Transgenes Saatgut in Entwicklungsländern
Sozioökonomische Effekte von gv-Pflanzen sind kaum bekannt
Ein neuer Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag belegt, wie wenig über die bisherigen sozioökonomischen Effekte transgener Pflanzen bekannt ist, und plädiert für eine strikte Problemorientierung bei der Suche nach zukunftsfähigen Agrartechnologien und Bewirtschaftungsweisen.
Die Frage nach den möglichen Potenzialen transgener Pflanzen ist synonym mit der nach den zu erwartenden Auswirkungen - und daher drängt es sich auf, den Blick auf die heutige Situation und die vorhandenen Erfahrungen zu richten. Der Projekttitel des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) lautete dementsprechend „Auswirkungen des Einsatzes transgenen Saatguts auf die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen in Entwicklungsländern“. Die Bundestagssausschüsse für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung wollten wissen: Was weiß man nach mittlerweile zwölf Jahren zunehmendem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Entwicklungs- beziehungsweise vor allem Schwellenländern? Es ist vermutlich kein Wunder, dass es kaum umfassende Darstellungen zu diesem Thema gibt, denn das Spektrum möglicher Untersuchungsperspektiven und Teilfragen ist enorm - allein deshalb, weil die geografischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen in den verschiedenen Ländern äußerst unterschiedlich sind. Im TAB-Projekt wurde deshalb eine Kombination von allgemeinem Überblick und detailreicher Einzelanalyse gewählt, indem vier Länderfallstudien an Expertinnen und Experten aus der Entwicklungszusammenarbeit vergeben wurden, die dann vergleichend ausgewertet wurden: zu Brasilien, Chile, China und Costa Rica. Der folgende Beitrag fasst die Ergebnisse der vergleichenden Auswertung und daraus abgeleitete Folgerungen zusammen.
Derzeitiger Anbau in Entwicklungsländern
Der Anbau transgener Sorten in Entwicklungsländern findet vor allem in Schwellenländern statt und konzentriert sich auf zwei so genannte Cash Crops, also landwirtschaftliche Produkte, die in ähnlicher Qualität und großen Mengen meist zur industriellen Verarbeitung hergestellt und auf den internationalen Agrarbörsen gehandelt werden: herbizidresistente (HR-)Soja in Südamerika sowie insektenresistente Bt-Baumwolle in Indien und China. Hinzu kommen kleinere Anbauflächen mit transgenem Mais vor allem in Südafrika, in Argentinien und auf den Philippinen. Ein Anbau für die Ernährungssicherung oder für lokale Märkte spielt insgesamt kaum eine Rolle. Allerdings wird insbesondere die Bt-Baumwolle in China und Indien überwiegend von Kleinbauern angebaut - nach den gängigen Zahlen von gut sieben Millionen in China und von knapp vier Millionen in Indien. Hinzu kommen insgesamt geschätzte 100.000 Kleinbetriebe auf den Philippinen und in Südafrika, die transgenen Mais anbauen. Die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser als Futtermittel und zur Textilherstellung verarbeiteten und exportierten pflanzlichen Produkte ist häufig groß. Baumwolle ist zum Beispiel in China das wertmäßig wichtigste landwirtschaftliche Produkt überhaupt und wird zu zirka 70 Prozent aus transgenen Sorten gewonnen, während in Brasilien Soja das zentrale landwirtschaftliche Produkt ist, das einen Anteil von zirka zehn Prozent am Gesamtexport des Landes hat und 2007 zu etwa zwei Dritteln mithilfe transgener Sorten produziert wurde.
Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen: Kapazitäts- und Zugangsfragen
Eine erfolgreiche nationale Eigenentwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) ist nur bei erheblicher wirtschaftlicher Potenz und umfassenden Forschungskapazitäten realistisch - unter den Beispielländern ist dies nur in China der Fall. In den anderen Ländern werden Forschung und Entwicklung von internationalen Firmen dominiert (Brasilien) oder der Umfang der Aktivitäten und Kapazitäten erscheint begrenzt (Costa Rica und Chile). Wichtige Hemmnisse und Schranken sind die Patentierung vieler Verfahren und Produkte (dazu noch in der Hand weniger großer Unternehmen) sowie die zum Teil unklare Regulierungslage, welche die Erfolgsaussichten eines FuE-Engagements schwer kalkulierbar machen. Insbesondere in kleinen oder armen Ländern sind die wissenschaftlichen und infrastrukturellen Kapazitäten für eine eigenständige landwirtschaftliche Forschung im Allgemeinen und zu gentechnologischer Entwicklung im Speziellen unzureichend. Daher muss in den betreffenden Ländern geklärt werden, welche Art der Kooperation (mit privaten Firmen, internationalen Institutionen/Organisationen, öffentlicher Forschung und Entwicklung (FuE) in Industrieländern) bei der Suche nach bestmöglichen Lösungen für landesspezifische Problemstellungen besonders erfolgversprechend und wünschenswert ist. Eine Beteiligung von Kleinbauernvertretern und anderen sozialen Gruppen bei der Formulierung von Forschungsbedarf und der Suche nach neuen (technologischen) landwirtschaftlichen Strategien ist bislang kaum gegeben.
Bisherige ökonomische Resultate: Schwache Datenlage
Eine abschließende Bewertung der betriebs- und volkswirtschaftlichen Höhe und Verteilung der Gewinne, die durch den Anbau transgener Pflanzen in Entwicklungs- und Schwellenländern erzielt worden sind, ist aufgrund unzureichender Daten derzeit nicht möglich. Studien, die beanspruchen, dies leisten zu können, sind wissenschaftlich nicht untermauert und basieren auf nicht belastbaren Hochrechnungen. Seriöse wissenschaftliche Übersichtsstudien verweisen auf das grundsätzliche Problem, dass der tatsächliche beziehungsweise mögliche Nutzen und Gewinn aus der Verwendung transgenen Saatguts in vielfacher Weise durch regionale und betriebliche Faktoren beeinflusst wird, unter anderem durch die vorhandene beziehungsweise vorher verwendete Anbautechnik, die Schädlingsintensität, den stark schwankenden Saatgutpreis, die Konkurrenzsorten und vieles andere mehr. Der Einfluss einzelner Faktoren, zum Beispiel des gentechnisch übertragenen Merkmals, auf die einzelnen Effekte und den Gesamtertrag ist aber in den meisten Fällen nicht exakt zu bestimmen. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass methodisch verbesserte ökonomische Untersuchungen die fundamentalen Kontroversen über die Potenziale der Grünen Gentechnik substanziell entschärfen können.
Sozioökonomische Aspekte und Fragen der Teilhabe
Weitere sozioökonomische Folgen einer verbreiteten Nutzung transgener Sorten sind auf zwei Ebenen zu beobachten: dem Saatgutmarkt (einschließlich der Ausgestaltung der Schutzsysteme für geistiges Eigentum) sowie den agrarstrukturellen Gegebenheiten wie Betriebsgrößen und Eigentumsverhältnissen. Angesichts der teils monopolartigen Machtstellung der großen Biotechsaatgutunternehmen im Bereich transgener Sorten, die zum Teil auf wenig entwickelte, dezentrale Saatgutmärkte trifft, ergeben sich drängende Fragen zu den Möglichkeiten einer Steuerung der weiteren Entwicklung. Kritiker der Verbreitung der HR-Soja in Brasilien gehen beispielsweise davon aus, dass ein möglicher ökonomischer Vorteil nicht den landwirtschaftlichen Familienbetrieben und traditionellen Erzeugergemeinschaften zugute komme. Darüber hinaus ist im brasilianischen Sojaanbau ein negativer Einfluss durch die Dominanz der HR-Soja von Monsanto auf die Zahl der kleinen und mittleren Saatgutproduzenten und deren Sortenangebot erkennbar. Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe stellen sich in praktisch allen Teilbereichen der Entwicklung und Nutzung transgenen Saatguts: bei der Frage nach der Zielsetzung und der Ausgestaltung der FuE-Agenda der Länder, der Suche und Einigung über ein Nachhaltigkeitskonzept, der Verteilung der ökonomischen Vorteile und auch bei der Frage nach dem Umgang mit möglichen Risiken. Insbesondere die Fallstudien zu Brasilien und Costa Rica machen deutlich, dass die heftigen Kontroversen in diesen Ländern ganz zentral um die Themen Teilhabe und Sozialverträglichkeit kreisen und nicht vorrangig um »technisch-naturwissenschaftliche« Fragen von „biologischer Sicherheit“. Doch nicht nur im Bereich der Forschung, sondern auch bei der Risikoregulierung stellt eine Beteiligung von Interessengruppen außerhalb von Industrie und Wissenschaft nach wie vor eher ein Desiderat, das heißt etwas Erwünschtes oder Vermisstes dar, das aber auch in der EU nach wie vor stark umstritten ist.
