Von Patenten, Piraten und altem Pathos

Der Widerstand der sich entwickelnden Länder und indigener Völker gegen das "Abkommen über handelsbezogene geistige Eigentumsrechte" der WTO (TRIPs) reißt nicht ab. Den Ländern wird zunehmend der Zugriff auf ihre Ressourcen verwehrt und sie versuchen, sich gegen Fälle von Biopiraterie zu wehren. Beim letzten TRIPs Council-Treffen Anfang Juni dieses Jahres wiederholten die Africa Group-Staaten ihre Bedenken zum TRIPs. Auch auf der WTO Ministerkonferenz in Cancun wurde kein Konsens von Industrienationen und entwickelnden Ländern bezüglich des Zugangs und der Nutzung biologischer Ressourcen gefunden.

Fälle von Biopiraterie, also die Patentierung eines biologischen Stoffes, der ohne Rücksicht auf Rechtsansprüche bisheriger Nutzer gewonnen wurde, erstrecken sich auf alle Regionen mit hoher Biodiversität. Betroffen sind hauptsächlich sich entwickelnde Länder, die selbst keine technischen Möglichkeiten zu einer kommerziellen Verarbeitung und kaum rechtliche Schutzmechanismen haben. Da es für einen Patentantrag unerheblich ist, wo der zu patentierende Stoff herkommt, bleiben die meisten Fälle unbekannt. Ein Beispiel ist die Patentierung des Kaktus Hoodia in Südafrika. Sein Hunger stillender Wirkstoff ist für die Pharma-Industrie der westlichen Nationen sehr interessant. Der Markt für Schlankheitspillen, die aus dem Wirkstoff hergestellt werden könnten, ist angesichts von Millionen von Übergewichtigen in den Industrienationen lukrativ.

Beispiel : Südafrika

Ohne zu berücksichtigen, dass die einheimischen San den Kaktus schon seit Generationen als Mittel gegen Hunger nutzen, meldete die multinationale Firma Pfizer ein Patent in zwanzig europäischen und mehreren anderen Ländern für diesen Kaktus an. Die San sollten bei all dem leer ausgehen. Über einen Vertreter klagten sie auf Entschädigung. In den letzten Monaten wurde schließlich ein Übereinkommen getroffen. Danach werden die San als Träger des traditionellen Wissens anerkannt und erhalten eine Entschädigung und eine Beteiligung am Gewinn. Die ForscherInnen bekamen das Recht, ihre Forschungsarbeiten weiterzuführen, und in Zukunft wollen beide Seiten ihr Wissen gemeinsam nutzen. Dies wird als Erfolg gefeiert. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass die Ressourcen somit weiter ausgebeutet werden und die Natur kommerzialisiert wird. In Südamerika gibt es ähnliche Beispiele. Im Blick der Biopiraterie-Gegner ist zur Zeit die Patentierung des Cupuaçu-Baums, der in Brasilien und Peru seit Generationen angebaut wird. Es handelt sich dabei um eine kakaoähnliche Pflanze, aus der sich viele geschmackvolle Produkte, insbesondere eine gesündere Alternative zur Schokolade, herstellen lassen. Als Produzenten aus der Amazonas-Region ihre Cupuaçu-Produkte Ende 2002 nach Deutschland exportieren wollten, mussten sie feststellen, dass der Name Cupuaçu seit 1999 als Warenzeichen geschützt ist. Die japanische Firma Asahi Co. hatte sich den amazonischen Ursprungsnamen zu Eigen gemacht und will nun zusätzlich beim Europäischen Patentamt, in den USA und in den Ursprungsländern der Frucht ein Patent auf die Herstellung und Verwendung von Fetten und Ölen aus der Pflanze erhalten. Dies würde ihr das Monopol auf jegliche Anwendungen des Rohstoffes, sei es im Pharma-, Kosmetik- oder Nahrungsmittelbereich sichern. Die Beispiele zeigen, dass der Kolonialismus von einst heute als Biokolonialismus weitergeführt wird. Aufgrund der hohen Biodiversität in Südamerika, Asien, Afrika oder Ozeanien hoffen ForscherInnen aus Industrie und Universitäten mit Hilfe der dort vorkommenden Pflanzen und modernster Bio- und Gentechnologie bahnbrechende Erfolge in den Bereichen Medizin und Ernährung zu erlangen. So entstand im Rahmen der Uruguay-Verhandlungen des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) 1994 das Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistiger Eigentumsrechte (TRIPs, Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights). Es hat das Ziel, international Patentrechte durchzusetzen, die den geistigen Eigentumsrechten der USA ähnlich sind und muss innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umgesetzt werden. Die Umsetzungsfrist für sich entwickelnde Länder galt ursprünglich bis Dezember 1999, wurde aber bis 2006 verlängert, da gerade 30 Prozent der Länder in der Lage waren, die erste Frist einzuhalten. Mit TRIPs soll der Missbrauch von Erfindungen in Form billiger Nachahmungen unterbunden werden. Gleichzeitig findet eine Inwertsetzung von genetischen Ressourcen statt. Die Natur wird kommerzialisiert und als Ware auf dem Weltmarkt gehandelt. Es steht viel auf dem Spiel: Der globale Markt an Produkten, die auf pflanzengenetische Ressourcen zurückzuführen sind, beläuft sich inzwischen auf jährlich 500-800 Milliarden US-Dollar.

