Das richtige Design?
Versuche müssen geeigneten Regeln folgen
In der Debatte um die Forschungsergebnisse des französischen Molekularbiologen Gilles-Eric Séralini und seiner MitarbeiterInnen ist sehr viel über die Frage des richtigen Studiendesigns diskutiert worden. Ein kleiner Überblick.
Séralini und KollegInnen hatten in einer zweijährigen Untersuchung die Wirkung von Herbizid-tolerantem gentechnisch veränderten NK603-Mais und dem korrespondierenden Unkrautvernichtungsmittel Roundup auf die Gesundheit von Ratten untersucht.1
Dass es nach etwa zwanzig Jahren der Nutzung von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen überhaupt zu einer Auseinandersetzung kommt, sagt schon an sich einiges aus. Bis heute gibt es keine einheitliche Antwort auf die Frage, was zur Untersuchung der gv-Pflanzen (in Verbindung mit ihrem korrespondierenden Herbizid) und der aus ihnen resultierenden Produkte im Hinblick auf ihre Nutzung als Lebens- oder Futtermittel notwendig ist. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass nicht jede Untersuchung geeignet ist, gesundheitliche Effekte ausfindig zu machen. Manche Studien zielen zum Beispiel darauf ab, den Nährwert eines bestimmten Futtermittels oder einer bestimmten Pflanzenart als Teil einer speziellen Futtermittel-Mischung zu ermitteln. Gegebenenfalls werden die Tiere in einem solchen Versuch auch krank, aber nicht auf Grund von Vergiftungserscheinung oder Krebs (et cetera), sondern als Ausdruck einer Mangelerscheinung.2
Orientierung bei der Suche nach der richtigen Methode bieten die Richtlinien der Organisation für Entwicklung und Kooperation in Europa (OECD) zur Untersuchung toxikologischer, chronisch toxikologischer beziehungsweise krebserregender Wirkungen von Chemikalien. Séralini und KollegInnen geben an, ihr Studiendesign an den Vorgaben der OECD-Richtlinien 408 und 452 orientiert zu haben.3
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA nennt in diesem Zusammenhang außerdem auch die OECD-Richtlinien 451 und 453.4
Für alle diese Untersuchungsmethoden gelten Ratten als geeignete Versuchstiere.
Richtlinie 408: Toxizitätsstudien für Chemikalien / 90 Tage / 10 Tiere je Geschlecht
Richtlinie 451: Untersuchungen auf krebserregende Wirkung von Chemikalien / 24 Monate (großer Teil der Lebensspanne) / 50 Tiere je Geschlecht
Richtlinie 452: Test auf chronische Toxizität von Chemikalien / 12 Monate / 20 Tiere je Geschlecht (laut Séralini et al. entspricht es auch der OECD-Vorgabe, wenn bei der Untersuchung haematologischer und klinisch-biochemischer Funktionen mindestens 10 Tiere je Gruppe untersucht werden)
Richtlinie 453: Kombinierte Untersuchung von chronischer Toxizität und Kanzerogenität von Chemikalien / 24 Monate / 50 beziehungsweise 10 Tiere je Geschlecht (je nach der Phase des Versuchs)
Zu beachten ist auch das Verhältnis zwischen dem gewählten Versuchstier und der zeitlichen Ausdehnung eines Versuches. Ein zweijähriger Versuch entspricht bei Ratten fast der gesamte Lebensspanne, bei Schweinen wäre das nur ein kleiner Ausschnitt. Es werden unterschieden: - 90-Tage Untersuchungen, - Langzeit-Untersuchungen (ein oder zwei Jahre oder auch darüber hinaus), - Tests über die gesamte Lebensdauer, - Mehr-Generationen-Untersuchungen.
Welche Tiere sind geeignete Untersuchungsobjekte?