Risiken - Bewertung und Regulierung
Eine Bewertung der möglichen Risiken ebenso wie von tatsächlich beobachteten negativen Effekten der Nutzung transgener Sorten ist entscheidend abhängig vom gewählten Vergleichsmaßstab sowie den betrachteten Wirkungsebenen. Deshalb erscheinen sowohl eine unrelativierte (also ohne Vergleich mit der bisherigen beziehungsweise sonstigen landwirtschaftlichen Praxis) als auch eine zu stark fokussierte Risikoanalyse (auf naturwissenschaftlich oder agrarökonomisch unzweifelhaft bewiesene Effekte) unangemessen. Bei einer Betrachtung von Bt-Sorten als eine mögliche Option des Pflanzenschutzes - aber nicht als unbegrenzt nutzbare Lösung der Schädlingsproblematik -, die seriös gegen andere Optionen abgewogen werden muss, relativieren sich viele der in der Debatte angeführten besonderen Risiken (Wirkung auf Nichtzielorganismen, sonstige Ökotoxizität, Resistenzproblematik). Gleichzeitig ist zu fordern, dass als Vergleichsmaßstab für Bt-Sorten nicht nur die konventionelle Praxis, sondern andere innovative, wissensbasierte Optionen, zum Beispiel aus dem Bereich des integrierten Pflanzenschutzes und des ökologischen Landbaus, herangezogen werden sollten. Eine Risikobewertung von HR-Sorten erscheint noch komplexer, weil von ihrem Einsatz vielfältige und indirekte Effekte auf die Anbautechnik (Reduzierung der Bodenbearbeitung, Treibstoffeinsparung) und die Landnutzung (Fruchtfolgen, Flächenausdehnung) ausgehen. Im Bereich der Risikoregulierung gelten in vielen Ländern die Regelungsstrategien und Regelwerke nach wie vor als mangelhaft, oder sie fehlen ganz. China und Brasilien haben seit Langem umfassende Vorschriften zum Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen, in Costa Rica und Chile sind entsprechende Gesetzentwürfe noch im parlamentarischen Verfahren. Wie effizient und umfassend die Umsetzung und Kontrolle der Vorschriften in China erfolgen, kann aufgrund unserer Informationen nicht verlässlich eingeschätzt werden. Das Beispiel Brasilien zeigt allerdings, dass auch eine entwickelte Gesetzgebung wenig nützt, wenn sie nicht angewendet wird. Markant sind beziehungsweise waren in Brasilien die nachholenden Zulassungen per Dekret.
Handlungsperspektiven im Bereich Biosicherheit und Regulierung
Wie die Projektergebnisse zeigen, sind nach „strengen“ deutschen beziehungsweise europäischen Maßstäben die wissenschaftlichen und regulativen Voraussetzungen in den meisten Entwicklungsländern immer noch nicht und selbst in weitentwickelten Schwellenländern nicht umfassend gegeben. Dies rechtfertigt die bisherige Konzentration der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf das „capacity building“ im Bereich der biologischen Sicherheit im Sinne beziehungsweise zur Umsetzung des Cartagena-Protokolls. Eine solche Unterstützung erscheint angesichts dessen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen in wachsendem Umfang angebaut werden und kontinuierlich, zum Teil auf unkontrollierten Wegen in immer mehr Länder vordringen, sinnvoll und notwendig. Unter anderem dürften die folgenden Aspekte des Themenbereichs biologische Sicherheit und Regulierung von besonderer zukünftiger Bedeutung für Entwicklungsländer sein (beziehungsweise bleiben) und sind daher Aufgabenfelder für eine intensive Zusammenarbeit: Zum einen eine Verbesserung von Risikobewertung und Risikokommunikation, insbesondere zur Frage, welche Elemente bereits durchgeführter Sicherheitsbewertungen aus anderen Ländern übernommen werden können und welche landes- beziehungsweise regionenspezifisch neu zu untersuchen sind. Zum anderen die Konkretisierung und Substanziierung des Wissens über die Bedrohung der Biodiversität durch die Nutzung transgener Sorten. Über diese konkreten Aufgaben im Themenbereich biologische Sicherheit und Regulierung hinaus wäre es für viele Länder eine wichtige Zukunftsaufgabe, eine grundsätzliche Verständigung über die Ziele, Strategien und Wege einer nachhaltigen Landwirtschaft und deren Prioritäten (zum Beispiel Gesundheit, Bodenfruchtbarkeit, biologische Vielfalt, CO2-Ausstoß, ländliche Entwicklung, Ressourcenverteilung) zu erreichen - das gilt allerdings auch für die meisten Industrieländer.