Interpretationssache

Von Anfang an war die Auslegung des Vertragstextes nicht nur bei NGOs und Bürgerinitiativen, sondern auch unter den Verhandlungspartnern selbst umstritten. Dabei ist vor allem die unter geistiges Eigentum zählende Patentierung von Lebensformen, wie Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen und Genen kontrovers, die im TRIPs-Abkommen vorgesehen ist. Dies wird beispielsweise in der EU-Biopatentrichtlinie so umgesetzt, dass bei einer Patentierung von Genen alle Funktionen patentiert sind, auch diejenigen, die bislang noch nicht bekannt sind. Patente auf Pflanzen wirken sich auf viele verschiedene Sorten aus, ebenso wie auf deren Weiterzüchtung, die Vermarktung des kommerziellen Saatgutes, den Anbau, Nachbau und den Tausch von Saatgut. Patentschutz beläuft sich in der Regel auf zwanzig Jahre. Letztendlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Während für Mikroorganismen sowie mikrobiologische und nicht-biologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen und Tieren Patentschutz erforderlich ist, nehmen Pflanzen und Tiere selbst eine Sonderstellung ein und können vom Patentschutz ausgenommen werden. Dabei wird keine der genannten Terminologien genau definiert, sodass sich der Inhalt des Artikels in verschiedenster Weise auslegen lässt. Die Sonderstellung von Tieren und Pflanzen kann beispielsweise dadurch ausgehebelt werden, dass die Möglichkeit, Mikroorganismen zu patentieren ein Einfallstor für die Patentierung von Pflanzen und Tieren bietet. Ob es sich beim genetischen Code von Pflanzen um eine Erfindung oder um eine Entdeckung handelt, spielt dabei eher eine nebensächliche Rolle. Hinzu kommt, dass der Artikel 27.3(b) einen "Patenschutz von Pflanzen", ein "wirksames sui generis System" (1) oder eine "Kombination von beidem" vorsieht. Dabei ist aber weder definiert, wie solch ein sui-generis-System auszusehen hat, noch wann seine Wirksamkeit als bewiesen angesehen werden soll. Aus europäischer beziehungsweise US-amerikanischer Sicht ist das wirksame sui-generis-System die Sortenschutzgesetzgebung nach UPOV (Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen). UPOV wurde 1961 verabschiedet. Es soll Züchtern exklusive Eigentumsrechte auf neue Pflanzensorten zusprechen. Das Abkommen wurde in mehreren Stufen überarbeitet, zuletzt 1978 und 1991. Zwischen dem Schutzniveau der Konvention von 1978 und 1991 besteht allerdings ein gravierender Unterschied. Die Rechte der Bauern auf Wiederaussaat, Tausch und Weiterentwicklung des Saatgutes waren nach UPOV 1978 noch gewährleistet, sind aber mit UPOV 1991 auf den Züchter übergegangen. UPOV 1991 erlaubt die Wiederaussaat nur gegen eine Gebührenzahlung. Auch das so genannte Züchterprivileg wird in diesem Abkommen stark eingeschränkt. Während nach UPOV 1978 eine Weiterzüchtung ohne Lizenz möglich war, bedürfen laut UPOV 1991 Varietäten, die im Wesentlichen von schon geschützten Sorten abgeleitet sind, nun der Zustimmung durch den ursprünglichen Züchter. Bei patentgeschützten Pflanzen ist der Züchtervorbehalt ohnehin hinfällig. Seit der Reform von 1991 kann UPOV in Bezug auf den Umgang mit kommerziellem Saatgut fast wie ein Patentschutz wirken. Denn ohne eine Lizenz des Sortenschutzinhabers ist der Bauer im Umgang mit seinem kommerziellen Saatgut ebenso gebunden wie ohne eine Lizenz des Patentinhabers. Für die sich entwickelnden Länder bedeutet beides, Sortenschutz nach UPOV oder Patentrecht, einen einschneidenden Eingriff in die Ernährungssouveränität, zumal ein Beitritt zu UPOV 1978 seit 1998 schwer möglich ist. Allerdings ist die Möglichkeit einer sui generis Gesetzgebung auch eine Chance für Dritte-Welt-Länder, ein eigenes System zu schaffen. Entwicklungen in diese Richtung werden im Folgenden noch erörtert.

