Wissenschaft in der Verantwortung

Die DFG trägt nicht zur Aufklärung über Grüne Gentechnik bei

„Wissenschaft ist in einer besonderer Verantwortung, wenn es um die Aufklärung der interessierten Öffentlichkeit geht“ - so zu lesen im Vorwort einer Broschüre zur Grünen Gentechnik der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Doch die Broschüre selbst lässt wichtige verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht. Sie enthält undifferenziert einseitig wirkende und sogar sachlich falsche Darstellungen.

Im Dezember 2009 publizierte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Broschüre zur „Grünen Gentechnik“ (GGT). Der selbst formulierte Anspruch lautete, „kompetent, ausgewogen und verständlich alle relevanten Aspekte des Themas zu umreißen“. Um die Diskussion zu versachlichen und umfassend über die Grüne Gentechnik zu informieren“, wurde diese Broschüre auf Initiative der beiden Senatskommissionen „Stoffe und Ressourcen in der Landwirtschaft“ beziehungsweise „Grundsatzfragen der Genforschung“ herausgegeben.1 Berücksichtigt man die starke gesellschaftliche Verunsicherung hinsichtlich der Qualität produzierter landwirtschaftlicher Rohstoffe, ist eine sachliche Darstellung und Aufklärung der Potentiale und Risiken innovativer Technologien wie der GGT durch die Wissenschaft wichtig und notwendig, um die interessierte Öffentlichkeit zu informieren und vernünftige und ausgewogene politische Entscheidungen treffen zu können. Allerdings ist es nicht nur für die langfristige Glaubwürdigkeit, sondern auch hinsichtlich des ethischen Selbstverständnisses der Wissenschaft und ihrer zentralen Organisationen wie der DFG von essentieller Bedeutung, dass eine solche Aufklärung umfassend, gewissenhaft und objektiv, das heißt frei von partikularen Interessen erfolgt. Der tatsächlich auch durch die DFG selbst formulierte Anspruch an eine entsprechende Broschüre zur Grünen Gentechnik ist somit sehr hoch und lässt den Leser eine Abhandlung erwarten, die die gesamte disziplinäre Bandbreite der Wissenschaften reflektiert, die für einen solchen „umfassenden“ gesellschaftlichen Diskurs über eine neue Technologie relevant ist.

