Widerstand und Wandel
Einführung
Eine Erfolgsmeldung jagt die andere. Jedes Jahr steigert sich der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen um fünf oder zehn Prozent. Und von einer Bevölkerung, die sich gegen diese Entwicklung wehrt, ist wenig zu hören. So sind wir es seit mittlerweile etwa 15 Jahren aus den USA gewohnt. Dieses Bild hat auch dazu beigetragen, dass die hiesigen Befürworter der Agro-Gentechnik dazu neigen, über den Atlantik zu blicken und die guten Bedingungen dort zu loben: eine Regulierung, die Firmen und Universitäten nicht zu eng bindet; eine Regierung, die ihre Biotechnologie-Branche nach Kräften unterstützt und sogar im Ausland für diese wirbt.
Wandel
Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Es scheint, als finde auch in den USA ein Umbruch statt. Plötzlich gibt es Berichte über enttäuschte Bauern und über Gerichte, die die Behörden in ihrer laxen Art, mit Gen- und Biotechnologien umzugehen, korrigieren. Michael Hart ist ein Bauer aus dem Süden Englands. Auch er hatte die Berichte über Bauern gehört, die mit der Gentechnik und dem landwirtschaftlichen System unzufrieden waren. Das wollte er genauer wissen und er hat deshalb in den beiden letzten Jahren in den USA einen Film gedreht. Über diesen Film, der in Kürze im Internet kostenlos verfügbar sein wird, hat GID-Redakteur Christof Potthof mit Michael Hart gesprochen. Believe it - or not, glauben Sie es oder nicht, Hart hatte große Schwierigkeiten, einen Landwirt zu finden, der mit den gentechnischen Sorten zufrieden war. Nichtsdestotrotz werden sie angepflanzt. Nicht mehr angepflanzt werden derzeit gentechnisch veränderte Varianten von Nutzpflanzen, wie zum Beispiel Luzerne, Zuckerrübe oder dem so genannten creeping bentgrass, einer Gras-Sorte, die in den USA auf Golfplätzen genutzt wird. Ihr Anbau wurde von Gerichten gestoppt, da die Genehmigung gegen die eine oder andere Regulierung verstoßen hatte. Nicht ganz unschuldig sind daran Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel das Zentrum für Lebensmittelsicherheit (Center for Food Safety - CFS), die in den letzten Jahren vermehrt auf eine Strategie gesetzt haben, in der die Kontrolle der Behörden eine größere Rolle spielt. Sie klagen gegen Genehmigungen, aber damit nicht genug: Wie unsere Autorin Marija Pop-Trajkova zu berichten weiß, werden zunehmend auch die „normalen” Menschen in den politischen Protest miteinbezogen. Wurden sie in der Vergangenheit als KonsumentInnen angesprochen, bringen sie sich heute auch als politischer Akteur ins Spiel. Pop-Trajkova hat sich die Entwicklung vor Ort angesehen und ihre Master-Arbeit als Anthropologin darüber geschrieben.
Widerstand
Konsumentinnen und Konsumenten haben gemeinsam mit Händlerinnen und Händlern im Oktober dieses Jahres den ersten gentechnikfreien Monat der USA organisiert. Davon erzählt der Text von Anne Bundschuh. Diese Bewegung ist auch in den USA unübersehbar: Nahrungsmittel, die erkennbar frei von gentechnisch veränderten Produkten sind, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Bereits im Februar dieses Jahres hatte der Branchendienst für den Lebensmittelmarkt Nielsen den Trend angezeigt. Die Kennzeichnung „GMO-free“ ist das am schnellsten wachsende Label in der Abteilung „Gesundheit und Wellness“. TraceConsult in der Schweiz kommentiert diese Entwicklung wie folgt: „Wenn man dazu die hunderte von Blogs und Informationsforen, verteilt über das politische Spektrum vom Cheney-konservativen Newsmax.com bis zur liberalen Huffington Post, betrachtet, stellt man immer wieder fest, dass amerikanische Verbraucher nach 13 Jahren selbst-auferlegter schweigender Ahnungslosigkeit nunmehr zügig aufwachen in Bezug auf die allgegenwärtige grüne Gentechnik, die ihr Leben durchdringt, und dass sie darin gegenüber ihresgleichen in Europa kräftig aufholen.