Verträge und Hilfsleistungen

Ein Beitritt zu UPOV 1991 ist laut TRIPs-Abkommen immer noch optional. Um ihre Interessen dennoch umzusetzen, schließen die EU, USA und Japan bilaterale Abkommen mit südlichen Regierungen, zumeist mit sich entwickelnden Ländern ab. Denn das TRIPs-Abkommen erfüllt lange nicht die Standards von Patentschutz, die sich viele Industrienationen wünschen. Erst im März diesen Jahres schloss die EU - zum Beispiel -solch ein Abkommen mit dem Libanon, in dem die libanesische Regierung dazu verpflichtet wird, binnen vier Jahren UPOV 1991 beizutreten. Mit 90 weiteren sich entwickelnden Ländern existieren bereits Verträge, die geistige Eigentumsrechte betreffen. Diese bilateralen Abkommen werden als TRIPs-Plus bezeichnet, da sie Forderungen beinhalten, die im TRIPs-Abkommen zwar vorgeschlagen werden, aber nicht verpflichtend sind. Dabei geht es im Allgemeinen um den Beitritt zu UPOV, es werden aber auch "highest international standards" zum Schutz geistigen Eigentums gefordert. Diese Terminologie beinhaltet meistens, dass auch Pflanzenarten und biotechnologische Erfindungen unter Patentschutz fallen. Genau definiert ist "der höchste Standard" nicht. An diese bilateralen Verträge sind meist spezielle Hilfsleistungen, beziehungsweise die Drohung, diese zu kürzen, gekoppelt. Trotz dieser starken Einschränkung der Farmers´ Rights unterschrieben 1999 Mitglieder der African Organization of Intellectual Property (OAPI) den UPOV-Vertrag von 1991. François Adande aus Benin begründete diese Entscheidung damit, Afrika müsse Vertrauen schaffen, dass es auch geistiges Eigentum (Intellectual property rights; IPRs) schützen könne. Ohne dieses Vertrauen würden westliche Länder weniger in die Forschung investieren und infolgedessen würde es zu keinem Technologieaustausch kommen. Indien und andere Länder hingegen weigern sich besonders aufgrund des Fehlens der Farmers' Rights UPOV beizutreten. UPOV würde nicht ihren Gebräuchen entsprechen, deshalb müsse ein sui generis-System entwickelt werden, das den Anforderungen von Entwicklungsländern gerecht würde. Die Rechte der BäuerInnen und ZüchterInnen müssten geschützt werden und einen Schwerpunkt bilden. UPOV verkörpere jedoch die Philosophie der Industrienationen, wo es entwickelt wurde und wo die vorrangigen Ziele darin lägen, die Interessen der großen Saatgutfirmen zu schützen. Ebenso sei UPOV von Staaten formuliert, in denen die Agrarwirtschaft ein Geschäft und nicht die eigene Existenzgrundlage darstelle. Es gebe in den Begründerstaaten keine große Anzahl von KleinbäuerInnen und marginalisierten BäuerInnen. In Indien hingegen sei die Situation anders. Dort gebe es keine großen Saatgutfirmen, die meisten SaatgutproduzentInnen seien BäuerInnen und BäuerInnenkooperativen. Diese würden die Biodiversität erhalten und entwickeln. Im November 2000 legte die Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) ein Modellgesetz vor. Es zeigt einen Kompromiss zwischen Farmers' Rights und Sortenschutz auf und wäre ein "sui generis"-Gesetz, das auch für entwickelnde Länder akzeptabel wäre.(2) Ziel des so genannten OAU-Modellgesetzes sei es, die Dynamik kommerzieller und persönlicher Interessen zu regulieren, die den sozialen Zusammenhalt und die ökologische Sicherheit untergraben. Ebenso soll das Modellgesetz ein Weg für Länder sein, deren erste Priorität darin bestehe, die Interessen Afrikas zu schützen. Der Modellvorschlag ist umstritten: Einerseits wird er als eine Option für ein sui-generis System angesehen, das dem TRIPs entspricht. Andere Einschätzungen glauben jedoch, man könne kein Handelsregime entwickeln, das einerseits private und kommerzielle Rechte fördert und gleichzeitig kollektive Eigentumsrechte und Existensgrundlagen sichert. Laut Ute Sprenger, Mitarbeiterin im Coordinating Network on Biodiversity in Costa Rica, wurde dort in den letzten Monaten ein sui generis Gesetzesvorschlag als Alternative zu UPOV ´91 entwickelt. Dieser liegt bisher nur in Spanisch vor und soll in den kommenden Monaten in dem Netzwerk und mit den zivilgesellschaftlichen Gruppen in Costa Rica debattiert werden, um ihn noch weiter zu verbessern.