Eigener Anspruch in weiten Teilen nicht erfüllt

Misst man die vorgelegte Broschüre an diesem im Vorwort formulierten Anspruch - „Wissenschaft ist in einer besonderer Verantwortung, wenn es um die Aufklärung der interessierten Öffentlichkeit geht“ - so muss konstatiert werden, dass dieser in weiten Teilen nicht erfüllt wurde. Dies ist in doppelter Hinsicht zu bedauern. Erstens schadet es dem Renommee der DFG wie auch der durch sie repräsentierten gesamten deutschen Wissenschaft, wenn diese zu einem gesellschafts- wie auch forschungspolitisch hoch brisanten Thema eine Informationsbroschüre vorlegt, die einerseits sachlich falsche Darstellungen enthält, wichtige verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht lässt sowie einen Mangel an Ausgewogenheit und fachlicher Breite aufweist und andererseits präzise und wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerungen und Standpunkte zu den gesellschaftlich diskutierten Streitfragen vermissen lässt. Zweitens ist dies zu bedauern, da die Identifikation und gesellschaftliche Akzeptanz nachhaltiger innovativer Technologien der Nahrungsmittelproduktion eine zentrale Voraussetzung für eine effektive und effiziente Lösung dringender weltpolitischer Probleme, wie dem globalen Umweltschutz oder der Welternährung, darstellen. Gerade wegen der proklamierten Überzeugung der Autoren der Broschüre, dass die GGT erhebliche Potentiale für eine nachhaltige umweltschonende Produktivitätssteigerung bei der Erzeugung landwirtschaftlicher Rohstoffe aufweist, wäre es aus wissenschaftlicher Sicht besonders wichtig gewesen, eine Kommunikationsstrategie zu wählen, die sicherstellt, dass besorgte Verbraucher und Bürger auch tatsächlich erreicht und ihre begründeten Fragen ernst genommen werden. Dies ist mit der vorliegenden Broschüre nicht geschehen. Um Missverständnissen vorzubeugen, stelle ich einen Punkt explizit voran. Wie die Autoren der Broschüre ist sich auch diese Kritik der Potentiale der Grünen Gentechnik in verschiedensten Bereichen uneingeschränkt bewusst. Diese Abhandlung ist ausdrücklich nicht als eine grundsätzlich diskreditierende Stellungnahme gegenüber dieser neuen Technologie zu verstehen, vielmehr soll der kritische Diskurs darüber befördert werden, wie im Einzelnen mit GGT-Ansätzen im Kontext eines umfassenden Nachhaltigkeitsansatzes beziehungsweise im Sinne eines überzeugenden gesellschaftlichen Lösungsansatzes umgegangen werden sollte. Ziel dieses Beitrages ist es somit, einen methodisch und inhaltlich weiter gehenden Diskurs zur Thematik anzuregen. Die Broschüre gliedert sich formal in einen informellen (kognitiven) und einen vermischt informellen/ normativen (wertenden) Teil. In den ersten Abschnitten (Seiten 8 bis 37) werden die wissenschaftlichen Grundlagen der Züchtungsforschung unter Einbeziehung der Biotechnologie (zum Beispiel Markertechnologien) beziehungsweise der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen fundiert und gut verständlich behandelt. Im zweiten Teil (ab Seite 38) werden die biologisch-technischen, ökonomischen und sozialen Potentiale wie auch Risiken der GGT diskutiert, und im abschließenden Kapitel „Weder Teufelszeug noch Wundermittel“ wird ein Resümee der Broschüre gezogen. Unsere Kritikpunkte beziehen sich ausschließlich auf diesen zweiten Teil, der eine informelle mit einer normativen Ebene vermischt, ohne dass es dem Leser möglich ist, diese beiden Ebenen zu unterscheiden. Die Autoren versäumen es, die Potentiale und Risiken der GGT strukturiert und in einem Gesamtzusammenhang zu diskutieren. Hierzu wäre es wünschenswert und sinnvoll gewesen, ein Plädoyer für oder gegen die GGT nach den Bereichen GGT-Forschung, Anwendung der GGT in der Produktion und dem Konsum von mit GGT produzierten Produkten zu unterscheiden. Ein Abwägen der Potentiale und Risiken der GGT kann in diesen drei Bereichen jeweils zu grundsätzlich anderen Ergebnissen führen.

Glaubwürdigkeit in Frage gestellt

Zum Beispiel muss grundsätzlich der potentielle Beitrag der GGT als biologisch-technischer Fortschritt zu zentralen Problemen der Welternährung wie auch des globalen Umweltschutzes im adäquaten Kontext diskutiert werden. Unstrittig ist, dass Welternährungsprobleme - wie auch globale Umweltprobleme - in erster Linie auf unvollkommene institutionelle Rahmenbedingungen zurückzuführen sind, die sich als Verteilungs- beziehungsweise Anreizprobleme manifestieren und somit im Kern keine technologischen Probleme darstellen. Entsprechend gering ist auch der potentielle Beitrag, der von biologisch-technischem Fortschritt wie GGT zur tatsächlichen Lösung dieser zentralen Probleme zu erwarten ist. Hier überschätzen die Autoren der Broschüre die Rolle von GGT zum Teil erheblich, was gerade bei informierten kritischen Lesern ihre Glaubwürdigkeit insgesamt eher in Frage stellen dürfte. Zwar bemühen sich die DFG-Autoren, die sich als uneingeschränkte Befürworter der GGT zu erkennen geben, um ein nachvollziehbar ausgewogenes Urteil, indem sie Kritikpunkte anführen, die an der Grünen Gentechnik geäußert werden. Dies tun sie jedoch so normativ präformiert, dass das weitgehend positive Urteil am Ende der Ausführungen alternativlos dasteht.