Transgene Sorten als landwirtschaftliche Zukunftsoption?
Einiges spricht dafür, dass es für eine Bewertung des zukünftigen Problemlösungspotenzials gentechnischer Züchtungsansätze nicht ausreicht, vorhandene Entwicklungen zu betrachten, weil die kommerziell verfügbaren und zumindest auch die in fortgeschrittener Entwicklung befindlichen transgenen Pflanzensorten nur einen beschränkten Ausschnitt repräsentieren. Die Erforschung gentechnischer Züchtungsansätze erfolgt zwar dezentral auch in öffentlich finanzierten Einrichtungen sowie in kleineren Firmen, die eigentliche Entwicklung von GVP erfolgt jedoch ganz überwiegend durch wenige große Saatgutunternehmen, von denen viele der bedeutendsten, allen voran Monsanto, aber auch DuPont/Pioneer, Syngenta, Bayer CropScience und BASF, auch wichtige Agrochemikalienproduzenten sind. In Verbindung mit der (im Wortsinn) exklusiven Bedeutung patentgeschützter Verfahren in der Pflanzengentechnik ist es daher mehr als naheliegend, dass die auf dem Markt verfügbaren transgenen Pflanzen diejenigen repräsentieren, die am besten in das Portfolio dieser Firmen passen, und bei Weitem nicht all diejenigen, die potenziell auf den Saatgutmärkten erfolgreich sein könnten. Eine Fortschreibung der bisherigen Entwicklung lässt eine mindestens gleichbleibende, vermutlich sogar noch wachsende Dominanz dieser wenigen, großen Biotechsaatgutfirmen erwarten, die natürlich ein vorrangiges Interesse an erfolgreichen, gewinnbringenden Sorten haben, deren transgene Eigenschaften möglichst lange bei möglichst vielen Anwendern ihre Funktion erfüllen. Einer Diversifizierung sind unter den Bedingungen des Weltagrarmarktes relativ enge ökonomische Grenzen gesetzt, sodass eine spezielle Sortenentwicklung zum Beispiel für arme Entwicklungsländer oder Regionen von den Firmen aus eigenem Antrieb realistischerweise nicht erwartet werden kann. Viele Befürworter der Grünen Gentechnik sehen neben der Firmeninteressen- und Patentschutzproblematik weitere wichtige Gründe für die geringe Zahl entwicklungsländerspezifischer Sorten in der - nach ihrer Ansicht übertrieben strengen - Regulierung sowie den Kampagnen der Gegner. Doch unabhängig davon, welche Faktoren dominieren - fest steht: Die Entwicklung einer marktfähigen transgenen Sorte ist langwierig, aufwendig und teuer und kann daher von öffentlichen Institutionen, auf jeden Fall in kleineren Ländern, oder von kleineren Firmen nicht geleistet werden.
Offenen Fragen
Insgesamt herrscht auch 25 Jahre nach Entwicklung der ersten transgenen Pflanze und nach zwölf Jahren des großflächigeren Einsatzes von transgenem Saatgut eine große Unsicherheit, • ob in der Gentechnik ungewecktes Potenzial für eine nachhaltige Landwirtschaft - in Industrie- wie in Entwicklungsländern - steckt, • ob dieses angesichts vor allem der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen überhaupt ausgeschöpft werden könnte beziehungsweise • ob nicht andere Optionen ökonomisch, ökologisch und sozial erfolgversprechender und daher vorzuziehen sind. Wie bei anderen Technologieanwendungen auch, sind Fragen wie diese oftmals nicht eindeutig und abschließend zu beantworten. Die Komplexität der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aus- beziehungsweise Wechselwirkungen hat zur Folge, dass eine technologiefixierte Bewertung („Chancen und Risiken der Grünen Gentechnik“) angesichts der großen Interessen- und Zielkonflikte verschiedener gesellschaftlicher Gruppen realistischerweise nicht der Schlüssel zu einer übergreifenden Verständigung sein kann. Die Projektergebnisse verdeutlichen, dass ökologische und gesundheitliche Auswirkungen gar nicht so sehr im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen über den Einsatz transgenen Saatguts stehen, sondern letztlich vor allem die sozioökonomischen Konsequenzen sowie Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe und des Interessenausgleichs.