"Gemeinsames Erbe der Menschheit"

Das TRIPs-Abkommen steht zudem im starken Widerspruch zu internationalen Zielen wie dem Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt, der Sicherung der Welternährung, dem gerechten Zugang zu genetischen Ressourcen, dem Schutz von Bauernrechten sowie der Bekämpfung der Armut. Diese Ziele sind in unterschiedlichen internationalen Abkommen wie der Konvention über biologische Vielfalt (Convention on Biodiversity, CBD) von 1993 und dem International Treaty on Plant Genetic Ressources for Food and Agriculture (ITPGR) der FAO von 2001 formuliert. Das ITPGR ist ein bisher völkerrechtlich unverbindliches Vertragswerk, dessen zu Grunde liegende Idee die Sicherung der weltweit wichtigsten Kultursorten ist. Eine Auswahl an Kultursorten (35 Nahrungs- und 29 Futterpflanzen) werden in diesem Lösungsansatz als "gemeinsames Erbe der Menschheit" deklariert und sollen nicht patentierbar, sondern frei zugänglich sein. Der Widerspruch bezüglich der Ziele des Patentrechts und dem Schutz der biologischen Vielfalt wird deutlich. Das gleiche gilt für die CBD, wobei die Konfliktpunkte unterschiedlich sind. Im Grunde spricht sich die Konvention nicht gegen ein Patentsystem aus. Kritiker werfen ihr deshalb vor, genau wie das TRIPs-Abkommen die Kommerzialisierung und Privatisierung der natürlichen Ressourcen zu fördern. Allerdings sind in der CBD die Interessen der südlichen Regierungen wesentlich stärker eingeflossen als im TRIPs-Abkommen. So sollen nationale Anlaufstellen eingerichtet werden, die den Zugang zu genetischen Ressourcen der Konvention gemäß regeln und die kostenlose Aneignung beenden.

Alternativen und Widerstand

Hauptziel der CBD ist der Erhalt der biologischen Vielfalt. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt am Besten gewährleistet ist, wenn sie nachhaltig genutzt wird ("Erhalt durch Nutzung"). Zwei Klauseln in der Konvention, die Teilhabe der Bevölkerung am Gewinn (benefit sharing) und die Zustimmung der Bevölkerung auf sachkundiger Grundlage (prior informed consent) sollen den Zugang und die Nutzung der biologischen Vielfalt innerhalb eines bilateralen Prinzips gerecht regeln. Erstmals wird in der Konvention die biologische Vielfalt unter nationale Souveränität gestellt: Für Bioprospektion, also für die gezielte Untersuchung und Sammlung biologischen Materials, muss eine Forschungsgenehmigung des Staates eingeholt werden. Der Staat hat dabei das Recht, über die Verwendung der Ressource Auskunft zu erhalten, bevor er seine Zustimmung gibt. Außerdem hat er Anspruch auf einen Teil der Gewinne, die aus der Vermarktung des Produkts, das auf der Grundlage ihrer Ressource hergestellt wird, erwirtschaftet werden. Ebenso den Erhalt der Biodiversität zum Ziel hatte der Vertrag zwischen dem costaricanischen Instituto Nacional de Biodiversidad (INBio) und Merck, einem Pharmakonzern aus den USA, über die Bioprospektion in Costa Rica. Zwar wurde dieser Vertrag ein Jahr vor der Rio-Konferenz, zu deren Konventionen auch die CBD gehört, geschlossen. Er wurde jedoch bis 1999 einige Male verlängert und schon beim Abschluss des ersten Vertrages gab es auf verschiedenen Ebenen Debatten über Zugang und Nutzung der Biodiversität. INBio bezeichnet sich selbst als nicht-gewinnorientierte NGO. Das Institut wurde jedoch auf einen Regierungserlass hin gegründet, seine Bildung wurde durch eine staatliche Kommission empfohlen und es ist mit Ministerien eng verzahnt. Das Ziel von INBio ist es, den Erhalt der Biodiversität zu unterstützen sowie das Wissen über die nationale Biodiversität zu vergrößern, um darauf aufbauend eine nachhaltige Nutzung zu ermöglichen. Dazu beschreibt das Institut die Artenvielfalt des Landes und verbreitet das erlangte Wissen. Den ersten Vertrag mit Merck unterschrieb INBio 1991. Darin verpflichtete sich das Institut, in einem Zeitraum von zwei Jahren eine geheim gehaltene Anzahl von Proben an Merck abzugeben und erhielt dafür eine Million US-Dollar für den Institutsaufbau und den Naturschutz. Der Rest des Vertrages ist weitgehend unklar und nicht transparent. Die vereinbarte Gewinnbeteiligung betrug nach Giselle Tamayo, Direktionsmitglied von INBio, zwischen 0,5% und 2%. Der größte Teil der Einnahmen aus den Bioprospektionen gingen laut Tamayo an die Regierung. "Die Regierung investiert nicht in uns, sondern wir investieren in die Regierung", so Tamayo.(3)