Sachliche Fehler

In der Broschüre findet sich eine Reihe sachlicher Fehler. Zum Beispiel führen die Autoren bezüglich der genetisch induzierten Toleranz von Kulturpflanzen gegen Herbizide (System „Roundup Ready“) aus, dass diese vollkommen unproblematisch bezüglich möglicher Auswirkungen auf Mensch und Umwelt seien (Seiten 59 bis 60). Dies wird mit der Aussage, dass „weltweit mehr als 11.000 Feldversuche mit mehr als 80 transgenen Kulturen die Vorzüge belegen“ untermauert. An anderer Stelle wird zusammenfassend resümiert: „Die von Kritikern postulierten negativen Folgen für Umwelt, Tier und Mensch sind in keinem Fall eingetreten“ (Seite 91). Diese Aussage ist falsch. Tatsache ist, dass aus den letzten fünf Jahren eine Vielzahl von Publikationen vorliegt, die die Probleme des mittel- beziehungsweise langfristigen Einsatzes von „Roundup Ready“ adressiert. Im Jahr 2007 widmete sich zum Beispiel ein internationales Symposium in Brasilien dieser Problematik, was zu einer Sonderausgabe des European Journal of Agronomy führte und dort neben der zunehmenden Resistenzproblematik die Problembereiche des Glyphosat-Transfers von Zielorganismen zu Nicht-Zielorganismen über die Rhizosphäre ausführlich dokumentiert. Es werden durch diesen Glyphosat-Transfer eine Zunahme an Pflanzenkrankheiten, eine reduzierte Verfügbarkeit von Mikronährstoffen und toxische Effekte auf Bodenbakterien und -pilze angeführt, die „im Interesse der Gesundheit von Pflanzen und Böden die Neubewertung des Risikopotentials von Glyphosatanwendungen als dringend geboten erscheinen lassen“.2

Selektive Verwendung von Befunden

Die Literaturzusammenstellung am Ende der Broschüre verdeutlicht bezüglich der Bewertung gentechnisch veränderter Pflanzen in frappierender Weise die selektive Verwendung ausschließlich positiver Befunde. Potentiell negative Befunde aus der Literatur werden als „Berichte in öffentlichen Medien“ diskreditiert, „die sich nicht auf repräsentative Daten berufen“ (Seite 76). Insbesondere die Tatsache, dass existierende Bewertungsmodelle der Grünen Gentechnik, die eine ausgewogene Darstellung der Potentiale und Risiken auf Basis der verfügbaren Literatur dokumentieren, nicht angeführt werden, lässt die wissenschaftliche Seriosität der Schrift fragwürdig erscheinen.3 Wenn eine Informationsbroschüre der DFG zu einer neuen, gesellschaftlich intensiv diskutierten Technologie den Anspruch auf inhaltliche Ausgewogenheit verfolgt, dann sollte auch der sprachliche Duktus (zum Beispiel die Überschriften über Teilkapiteln) diesem Anspruch gerecht werden. Dass dies nicht der Fall ist, wird insbesondere im Kapitel „Potentiale gentechnisch veränderter Pflanzen“ deutlich, in dem eine suggestiv positive Diktion gewählt wurde, die von vornherein eine abwägende Haltung ausschließt. Ein Beispiel: „Toleranz gegen biotischen und abiotischen Stress - oder: Aufrüstung für den Kampf ums Dasein“- mit diesen militanten Formulierungen („Aufrüstung“, „Kampf“) ist eine Diktion gewählt, die einer Wissenschaftsorganisation wie der DFG - bei allem Verständnis für den Wunsch nach Wahrnehmung in der öffentlichen Diskussion - nicht angemessen erscheint. Spätestens bei solchen Formulierungen ist der im Vorwort der Broschüre formulierte Anspruch „Die Wissenschaft ist hier in einer besonderen Verantwortung, wenn es um die Aufklärung der interessierten Öffentlichkeit geht“ kritisch zu hinterfragen.

