sollen, warum sich Personen gegen die Gentechnik engagieren und bis heute skeptisch geblieben sind. Hier wird der Blick auch auf Aspekte gelenkt, die neben den Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt in der Debatte eine Rolle spielen – oder besser spielen sollten –, aber oft untergehen. Die Stimmen können in diesem Sinne auch als Aufrufe verstanden werden, die Debatte um den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft breiter zu führen.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
247
vom November 2018
Seite 6

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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