Klärungsbedarf

Unklar ist auch, welche Verpflichtungen Merck bei der Entwicklung eines Produkts gegenüber Dritten hat, die dieselbe Ressource anbieten. Zudem führt die Konkurrenz zwischen mehreren Anbietern (Ländern) einer Ressource zum Preisverfall. Viele der an Biodiversität reichen Länder sind hoch verschuldet und werden also vermutlich die Auflagen für den Zugang senken, nur um überhaupt Geld einzunehmen und der entsprechende Verkäufer der Ressource zu sein. Aktuell versucht das Coordinating Network on Biodiversity (Red de Coordinación en Biodiversidad) in Costa Rica einen weiteren Vertragsschluß dieser Art zwischen INBio und der Universität ETH Zürich zu verhindern, bis Normen für den Zugang geklärt sind und eine öffentliche Debatte zwischen sozialen Institutionen und NGOs stattgefunden hat. Das Netzwerk fordert die Möglichkeit, seine Position sowie Bedenken in Hinblick auf Biopiraterie und Bioprospektion auszudrücken. Ebenso kritisiert es, dass weder die Zivilgesellschaft noch sie selbst Zugang zu Informationen zu diesem Fall und zu Ergebnissen von INBio zur Bioprospektion hätten. Es gebe keinerlei Informationen über eine gerechte Gewinnbeteiligung.(4)

Basiswiderstand bringt Projekt zu Fall

Die CBD ist von 183 Staaten ratifiziert, nicht aber von den USA. 1991 organisierte die US-Regierung eine Tagung, auf der das Konzept einer massiven Bioprospektion entwickelt wurde. Die Umsetzung findet in International Cooperative Biodiversity Groups (ICBG) in Ländern wie beispielsweise Nigeria, Vietnam, Argentinien, Chile und Mexiko statt, mit dem Ziel der "Entdeckung und Entwicklung von Arzneimitteln für vorrangige Gesundheitsbedürfnisse in den teilnehmenden Entwicklungsländern und den Vereinigten Staaten". Inwiefern die Gesundheitsbedürfnisse der teilnehmenden Länder bei der Erforschung von Krankheiten tatsächlich relevant sind und nicht die Ansammlung von Kapital und die Versorgung von Patienten in den USA die oberste Priorität bilden, lässt sich angesichts der US-Klage gegen Brasilien vom März 2001 aufgrund der Herstellung von Generika amerikanischer AIDS-Medikamente erahnen. Als ein CBD-konformes Projekt wurde 1998 in Mexiko das ICBG-Maya-Projekt gegründet. Praktisch sollte es nach den Richtlinien der CBD durchgeführt werden, obwohl die USA sich weigern, diese Konvention zu unterschreiben. Die indigenen traditionellen HeilerInnen hatten ein grundsätzlich anderes Verständnis von Mitbestimmung und Zusammenarbeit. Sie organisierten innerhalb des Dachverbandes für HeilerInnen und Hebammen (COMPITCH) den Widerstand, verweigerten kollektiv die Mitarbeit am ICBG-Maya-Projekt und übten Druck auf die Regierung aus. Im Jahr 2000 erreichten sie ein Moratorium und 2001 wurde das Projekt schließlich suspendiert. Laut COMPITCH handelt es sich um Biopiraterie, sobald die entnommene Ressource patentiert oder auf eine andere Art und Weise privatisiert wird. Patent- und Sortenschutz kann folgenschwere Auswirkungen besonders auf arme Länder und Bevölkerungsteile haben. Multinationale Konzerne werden praktisch Eigentümer wichtiger Ernährungsgrundlagen, weshalb die Ernährungssicherheit aller in zunehmendem Maße gefährdet ist. Befürchtet wird, dass armen BäuerInnen aus Kostengründen der Zugang zum Saatgut und damit zu ihren Ernährungsgrundlagen verwehrt bleibt. Zudem besteht die Möglichkeit, dass BäuerInnen aufgrund zu hoher Kosten für ein Zertifikat im Rahmen von UPOV und aufgrund ohnehin schon bestehender Armut gezwungen sind, die von ihnen neu gezüchteten Pflanzensorten für einen niedrigen Preis an große Züchterunternehmen zu verkaufen. Währenddessen verstärken sich die Existenznöte der BäuerInnen unter anderem durch die neu entstandene Abhängigkeit und die damit verbundene zukünftige Zahlung von Lizenzgebühren, auch wenn die Ausgangssorten von ihnen selbst gezüchtet wurden. Es bleibt dann nur noch der Verzicht auf den Anbau dieser weiterentwickelten Sorten.