Fazit

Die hier nur auszugsweise dargestellten Kritikpunkte an der Broschüre „Grüne Gentechnik“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir den Versuch mittels einer Informationsbroschüre die GGT-Diskussion durch Argumente zu versachlichen, grundsätzlich begrüßen. Nur so kann unberechtigten Ängsten und Voreingenommenheiten entgegengewirkt werden. Dies ist jedoch in der Umsetzung nur im ersten technischen Teil der Ausführungen gelungen. Im zweiten Teil dagegen ist das selbst formulierte Ziel verfehlt worden. Es ist sogar zu konstatieren, dass die Broschüre bezüglich des Ziels der Akzeptanzsteigerung der GGT gegenüber einer breiten informierten Öffentlichkeit eine kontraproduktive Wirkung entfaltet, denn die Einseitigkeit der DFG-Broschüre zugunsten der GGT dürfte die Skepsis gegenüber dieser Technologie eher noch verstärken. Die Broschüre macht letztlich vor allem deutlich, dass ein umfassender wissenschaftlicher Diskurs zur Grünen Gentechnik mit dem Ziel, die breite Öffentlichkeit angemessen zu informieren, seitens einer der Objektivität verpflichteten Wissenschaftsorganisation wie der DFG eine größere Breite an Expertise einbeziehen muss, welche sowohl die natur-, agrar- und ernährungswissenschaftliche als auch die sozialwissenschaftliche und ethische Expertise reflektiert und so zu überzeugenden ausgewogenen Bewertungsmodellen kommt. Die Kritikpunkte an der Broschüre „Grüne Gentechnik“ wurden der DFG schriftlich und mündlich vorgetragen und dies mit der Empfehlung verknüpft, die Broschüre zurückzuziehen.

  • 1Deutsche Forschungsgemeinschaft (2010): Grüne Gentechnik. Wiley-VCH Verlag, Weinheim. Im Netz ist mittlerweile eine verbesserte Fassung von 2011 abrufbar. Die Änderungen betreffen jedoch nicht die hier kritisierten Passagen. Im Netz unter www.dfg.de.
  • 2Yamada, T., Kremer, R., Casto, P., Wood, B.W. (2009): Glyphosate interactions with physiology, nutrition, and diseases of plants: Threat to agricultural sustainability? European Jornal of Agronomy, 31. Neumann, G., Kohls, S., Landsberg, E., Souza, K., Yamada, T., Römheld, V. (2009): Relevance of glyphosate transfer to non-target plants via the rhizoshere. Journal of Plant Diseases and Protection, Sonderausgabe.
  • 3Es fehlen zum Beispiel: International Food Policy Research Institute (2005): Biotechnology, Agriculture, and Food Security in Southern Africa. Krawinkel und Mahr (2004): Grüne Gentechnik, Chancen und Risiken für die internationale Ernährungssicherung. Eine Studie im Auftrag der Deutschen Welthungerhilfe. Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (2008): TAB Arbeitsbericht 128: Transgenes Saatgut in Entwicklungsländern. Nuffield Council (2005:) The use of genetically modified crops in developing countries - a follow-up discussion paper. Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Nahrungsmittelsicherheit (2009): Beetle - Report: Long term effects of genetically modified (GM) crops on health and the environment (including biodiversity).
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
205
vom Mai 2011
Seite 8 - 11

Michael Krawinkel ist Professor am Institut für Ernährungswissenschaften für Ernährung des Menschen mit Schwerpunkt Ernährung in Entwicklungsländern an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

zur Artikelübersicht

Nur durch Spenden ermöglicht!

Einige Artikel unserer Zeitschrift sowie unsere Online-Artikel sind sofort für alle kostenlos lesbar. Die intensive Recherche, das Schreiben eigener Artikel und das Redigieren der Artikel externer Autor*innen nehmen viel Zeit in Anspruch. Bitte tragen Sie durch Ihre Spende dazu bei, dass wir unsere vielen digitalen Leser*innen auch in Zukunft aktuell und kritisch über wichtige Entwicklungen im Bereich Biotechnologie informieren können.

Ja, ich spende!  Nein, diesmal nicht