“ Just in den letzten Tagen und Stunden vor dem Layout dieser Ausgabe erreichen uns die ersten Meldungen, was in den von WikiLeaks veröffentlichten Dateien der US-Diplomaten in Sachen Agro-Gentechnik gefunden wurde. Das wollen wir im Moment nicht ungefiltert weitertragen, sondern lieber noch erwähnen, was in diesem Heft nicht zu finden ist: Der US-Gentechnikkonzern Monsanto hat anscheinend eine Firma engagiert, um Nichtregierungsorganisationen und andere KritikerInnen auszuspionieren. Entgegen unserer Erwartung hat sich hier nichts Neues ergeben. Das Gleiche gilt für das folgende Kapitel: Im Februar 2009 haben sich WissenschaftlerInnen, die sich mit gentechnisch verändertem Mais beschäftigen, im Rahmen eines Zulassungsverfahrens bei der US-Bundesumweltbehörde beklagt, dass eine wirklich unabhängige Forschung nicht möglich sei, weil die Saatgutfirmen diese auf der Basis von geistigen Eigentumsrechten einschränken. Es hat, wie in wissenschaftlichen Magazinen berichtet wurde, anscheinend Gespräche zwischen den WissenschaftlerInnen und der Industrie, allerdings ohne substantielle Ergebnisse, gegeben. Etwas anders liegt die Gemengelage bei der Debatte um das Für und Wider des gentechnisch veränderten Weizens. Nachdem es im Frühjahr und Sommer verschiedene Nachrichten und Stellungnahmen dazu gegeben hat, ist es mittlerweile wieder sehr ruhig geworden. Last but not least noch kurz eine Nachricht, die buchstäblich mit dem Ende des Textes in die Redaktion kommt: Eine kanadische Firma hat in den USA die Zulassung einer gentechnisch veränderten Apfelsorte beantragt. Die Äpfel sollen wegen ihrer gentechnischen Veränderung nicht mehr braun werden.
Die GID-Redaktion
Anbau von GVO in den USA
In den USA wird so viel landwirtschaftliche Fläche mit gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen bewirtschaftet, wie in keinem anderen Land der Erde. 2009 bauten Farmer dort auf 64 Millionen Hektar Gentech-Pflanzen an, was knapp der Hälfte der gv-Anbaufläche weltweit entspricht.(1) Gegenüber dem Vorjahr war dies eine Zunahme um etwa zwei Prozent. Zum Anbau zugelassen sind gv-Varianten von Soja (31,4 Millionen Hektar, Mha), Mais (etwa 28 Mha), Baumwolle (3,5 Mha), Raps (canola, knapp 340.000 ha), Papaya, Zuckerrübe (475.000 ha), Luzerne (Alfalfa), Kürbis und Kartoffel. Allerdings werden nicht alle diese Pflanzen auch angebaut. Auf 98 Prozent der Fläche mit gentechnisch veränderten Pflanzen wachsen die drei wichtigsten gv-Pflanzenarten: Soja, Mais und Baumwolle. 2009 war etwa ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche der USA mit gv-Pflanzen bestellt. Zusätzlich wurden Freisetzungsversuche durchgeführt.
FDA, APHIS, EPA
In den USA gibt es keine eigene Gentechnik-Gesetzgebung, wie dies in Europa der Fall ist. Gentechnisch veränderte Pflanzen wurden in verschiedene Bereiche des bestehenden Rechtssystems eingeordnet, die von verschiedenen Behörden federführend verwaltet werden. Die Nachrichtenagentur Reuters beschreibt die Aufteilung der Kompetenzen auf verschiedene Behörden wie folgt: „Das Ergebnis ist ein System, das einen gentechnisch veränderten Fisch unter der Bundesaufsicht für Medikamente und Lebensmittel verhandelt und gentechnisch verändertes Herbizid-tolerantes Mais-Saatgut als potentiellen Schädling ansieht, das durch den Tier- und Pflanzen-Gesundheitsdienst (2) reguliert werden muss, bevor es an die Bauern verkauft werden kann. (...) Der Prozess ist teuer und zeitraubend für die Entwickler der Biotech-Pflanzen und es kann passieren, dass man zu drei verschiedenen Stellen muss, bevor ein neues Produkt auf den Markt kommen kann.“ Nina Federoff, eine uneingeschränkte Befürworterin gentechnisch veränderter Pflanzen, die das US-Landwirtschaftsministerium berät und bei der Werbung für Gentech-Pflanzen auf der ganzen Welt unterstützt, charakterisiert die Situation folgendermaßen: „Wir predigen der Welt etwas von einer Regulierung, die sich auf die Wissenschaft stützen soll, aber in Wirklichkeit ist unser eigenes System nicht Wissenschafts-basiert.“(3)
Fußnoten: (1) Alle Zahlen auf der Basis des Industrie-nahen ISAAA. Im Netz unter www.isaaa.org. (2) Der „Animal and Plant Health Inspection Service“ - (APHIS) ist eine Bundesbehörde unter dem Dach des US-Landwirtschaftsministeriums. Siehe auch Seite 13 in diesem Heft. (3) Alle Zitate aus: Reuters: Special Report: Are regulators dropping the ball on biocrops?, 14.04.10, von Carey Gillam.
(Christof Potthof)