TRIPs für unsere Welt

Ein Grundsatzproblem vieler internationaler Verträge ist zumeist die westliche Ausprägung, ohne auch nur in Ansätzen pluralistisch zu sein, das heißt sämtliche nicht westlichen Wissenssysteme und -traditionen werden im TRIPs-Abkommen völlig ausgeblendet. In Artikel 27.1 des TRIPs-Akommens heißt es, die Erfindung müsse zur industriellen Anwendung geeignet sein, des Weiteren werden nach dem TRIPs-Abkommen geistige Eigentumsrechte nur als private anerkannt, kollektive Eigentumsstrukturen werden gar nicht erst berücksichtigt. Ebenso schließt das TRIPs-Abkommen alle Sektoren aus, die nicht innerhalb einer industriellen Form produzieren oder entwickeln. Das TRIPs-Abkommen konzentriert sich lediglich auf Profite. In der WTO-Ministerkonferenz in Cancun im September standen Entscheidungen bezüglich des TRIPs-Abkommens an. Die Ministerkonferenz wurde allerdings angesichts erheblicher Differenzen zwischen den WTO-Mitgliedern abgebrochen. Eine gerechtere Lösung über Zugangsrechte konnte also wieder nicht gefunden werden, ebenso wenig wurde seitens westlicher Industrienationen Reformbereitschaft signalisiert.

Fußnoten:

  1. sui generis System: Rechtssystem eigener Art, gefordert durch das TRIPs-Abkommen als Alternative zum Patentschutz. Es ist noch nicht eindeutig geklärt, was nun genau ein S. ist, jedoch wird in der Fachwissenschaft davon ausgegangen, dass Rechte von Pflanzenzüchtern gemeint sind , die nicht wesentlich hinter die UPOV-Bestimmungen zurückfallen (www.biopiraterie.de/orgalinks/lexikon.php).
  2. The OAU's Model Law, (published and distributed by The Scientific, Technical & Research Commission; the Organization of African Unity; PMB 2359, Lagos, Nigeria); http://www.blauen-institut.ch/Tx/tT/ttOauModelLaw.html.
  3. eed-Dokumentation: "Wem gehört die biologische Vielfalt” (Michael Frein, Hartmut Meyer, 2001), Seite 16.
  4. Declaración de la Red de Coordinación en Biodiversidad de Costa Rica frente al posible convenio de ETH (ZUERICH) con INBio, Red de Coordinación en Biodiversidad, Costa Rica (Coordinating Network on Biodiversity - Koordinierungsnetzwerk für Biodiversität, Costa Rica); im Internet unter: http://www.biodiversidadla.org/article/articleview/2695/1/15.


Quellen:

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
160
vom Oktober 2003
Seite 8 - 12

Janine Boutorabi absolvierte bis August 2003 ein Freiwilliges Ökologisches Jahr beim Gen-ethischen Netzwerk.

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Lisa Scheunemann absolvierte bis August 2003 ein Freiwilliges Ökologisches Jahr beim Gen-ethischen Netzwerk.

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