Prüfung ohne Vorabfestlegung
In der Summe spricht dies stark für eine ernsthaft problem(lösungs)orientierte Herangehensweise bei der Suche nach zukunftsfähigen Agrartechnologien und Bewirtschaftungsweisen. Mit Blick auf transgene Pflanzen bedeutet dies, im Rahmen einer Prüfung gentechnische Optionen ohne Vorabfestlegung zu prüfen. So wäre mit Bezug auf die Folgen des Klimawandels und Probleme der Wasserverfügbarkeit oder sonstige Stressfaktoren zunächst einmal nach den vorhandenen und absehbaren landwirtschaftlichen Herausforderungen insgesamt zu fragen und erst dann nach Wegen einer möglichen beziehungsweise nötigen Anpassung der Anbaumethoden. Dabei wird man in Teilfragen zum Beitrag der Pflanzenzucht gelangen, und erst dann lassen sich sinnvoll Optionen der Grünen Gentechnik prüfen. Analoges gilt für das Problem der Mikronährstoffdefizite und vieles andere mehr. Selbstverständlich entbindet dies nicht von einer Berücksichtigung technikspezifischer Dimensionen (zum Beispiel der höheren Anforderungen an Maßnahmen zur Gewährleistung der biologischen Sicherheit) - dies muss Teil des Abwägungsprozesses sein.
Arnold Sauter ist stellvertretender Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Er leitet dort das aktuell laufende Projekt „Synthetische Biologie“. Das TAB im Netz unter www.tab-beim-bundestag.de.
Einschätzungen des TAB-Berichts zu den Potenzialen transgener Pflanzen für Entwicklungsländer:
• Der bisherige Nutzen des Einsatzes transgenen Saatguts in Entwicklungs- und Schwellenländern erscheint in Bezug auf das Spektrum der Pflanzenarten, Sorten und Eigenschaften begrenzt. • Die Datenlage zu den sozioökonomischen Effekten ist nach wie vor schwach und lässt noch nicht einmal auf nationaler Ebene eine abschließende Bewertung der bisherigen betriebs- und volkswirtschaftlichen Effekte (Erträge, Gewinne und Gewinnverteilung, Sektoreinkommen) zu. • Für eine Bewertung transgener Sorten sollten alternative wissensbasierte Optionen zum Beispiel des integrierten Pflanzenschutzes herangezogen werden und nicht der ökologisch und sozioökonomisch oft mangelhafte Status quo der landwirtschaftlichen Praxis. • Die kommerziell verfügbaren und zumindest auch die in fortgeschrittener Entwicklung befindlichen transgenen Pflanzensorten repräsentieren nur einen beschränkten Ausschnitt des prinzipiell vorstellbaren Potenzials gentechnischer Züchtungsansätze. Die Gründe hierfür liegen in den mangelnden wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kapazitäten der meisten Entwicklungsländer, der Kontrolle der Verfahren und Produkte durch die Patentinhaber sowie einer häufig ungenügenden Risikoregulierung. • Die Frage, ob gentechnisch veränderte Pflanzen in mittlerer und fernerer Zukunft nachhaltige, regional angepasste Optionen für unterschiedlich entwickelte Agrarwirtschaften bieten können, lässt sich gegenwärtig nicht fundiert beantworten. • Das Potenzial gentechnischer Züchtungsansätze sollte im Rahmen einer differenzierten, problemorientierten Herangehensweise bei der Suche nach zukunftsfähigen Agrartechnologien und Bewirtschaftungsweisen ohne Vorabfestlegung geprüft werden.
Quelle: TAB-Arbeitsbericht 128, S. 5
(Arnold Sauter)
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