Rezension: Care und Solidarität in der klinischen Forschung

Ob Schmerztablette oder Rheumamedikament, hinter jedem Arzneimittel stehen in Deutschland klinische Studien. Die Arbeit der Versuchspersonen bleibt für die Konsument*innen jedoch in der Regel unbemerkt. In „Trajektorien der Sorge“ geht die Soziologin Laura Schnieder dieser alltäglichen wie unsichtbaren Figur nach. Schnieder begegnet der Unsichtbarkeit, in dem sie anhand von qualitativen Interviews mit Studienteilnehmer*innen und medizinischem Personal eines dermatologischen Forschungszentrums die Versuchsperson vor dem Hintergrund feministischer Science and Technology Studies (STS) theoretisch anknüpfbar macht. Dabei geht es ihr weder darum, Teilnehmer*innen klinischer Studien als bloße „Versuchskaninchen“ zu passivieren, noch ihre Handlungsfähigkeit zu idealisieren. Vielmehr präsentiert sie eine sozialwissenschaftliche Perspektive, die die vielschichtigen Objektivierungs- und Subjektivierungsprozesse der Versuchsperson im Alltag (bio-)medizinischer Wissensproduktion fassen kann. Mit Bezug auf einen Care-Begriff der feministischen STS, der die Wechselwirkungen in der Sorgearbeit fokussiert, werden dabei medizinische Wirkstoffe, befallene Hautstellen oder die tröstende Hand einer Pflegerin genauso Teil des „Care-Teams“ wie die Versuchspersonen und Mediziner*innen selbst. Schnieders Arbeit öffnet den Raum für Fragen der Kollektivierung und Solidarität im medizinischen Neoliberalismus und ist somit gleichermaßen feministisch-theoretisch sowie gesundheitspolitisch relevant.

➤ Laura Schnieder (2020): Trajektorien der Sorge. Zur Konstitution von Versuchspersonen am Beispiel der Psoriasis-Forschung. 220 Seiten, Velbrück Wissenschaft, 34,90 Euro, ISBN 9783958322189.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
254
vom August 2020
Seite 37

Sophie Bauer arbeitet als Bildungsreferentin in der feministischen Frauen*arbeit und promoviert in der Soziologie zum Thema Menstruation.

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