Unterschiedliche Ansichten wurden in Bezug auf die zu verwendenden Versuchstiere geäußert. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass es extra gezüchtete Linien von Ratten gibt, die nur für die Nutzung in Versuchen vorgesehen sind, um Versuche besser miteinander vergleichbar zu machen. Unterschiedliche Zuchtlinien der Tiere eignen sich für unterschiedliche Versuchszwecke. In Bezug auf die von Séralini und seiner Gruppe eingesetzten Ratten-Linie (Sprague Dawley) gibt es Publikationen, denen zufolge diese Ratten im höheren Alter zur Ausbildung von spontanen Tumoren neigen. Einer der Gründe, warum diese Linie in dem aktuellen Versuch Verwendung fand, ist, dass WissenschaftlerInnen schon in der Vergangenheit bei der Prüfung von gentechnisch verändertem NK603-Mais eben diese Rattenlinie benutzt haben. Konkret führten Hammond und KollegInnen einen 90-Tage-Versuch durch, der auch im Antragsdossier des Gentech-Konzerns Monsanto für die Zulassung von NK603-Mais in der EU eine wichtige Rolle spielte. Nicht zuletzt, um die eigenen Ergebnisse mit denen von Hammond und KollegInnen vergleichen zu können, lag die Nutzung der gleichen Ratten-Linie nahe.
Welche gv-Pflanze wurde getestet?
In der Untersuchung von Séralini und seinen KollegInnen geht es um den gentechnisch veränderten Mais NK603 des US-Konzerns Monsanto 5 , eine Herbizid-tolerante gv-Pflanze, die während ihres Anbaus obligatorisch mit dem Unkrautvernichtungsmittel Roundup behandelt wird. Das Gift wird in die Pflanzen aufgenommen, aufgrund der gentechnischen Veränderung werden die NK603-Pflanzen jedoch nicht abgetötet. Der Wirkstoff des Unkrautvernichtungsmittels (Glyphosat) wird in verschiedene Bestandteile zerlegt. Unter normalen Bedingungen finden sich Reste des Giftes und die eingelagerten Stoffe auch in der Ernte. Ziel der Untersuchung von Séralini und seinen KollegInnen war, auf mögliche negative Effekte zu testen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob diese Effekte durch das Gift beziehungsweise seine Abbauprodukte, durch die gv-Pflanzen oder durch eine Kombination von beidem ausgelöst werden. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass auch die Pflanzen, die im Verlauf der Studie untersucht werden sollen, gemäß der üblichen Praxis angebaut und auch mit dem entsprechenden Mittel behandelt worden sind. Zudem ist es notwendig, dass die gv-Pflanze in einem Versuch mit ihrer so genannten isogenen Linie verglichen werden. Unter isogener Linie versteht man die Sorte, an der die gentechnische Veränderung vorgenommen worden ist. Die Linien unterscheiden sich nur durch die gentechnische Veränderung.
Veröffentlichung von (Roh-)Daten
Séralini und KollegInnen haben im Januar dieses Jahres einen Teil ihrer Daten bei einem Notar hinterlegt.6 Unter der Voraussetzung, dass auch die Regulierungsbehörden beziehungsweise der US-Gentech-Konzern Monsanto die Daten zu früheren Untersuchungen des gentechnisch veränderten Mais NK603 veröffentlichen, kann die Wissenschaftsgemeinde Zugang zu den Roh-Daten bekommen. Zudem kündigten sie an, dass ein Teil der Daten in geplante Publikationen Eingang finden wird (zum Beispiel mit Bezug zu den Details über die Qualität des Futters). Auch die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, hat Daten über NK603 veröffentlicht.7 Die Prüfung dauert weiter an. Ob der Umfang und die Qualität der jetzt bereitgestellten Datensätze die beteiligten Parteien zufriedenstellt, bleibt abzuwarten.
- 1Seralini, G.E. et al. (2012): Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize. Food and Chemical Toxicology 50, S. 4221-4231.
- 2Siehe dazu auch Testbiotech (2012): EFSA: Unterschiedliche Standards bei der Bewertung von Fütterungsstudien. Hintergrund-Papier, 30.10.12. Im Netz unter www.testbiotech.org.
- 3„This is not a carcinogenesis study, but a long term full toxicological study.” Séralini et al. (2012): Reply to letters to the editor. Answers to critics: Why there is a long term toxicity due to a Roundup- tolerant genetically modified maize and to a Roundup herbicide. http://dx.doi.org/10.1016/j.fct.2012.11.007.
- 4EFSA (2012): Statement of EFSA - Review of the Séralini et al. (2012) publication on a 2-year rodent feeding study (...). EFSA Journal 10 (10):2910. www.efsa.europa.eu.
- 5Siehe dazu www.kurzlink.de/gid216_y.
- 6CRIIGEN: Raw data released to a notary, 14.01.13. Im Netz unter www.criigen.org/SiteEn.
- 7EFSA (2013): EFSA promotes public access to data in transparency initiative. 14.01.13. www.efsa.europa.eu.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.
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